„Ich habe keine Ahnung, was mich da geritten hat“
Flitzer im ursächlisten Sinne sind Menschen, die bei öffentlichen Veranstaltungen durch das Geschehen laufen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: Jimmy Jump heißt der wohl berühmteste Vertreter dieses Genres, jener Herr, der beim WM-Finale 2010 in Johannesburg versuchte, mittels eines Hechtsprunges dem auf einem Sockel am Spielfeldrand thronenden Fifa-Pokal eine Baskenmütze aufzusetzen. Auch bei der Bundesliga-Partie gegen den WAC gab es diesbezüglich in Liebenau eine Premiere, als in der ersten Halbzeit plötzlich ein junger Mann in einer bizarr anmutenden Adjustierung am Feld erschien und dieses erst nach mehreren Show-Einlagen und in Begleitung von Security-Männern wieder verließ. Ein Verrückter? SturmNetz hat nachgefragt und war dementsprechend überrascht auf einen eloquenten Herren mit konservativem Job zu treffen. Reumütig erzählt er uns über diesen Tag und sein Motiv:
Eigentlich stand dieser Tag ganz im Zeichen meiner bevorstehenden Hochzeit: Unsere Polterrunde hat sich schon fünf Stunden vor Matchbeginn getroffen. Dementsprechend war dann auch unser „Level“ bereits beim Ankick. Seit ich denken kann und ich mir ein Abo leisten kann, bin ich, wenn die Schwarzen spielen, im Stadion und fahre auch des Öfteren zu Auswärtsspielen. Sturm ist für mich schon seit viel mehr als einem Jahrzehnt ein wesentlicher Bestandteil. Ich habe von meinen Kumpels an diesem Tag schon vor dem Spiel – wie es sich zu einem solchen Anlass gehört – die verrücktesten Aufgaben gestellt bekommen und diese auch ganz nach Protokoll erledigt. Irgendwann ist dann, rein spaßeshalber, auch erstmals zur Sprache gekommen, dass ich, als zukünftiger Bräutigam, heute eigentlich auch auf das Spielfeld gehöre. Dass später daraus dann wirklich Realität werden sollte, daran hat zu diesem Zeitpunkt wohl keiner ernsthaft gedacht.
Wir haben uns anfangs – eigentlich wie immer – das Spiel angeschaut, doch irgendwann hat irgendwas in mir „Klick“ gemacht. Ich habe nur mein Bier abgestellt und bin schnurstracks vom 13er-Sektor über den Zaun drüber, in den Graben hinunter und von dort auf das Spielfeld. Man muss dazu sagen, dass wir erst vor kurzem vom 12er in den 13er-Sektor umgezogen sind, weil wir für uns befunden haben, dass wir nun in einem gewissen Alter sind und es daher in Zukunft ein klein wenig gemütlicher angehen wollen. Und dann das. Meine Freunde haben das zuerst gar nicht mitbekommen. Zu raketenartig bin ich gestartet und war weg. Mit meiner Adjustierung, den Gummistiefeln und dem bizarr anmutenden Anzug. Natürlich war das ein perfekter Wiedererkennungswert.
„Erst nachdem ein mit Gummistiefeln und auffälligem Sakko gekleideter Flitzer die Heimfans unterhalten hatte, kam Sturm im Finish der ersten 45 Minuten ins Spiel.“ – laola1.at
Es hat dann komischerweise sehr lange gedauert, bis ich irgendwem aufgefallen bin. Zumindest keinem Offiziellen. Eine Zeit lang bin ich ja nur vor der Kurve gestanden und hab mich als Einpeitscher versucht. Irgendwann ist es dann zu einer Spielunterbrechung wegen eines Out-Einwurfes gekommen und ich habe bemerkt, dass mich der Schiedsrichter entdeckt hat und dahingehende Signale zum vierten Offiziellen gesendet hat. Da habe ich gewusst, ich habe jetzt nicht mehr lange Zeit und wollte meinen Auftritt dahingehend krönen, dass ich persönlich diesen Einwurf – so quasi als Höhepunkt meiner skurrilen Performance – ausführe. So weit ist es dann aber nicht gekommen. Joachim Standfest und Donis Avdijaj haben das unterbunden, haben mich höflich aber bestimmt wieder vom Spielfeld begleitet und gemeint, ich soll mich hier besser dünn machen, da ich mit so einer Aktion ja nur dem Verein schade.

