Günther Neukirchner: „Dort wo Familie und Freunde sind, dort fühle ich mich wohl“
„Um die Gegenwart zu verstehen, muss man die Geschichte kennen.“ Genau aus diesem Grund blickt SturmNetz.at in regelmäßigen Abständen zurück in die Historie eines Vereines, der so viele Hochs und Tiefs überwunden hat wie wohl nur wenige andere Klubs, der beispielsweise einst europaweit für Furore sorgte, um kurz danach finanziell in der Gosse zu landen. Ivica Osim brachte es wunderbar auf den Punkt: „Sturm deckt alles, was schwarz ist in meinem Leben. Alles, was weiß ist aber auch.“ Wir erzählen in dieser Rubrik „Gschichtn“, stürmische Gschichtn eben. Ausgabe 38 ist jenem Mann gewidmet, der nach Mario Haas die meisten Bundesliga-Spiele für Sturm Graz bestritten hat, der Inbegriff von Vereinstreue ist und heute ein rundes Jubiläum feiert.
Um halb 8 werde ich in der HIB Liebenau zwei Akademie-Spieler abholen, um mit ihnen im skills.lab zu arbeiten. Danach führe ich im Akademie-Büro mit Didi Pegam und seinem Team ein Gespräch, dann geht es weiter nach Messendorf, wo die Kampfmannschaft aus Altach zurückkommt und wir die Partie analysieren werden und ich mit meinen Spielern trainiere. Am Abend fahre ich gemütlich heim und sitze mit meiner Familie zusammen. Da werden wir dann auch anstoßen. Mehr ist in Zeiten wie diesen ohnehin nicht möglich. Außerdem sehe ich es nicht als besondere Leistung an, alt zu werden. Ich leiste lieber den ganzen Tag über etwas.
So sieht der 50. Geburtstag einer Sturmlegende aus, der schon als Spieler als „Mister Zuverlässig“ galt und 530 Pflichtspiele für seine Blackys absolvierte. Günther Neukirchner ist heute noch der Inbegriff schwarz-weißer Vereinstreue und eines Vorzeigeprofis in der erfolgreichsten Ära der Klubgeschichte. Heute feiert „Güsch“ sein rundes Jubiläum und erinnert sich an den allerersten Kontakt mit seinen Blackys. Bei einem Probetraining – damals in der Sporthalle der Harter Schule – von dem er heimgeschickt wurde. Denn einen Meisterschaftsbetrieb gab es damals erst ab der U-10. Etwa in diesem Alter hat es schließlich auch für den jungen Mann, der damals noch in der Babenberger Straße unweit des Hauptbahnhofes zuhause war, auch dank seiner Hartnäckigkeit, im zweiten Versuch doch noch geklappt.
Natürlich war meine Familie – alle schwarz-weiß durch und durch – darüber sehr glücklich. Allerdings hatte die erste Zeit etwas leicht Illegales an sich. Es gab damals das Knirpsturnier der Kleinen Zeitung und da galt die Regel, dass pro Team nur zwei Vereinsspieler dabei sein durften. Mein Sturmnachwuchstrainer Siggy Plank hatte bei dieser Veranstaltung auch eine eigene Mannschaft in der schon zwei Sturmspieler standen: Den FC Hafnerriegel. Daher hab ich bei Sturm mittrainiert, wurde aber nicht angemeldet, da er mich zuerst für die Hafnerriegeler gebraucht hat.
Nach diesem Nachwuchsturnier gibt es dann endlich auch den ersten schwarz-weißen Spielerpass. Von der U-10 an durchläuft er alle Altersklassen, ein weiteres Jahrzehnt sollte es dauern, bis er auch erstmals bei den Profis reinschnuppern darf. Der „Schwarze Gustl“, August Starek, ab Juli 1989 als Trainer am Jakominigürtel im Amt, erweist sich als echter Förderer von jungen Spielern und erkennt das Talent Neukirchners.
Er hat damals vier Spielern aus dem Nachwuchs – Robert Spiegel, Meik Süss, Herbert Zenz und mir – die Möglichkeit gegeben bei den Profis zweimal wöchentlich mitzutrainieren. Das war schon ein tolles Erlebnis, voller Respekt und Ehrfurcht. Zudem war Starek so etwas wie der erste Individualtrainer. Nach jeder Einheit hat er mit uns Jungen noch eine Zusatzschicht eingelegt. Von Einsatzminuten in der Bundesliga waren wir da aber noch weit entfernt.
Die sollte es dann aber zwei Jahre später geben. Am 3. Juli 1991 debütiert er für die Kampfmannschaft im Intertoto-Cup gegen den schwedischen Vertreter Östers Växjö. Starek bringt Spiegel, Süss und Neukirchner in der zweiten Halbzeit und der 19-jährige Neukirchner erzielt vor 2000 Besuchern in Mürzzuschlag eine Minute vor Schluss den 1:1-Ausgleich. Einen Monat später kommt er gegen die Vienna zu ersten Bundesliga-Minuten und Ende August desselben Jahres erzielt er in der Gruabn beim 1:0-Heimsieg gegen St. Pölten seinen ersten Treffer im Oberhaus. Auch bei Stareks Nachfolgern – Robert Pflug und Ladislav Jurkemik – spielt Neukirchner regelmäßig. Vor allem Jurkemik – mit der Tschechoslowakei 1976 als Spieler Europameister – fordert ihn physisch immens.
Zu jener Zeit war ich körperlich noch eine Leiche. Ich kann mich erinnern, dass wir mit dem Slowaken in der Vorbereitung im slowenischen Skigebiet Rogla viele Läufe absolvieren mussten. Dabei rannte er stets knapp hinter mir her. Wahrscheinlich überholte er mich nur deswegen nicht, damit ich nicht als Allerletzter ins Ziel kam. Es ging den ganzen Tag Berg rauf, Berg runter. Auch auf der Piste. Mit Skifahrern als Gegenverkehr.
Milan Djuricic löst im Sommer 1993 den Slowaken als Sturmtrainer ab. Dem Kroaten, zuvor beim OSC Lille und bei DSV Leoben tätig, traut man zu, aus dem Pool von jungen, hoffnungsvollen Nachwuchstalenten, eine schlagkräftige, taktisch top geschulte, Mannschaft zu formen. Doch sein Defensivkonzept passt so gar nicht zur Spielanlage des Stürmers Günther Neukirchner.

Torjubel in der Gruabn – Neukirchner, Schultz, Milanic, Schopp, Temm (c) Privat
Ende der Frühjahrssaison steht er zumeist gar nicht mehr im Spieltags-Kader. Der Stürmer ist unzufrieden und verhandelt mit der SV Oberwart. Hannes Kartnig will aber, dass Günther zumindest eine Woche bei Neo-Coach Ivica Osim vorspielt. Und siehe da: Der Bosnier ist sehr wohl von seinen Fähigkeiten überzeugt und will ihn in Graz halten. Ob der unsicheren, sportlichen Zukunft jedoch, nimmt Neukirchner genau in diesen Tagen einen Job bei der Bergarbeiterversicherung an. Eine krisensichere Stelle, nebenher Fußball: So sieht Neukirchner seine Zukunft. Während Sturm ins Trainingslager nach Bad Radkersburg fährt, trainiert Neukirchner bereits eine Woche in Oberwart. Nach der dritten Einheit , holt ihn jedoch der damalige Klubpräsident der Burgenländer zur Seite und teilt ihm mit, dass Kartnig plötzlich 100.000 Schilling Ablöse verlangt. Eine Summe, die der Zweitligist nicht zahlen kann.
Ich fiel aus allen Wolken. Es folgte ein Gespräch mit den Sturm-Klubverantwortlichen. Die boten mir erneut einen Zwei-Jahres-Vertrag an, nun nahm ich diesen auch an. Meinen neuen Job wollte ich dennoch nicht aufgeben. Was in weiterer Folge für mich nichts Anderes bedeutete, als jeden Tag um 5 Uhr ins Büro, von dort danach nach Messendorf. Das Vormittagstraining musste ich auslassen und sämtliche Urlaubstage gingen für diverse Kasernierungen drauf. Freizeit wurde zum Fremdwort. Arbeiten – Trainieren – Schlafen. Mehr war nicht. Sportlich lief es aber gut, ich kam zu vielen Einsätzen. Ich merkte, dass doch einiges möglich ist und habe nach zwei Jahren gekündigt und mich dann doch für eine Profi-Karriere entschieden.