© Martin Hirtenfellner Fotografie
Ich möchte dazu sagen, dass sich beide Spieler sehr korrekt und cool mir gegenüber verhalten haben. Als dann die ersten Security-Mitarbeiter bei mir waren, habe ich mich keineswegs gewehrt. Natürlich haben diese Herrschaften wenig Freude mit meiner Aktion gehabt, aber ich glaube schon, bemerkt zu haben, dass sie den einen oder anderen Schmunzler über meine Darbietung nicht verbergen konnten. Sie sind dann mit mir zum Eingang des VIP-Bereiches gegangen, dort habe ich warten müssen, da ich weder Ausweis oder Brieftasche noch Mobiltelefon bei mir hatte. Wohlweislich haben das meine Kumpels schon vor dem Poltern von mir einkassiert, weil sie schon befürchtet hatten, ich würde diese Dinge im Laufe des Tages irgendwo verlieren. Sie haben sich dann auch mit mir solidarisiert, haben geschlossen das Match verlassen, um mir meine Sachen zu bringen. Dann wurden meine Daten aufgenommen und ich habe logischerweise für diese Partie einen Verweis erhalten.
Am Abend haben wir noch weitergefeiert und ich weiß nicht mehr, wie viele wildfremde Menschen mich angesprochen haben und mir unbedingt erzählen mussten, mich heute entweder im Stadion oder vor dem TV-Schirm „bewundert“ zu haben. Meine Adjustierung – die ich ja noch immer trug – hatte ganz offensichtlich Wellen geschlagen. Meine Freunde haben mir dann auch erzählt, dass sie noch während des Spiels angerufen wurden und gefragt wurden, ob das wirklich ich gewesen bin.
Es hat mich zumindest gefreut, dass beinahe alle Medien darüber geschrieben haben, dass nach dem Auftritt des Flitzers ein Ruck durch die Mannschaft gegangen ist. Wahrscheinlich war das eher zufällig, vielleicht aber auch nicht. Trotzdem war es ein kleiner Trost, eventuell war diese Aktion dann doch nicht ganz umsonst. Der Stimmung im Stadion hat es auf alle Fälle nicht geschadet. Mein eigentlicher Beweggrund für diese Aktion bleibt aber selbst mir völlig verborgen, in meinem Delirium hab ich ehrlich gesagt keine Sekunde an irgendwelche Konsequenzen gedacht.

© Martin Hirtenfellner Fotografie
Bislang gab es zum Glück vom Verein keine Signale, dass mir mein Abo eingezogen wird beziehungsweise ein Stadionverbot verhängt wird. Wenn da noch etwas kommt, würde dieser Polterabend, der ja eigentlich so lustig begonnen hat, doch einen fahlen Beigeschmack bekommen. Ich hoffe doch sehr, dass der Verein – beziehungsweise die Bundesliga – in meinem konkreten Fall und aufgrund der für mich doch sehr emotionalen Umstände Gnade vor Recht ergehen lassen wird. Ich möchte mich daher auch bei meinem Herzensverein für die Unannehmlichkeiten entschuldigen und würde mich freuen, beim nächsten Heimspiel – so wie schon über ein Jahrzehnt – wieder meine „Schwoazen“ anfeuern zu dürfen. So wie ich mir immer geschworen habe, nur einmal zu heiraten, schwöre ich hiermit auch, dass dies das einzige Mal in meinem Leben bleiben wird, wo ich während eines Spieles den Rasen betreten habe.
Cooler Typ, irgendwie eine geile Aktion, frei nach Hangover 1,2,3,…
Ich hoffe, Sturm zeigt Größe und verzeiht, auch wenn so etwas nicht passieren sollte…
und was sagt die Braut dazu ?
Klingt vernünftig der Bursche..