Ivica Osim formt aus dem gelernten Stürmer einen der besten Abwehrspieler Österreichs der zudem auch als echter Allrounder gilt. Außer auf der Position des Torhüters spielte Neukirchner im Laufe seiner Karriere auch auf jeder anderen. Mit dem Fußball-Professor erreicht Sturm bereits im ersten Viertel der Saison 1994/95 nie geglaubte Höhen. Mit einer Mannschaft, die zu einem Großteil aus echten Eigenbauspielern besteht. Auch wenn im Spätherbst die ersten Rückschläge folgen, funktioniert das Werkl am Jakominigürtel erstaunlich schnell.
Aus heutiger Sicht war es für uns natürlich von Vorteil, dass Sturm zuvor eine irrsinnig schwere Zeit durchlebt hat. Kartnig übernahm den Klub mit 30 Millionen Schulden. Er hat damals sogar sein Haus dafür eingesetzt. Diese finanzielle als auch sportliche Misere – 1992 wären wir ja zudem beinahe abgestiegen – war für junge Spieler wie Haas, Schopp, Hiden, Grassler und so weiter natürlich ein Vorteil. Wir waren zwar nicht alle exakt derselbe Jahrgang, aber aus jedem hat es zumindest einer geschafft, sich in der Kampfmannschaft zu etablieren. Noch heute so etwas wie eine Idealvorstellung einer gelungen Nachwuchsarbeit.
In einer Osim-Biographie sagt Günther Neukirchner, alles was er im Fußball jemals erreicht hat, verdanke er diesem Trainer. Im Gespräch mit SturmNetz klingt das schon etwas differenzierter. So revidiert er, dass grundsätzlich jeder Trainer ein Schäuferl zu seiner Karriere beigetragen habe, aber Osim natürlich das I-Tüpfelchen. Seine stets straffe Tagesstruktur hilft Neukirchner, auch im Fußball sehr diszipliniert zu sein. Osim verinnerlicht den Spielern seine Einstellung „Ein-Tag-ohne-Fußball-ist-ein-verlorener-Tag“. So gibt es exemplarisch keine festgelegten Trainingszeiten, seine Übungsformen gehen schnell allen in Fleisch und Blut über.

(c) Sammlung Sturm Graz – Foto Fischer
Trotzdem kommen die Sturm-Kicker schon eine Stunde vor Trainingsstart nach Messendorf, spielen mit Begeisterung Hösche oder Sechs-Gegen-Zwei als freiwilliges Warm-Up. Als Osim dann dort auftaucht und sieht, welchen Spaß seine Spieler daran haben und wie gut sie sich dabei bewegen, lässt er einfach weitermachen. Irgendwann später geht es dann aber immer auch richtig zur Sache.
Wir haben oft gedacht, das Training ist vorbei, doch Osim hat dann noch etwas verlangt. Es fühlte sich so an als ginge nichts mehr, es ist aber dann irgendwie doch noch gegangen. Im gesamten ersten Osim-Jahr haben wir exakt drei Tage frei gehabt. Diese Erfahrungen haben uns allen erst gezeigt, wozu ein menschlicher Körper in der Lage sein kann. Dass bei Osim immer der Ball im Spiel war, ist nur insofern richtig, dass er diesen in der Vorbereitungsphase immer auf die Laufbahn gelegt hat, während wir dort unsere Runden ziehen mussten. Während der Saison war die Kugel im Training dann allerdings schon immer mit dabei.
Auch der Zusammenhalt unter den Spielern ist zu dieser Zeit einzigartig. Nach dem Spiel gehen die Kicker zusammen ins „Reindl“ essen, jeden Montag treffen sie sich zu einem Stammtisch und verbringen teilweise ihre Urlaube miteinander. Auch diverse Schnurren, in denen man so manchen Sturm-Kicker hautnah in diversen Szene-Lokalen erleben durfte, sind heute noch legendär. Ein Günther Neukirchner ist dabei jedoch nur selten mit von der Partie:
Man könnte vielleicht meinen, ich hab mich einfach nur nie erwischen lassen. Tatsache aber ist, dass ich nur zweimal pro Jahr ins Grazer Nachtleben mit eingetaucht bin. Jeweils nach dem letzten Spiel im Herbst und dem Saisonabschluss im Frühjahr. Ich war also schon auch dabei, aber viel viel seltener als andere.
Einer der vielen Gründe, warum Günther Neukirchner einer von jenen ist, die unter Osim eine enorme Leistungsentwicklung durchleben. Er wird mit Sturm zwei Mal Meister und drei Mal Cupsieger, spielt insgesamt 46 Mal für Sturm im Europacup und debütiert für die österreichische Nationalmannschaft am 19. August 1998 gegen Frankreich beim 2:2 in Wien. Insgesamt bringt Neukirchner es auf 14 Länderspiele. Seine Karriere in der Nationalmannschaft nimmt ein etwas unrühmliches Ende, als er sich zusammen mit acht Mannschaftskollegen weigert, ins durch Kriegswirren unsichere Israel mitzufliegen – zum letzten Qualifikationsspiel für die Weltmeisterschaft 2002. Seine Familie ist Neukirchner wichtiger. Dem Sturm-Allrounder wird zudem ja auch versprochen, dass man in Wien so eine Entscheidung akzeptieren würde. Ins ÖFB-Team eingeladen, wird er jedoch danach nie mehr. Auch bei Sturm folgt nach einem sehr langen Erfolgslauf und unerwarteten Höhenflügen in Europa im Jahr 2002 die abrupte Depression. An deren Tiefpunkt der Rücktritt von Osim steht. Auch Neukirchner denkt um und beginnt noch als Fußballprofi an der Pädagogischen Hochschule ein Lehramtsstudium.
Osims damaliger Co-Trainer Michi Habjanic war Lehrer an der Bruckner Sporthauptschule und hat mir diese Ausbildung schmackhaft gemacht. Mario Karner – damals hoffnungsvolles Sturm-Talent und heute Chef der Damenabteilung – und ich, konnten unsere Verpflichtungen relativ flexibel nachkommen, geschenkt ist uns allerdings nie etwas geworden. Da wir ja auf der internationalen Bühne nicht mehr vertreten waren, wurde es vom Zeitmanagement wesentlich einfacher.
Die Thematik, den Klub Richtung Ausland zu verlassen, wird in Neukirchners Karriere nie wirklich konkret. Zwar gibt es nach Sturms internationalen Glanzauftritten Anfragen aus Holland und Belgien, auch ein Klub aus Japan ist an ihm interessiert, will aber keine Ablöse zahlen. Zudem war ein gebürtiger Burgenländer ganz offensichtlich vom Größenwahn befallen.
„Nach dem 0:9-Debakel in Spanien war das Interesse an fast allen österreichischen Fußballern mit einem Schlag verstummt. Aber ganz ehrlich: Es hätte auch alles passen müssen. Mein Naturell ist einfach so, dass ich mich dort am wohlsten fühle, wo ich meine Freunde und meine Familie habe. Ich bin überzeugt, nur wenn das Umfeld passt, kann ich mein volles Leistungsvermögen ausschöpfen. Ich war eigentlich zeit meiner Spielerkarriere in Graz immer zufrieden. Einen Wechsel innerhalb von Österreich hab ich sowieso kategorisch ausgeschlossen. Was vielleicht kaum einer weiß: Peter Svetits vom GAK hat es einmal probiert. Aber das waren leere Kilometer.
Einen Klubwechsel vollzieht Neukirchner dann aber doch. Allerdings unter völlig veränderten Vorzeichen. Die 16 Spiele, die Neukirchner nach seiner Sturm-Ära noch für Gratkorn absolviert, beflecken zwar Günthers „blütenschwarze“ Sturm-Weste, sind aber angesichts des Chaos, welches in Messendorf in der Endphase der Ära Kartnig herrscht, mehr als verständlich. Zuvor verabschiedet er sich am 30. August 2006 mittels offenem Brief vor dem Bundesliga-Spiel gegen Pasching von den Sturmfans. Es sei der richtige Zeitpunkt. Und er wolle jungen, ehrgeizigen Spielern seinen Platz zur Verfügung stellen. Mit Tränen in den Augen sagt er am Liebenauer Grün Sturm Adieu. Sämtliche Kaderspieler und der ganze Betreuerstab steht mit „Danke Güsch-T-Shirts“ Spalier.
Ich bin damals dem Verein immer entgegengekommen. Habe mich stets korrekt verhalten, obwohl Zahlungen nicht erfolgt sind. Meine Fairness aus Verbundenheit zum Klub ist mir aber auf den Kopf gefallen. Vor allem nach dem Konkurs hat mich das viel Geld gekostet. Die Gespräche mit den damaligen sogenannten „Rettern“ waren verlorene Zeit. Viel wurde versprochen – nichts gehalten. Ich hab damals ob diesen diversen Ungerechtigkeiten wirklich mit mir ringen müssen. Freilich hatten sie keinerlei Schuld an dieser Misere, aber ich wäre im Sinne von Sturm Graz ohnehin zu jeglichem Kompromiss bereit gewesen. Aber so wie das gelaufen ist, war das alles andere als in Ordnung. Man kann von Kartnig halten was man will, aber er hatte Handschlagqualität. Auch zu Beginn seiner Ära war oft kein Geld für uns da. Aber er hat gesagt, dann und dann bekommt ihr euer Geld und er hat das letztendlich immer eingehalten. Das war mir lieber, als wenn jemand dir das Blaue vom Himmel erzählt und sich später nicht mehr daran erinnern kann. Natürlich hat Kartnig viele Fehler gemacht und war Mitschuld an der Gesamt- und meiner persönlichen Misere. Die Phase des Konkursverfahren, war für mich dermaßen zermürbend, dass mir als Fußballer dann der Biss abhanden gekommen ist. Ich bin davon überzeugt, dass ich ansonsten durchaus ein zwei Jahre länger aktiv Fußball gespielt hätte.
Nach 25 Jahren und unglaublichen 530 Pflichtspielen ist Günther Neukirchner nun Ex-Sturmspieler. Macht in Gratkorn auch erste Trainererfahrungen. Betreut noch als aktiver Spieler die U19. Geht dem 2011 viel zu früh verstorbenen Michael Fuchs an die Hand. Mit seinen ehemaligen Mannschaftskameraden hält er noch Kontakt, zudem heilt die Zeit ja bekanntlich Wunden und irgendwann gelingt es Neukirchner, emotional mit der Enttäuschung abzuschließen. 2009 kehrt er als Co-Trainer der Amateure zu Sturm zurück.

Ehrung der Class of ´98: Hopfer, Reinmayr, Neukirchner, Goriupp, Toth, Bardel (c) Martin Hirtenfellner Fotografie
Später betreut er nach der Foda-Entlassung für sieben Spiele zusammen mit Thomas Kristl die Kampfmannschaft, kehrt danach wieder zu den Sturmfohlen zurück, wird noch zweimal Interimstrainer und drei Mal Co.: Sowohl unter Mählich und Thomas Hösele, als auch unter Nestor El Maestro. Langfristig an der Spitze des Betreuerstabes zu stehen, ist aber nie Neukirchners Intention.
Ob meines Lehrerjobs hätte es schon Möglichkeiten gegeben, dauerhaft Sturmtrainer zu werden. Etwa durch eine Karenzierung. Ich habe alle meine absolvierten Trainerausbildungen mit Begeisterung durchgezogen und Nachwuchsspieler sämtlicher Altersklassen betreut. Ich bin bei intakten Mannschaften – wie nach dem Abgang von Milanic – eingesprungen, habe auch Erfahrungen mit völlig toten Teams – wie es nach dem Hyballa-Rauswurf der Fall war – machen müssen. Und mir wurde schnell klar, wie intensiv so eine Tätigkeit ist. Wenn ich was mache, dann ordentlich. Mir wurde bewusst, länger als ein, zwei Jahre würde ich solch eine Intensität nicht durchhalten können. Heute wäre es zwar für einen Cheftrainer ein anderes Arbeiten, da der Staff durch diverse Spezialisten angehäuft wurde. Trotzdem habe ich mich dazu entschlossen, nie die Pro-Lizenz anzugehen. Aus einem einfachen Grund: Für einen neuen Trainer wäre es schwierig, wenn er weiß, da ist ohnehin schon einer da, der mich schnell ersetzen könnte. Ich hab das auch jedem neuen Trainer gesagt: Mitarbeiten ja, absolute Loyalität ja, intern auch immer energisch meine Meinung vertreten, ja, und wenn man mich braucht, bin ich da. Aber dezidiert nicht mehr an vorderster Front.
Günther Neukirchner genießt die aktuelle Situation. Weiß es zu schätzen, dass der aktuelle Chefcoach viel von ihm hält. Dass Christian Ilzer von Beginn an betont, dass er Neukirchner unbedingt im Team haben will. Und wie 50 fühlt er sich bei Weitem nicht. Und dafür hat er auch eine Erklärung.
Mit jungen Menschen zu arbeiten – sei es nun in der Schule oder am Fußballplatz – hält jung. Vor allem am Feld ist man umgeben von Menschen voller Energie, Fußballer, die vor Kraft nur so strotzen. Da merkt man selbst gar nicht, dass man schon so alt ist. Das schätze ich sehr.
Als Entwicklungstrainer kann er dabei vieles umsetzen. Er kümmert sich individuell um Spieler, die gerade am Sprung von der Akademie zur Zweiten Mannschaft sind oder am Übergang von dieser zu den Profis. Fungiert als erster Ansprechpartner bei privaten oder – als Lehrer ist er dafür ja geradezu prädestiniert – schulischen Problemen.

(c) Martin Hirtenfellner Fotografie
Mit den Bedingungen freilich, die ihm vor über 30 Jahren geboten wurden, ist der ganze Aufwand heutzutage nicht mehr vergleichbar. Doch auch wie zu seiner Zeit sieht er – ohne Namen zu nennen – drei bis vier Spieler, von denen er überzeugt ist, dass diese das Potential haben, durchzumaschieren.
Noch vor wenigen Jahren wurden etwas populistisch drei Nachwuchskräfte hochgezogen, die haben dann Kaderplatz 26, 27 und 28 besetzt. Letztendlich war aber klar, die werden nie spielen. Genau diese Kategorie von Talenten ist jetzt auf 18, 19 und 20 vorgerückt. Komposch, Stückler, Lang, Wels oder Schendl, alle sind bereits zu ihren Einsätzen gekommen. Wer es dann langfristig ganz nach oben schafft, hängt halt von so vielen Faktoren ab. Sieht man ja auch an meiner Person: Hätte Oberwart 1994 100.000 Schilling gehabt, wäre ich heute einer der halt irgendwann ein paar Spiele für Sturm gemacht hat, würde womöglich noch immer Sozialversicherungsangestellter sein und wir zwei würden dieses Interview wohl kaum führen.
Und dann ist da noch die Sache mit DEM Interview. Jahrelang galt Günther Neukirchner als der ruhende Pol, einer der medial und auch neben dem Platz nie sonderlich auffiel. Der Ruhige. Bis er am 27. Februar 2005 nach einer 0:4-Derbyniederlage im Interview mit SKY-Reporter Gerhard Krabath mit einem Wutausbruch Fernsehgeschichte schreibt.
Mittlerweile hab ich damit kein Problem mehr. Direkt danach war das etwas Anderes. Man hat gesagt, ich werde nie mehr für ein SKY-Interview geholt. Allerdings habe ich sehr viel Fanpost erhalten, nur eine davon war negativ. Im Prinzip ist es mir um die Sache gegangen, denn ich wollte immer, dass das Produkt Fußball besser verkauft wird. Ich habe mir gedacht, es kann doch nicht so schwer sein, sich während eines Spieles schon zwei, drei gute Fragen zu überlegen. Ich wurde letztendlich dann dreimal in das SKY-Studio eingeladen. Dort soll übrigens auch deswegen ein Prozess stattgefunden haben, diverse Schulungen gemacht worden sein, dass eben solche Fragen nicht mehr gestellt werden. Ein positiver Nebeneffekt. Auch für Gerhard Krabath ist die Sache längst gegessen. Er weiß ja, dass mein leichter Auszucker nicht ihm persönlich galt. Sondern ein bisschen der Reporterzunft im Generellen. Und natürlich spielte auch der Frust über die Niederlage eine Rolle.
Welch Kompliment, dass er SturmNetz nach einem fast zweistündigen Gespräch attestiert, dass beim Gespräch zu diesem Artikel überhaupt keine „deppate Frog“ dabei war. Heute feiert „Güsch“ seinen 50. Geburtstag. Von diesem halben Jahrhundert war er unglaubliche 37 Jahre für seine Schwoazn tätig. Und wird es hoffentlich noch lange bleiben. Als echtes Vorbild für junge, hoffnungsvolle Talente. Und als Identifikationsfigur. Wir wünschen Günther Neukirchner alles Gute zum runden Geburtstag und weiterhin viel Gesundheit und Tatendrang.
Ein Traum, danke!
Danke Gü für das super Interview.
Hätte Güsch nur 200 Spiele, 0 Tore und nie Interviews gegeben: Als Mensch ein echter Schwoazer und Mega-Legende. Alles gute, bleib gesund und danke #3
alles erdenklich gute und danke gü für die tollen momente, die ich als fan mit dieser genialen mannschaft und diesem besonderen trainer miterleben durfte. interview erst jetzt eindeckt auch vom feinsten immer sich durch und durch treu geblieben – schade ob der geringen resonanz, hätte sich mehr verdient.