Kreissl: „Ich will den Kampf gegen die eigene Vergangenheit gewinnen“
Mittwoch. 18 Uhr. Während in Graz Messendorf so etwas wie Weltuntergangsstimmung herrscht, begrüßt uns Günter Kreissl in seinem warmen Büro. Eine ganze Stunde wird sich der Geschäftsführer Sport für uns Zeit nehmen, Emotionen und Fachwissen inklusive. Im Gespräch bewertet der 45-Jährige die laufende Saison des SK Sturm und spricht darüber, was ihn antreibt und die Arbeit bei den Blackys so besonders macht.
Herr Kreissl, eine ausnahmsweise einfache Frage zum Einstieg: Wie bewerten Sie die aktuelle sportliche Lage – sowohl was das Spielerische als auch die Punkteausbeute betrifft?
Irgendwo zwischen ordentlich und gut. Wir sind nicht wahnsinnig weit zurückgefallen oder in einer brenzligen Situation. Seit Saisonstart sind wir zwar stets im oberen Tabellenbereich, schaffen es aber nicht, eine durchgehend starke Phase einzuleiten. In einigen Spielen waren wir sehr gut, in einigen auch dominant und dann gab es eben auch Spiele wie jenes gegen den WAC. Es fehlt eine echte Positivserie. Trotzdem möchte ich nicht mit der Vorsaison tauschen, als zum selben Zeitpunkt die Teilnahme an der Meistergruppe mehr als fraglich war.
Da müssen wir nachhaken: Spielerisch war das ja nicht immer das Gelbe vom Ei.
Du kannst im Fußball nicht so leicht sagen: Das ist das Spielerische, das ist das Mentale und das das Physische. Das alles verschmilzt in ein Ganzes. Oft ist es eine Kopfsache, wenn es spielerisch nicht so gut ausschaut. Nehmen wir das Hartberg-Spiel: Da hat in der ersten Hälfte eine gewisse Intensität gefehlt, das Gefühl, dass jemand Verantwortung übernehmen will. Das hat dann wenig damit zu tun, ob die Spielidee optimal funktioniert, sondern mit Dingen im mentalen oder manchmal auch im physischen Bereich. Da gibt es aktuell noch zu viele Schwankungen. In Wahrheit punkten in Österreich mit Ausnahme von Salzburg alle Teams immer wieder mit schnellem Umschalten. Das wird auch bei Sturm Teil des Ganzen bleiben. Wir haben manchmal die Tendenz, den Gegner auf eine zu wenig zielführende Art und Weise zu beherrschen. In Bereichen, wo du nicht wirklich weiterkommst, wo du nicht gefährlich wirst. Die Mischung in diesen Spielen, wo wir das Spiel machen müssen und uns aus der Dominanz Torchancen erarbeiten sollen, ist verbesserungswürdig. Das ist aber auch das Schwierigste. Das sieht man im gesamten Weltfußball. Man muss für den jeweiligen Gegner das Richtige finden. Da gelingen manche Dinge besser, manche weniger. Es ist zurzeit auch schwer auszumachen, was uns mehr liegt. Einer Entwicklung sollte man aber auch immer mindestens ein Quartal Zeit geben – nachdem manche Spieler erst Anfang September gekommen sind, haben wir dieses Quartal noch gar nicht erreicht. Deswegen befinden wir uns in einer Entwicklungsphase, wo es positive Dinge, aber auch Verbesserungspotential gibt.
Was konnte Ihrer Meinung nach in dieser Saison bereits verbessert werden?
Unsere Defensive hat sich stabilisiert, das belegen die Zahlen: Wir kassieren relativ wenig Gegentore und haben nur eine klare Niederlage hinnehmen müssen. Individuell haben wir in diesem Jahr speziellere Charaktere im Kader. Zum Beispiel Bekim Balaj, Thorsten Röcher oder Kiril Despodov. Sie sind sowohl Scorer als auch Assistgeber. Wir können mit solchen Leuten variantenreicher agieren. Wäre da mehr Konstanz, würde ich inzwischen schon von einer richtig guten Saison sprechen. Insgesamt sind wir aber noch nicht souverän genug.
Es gibt genügend Dinge, bei denen ich kritisch bin. Ich möchte etwa noch mehr Führungsspieler sehen.
Gibt es außer „noch nicht souverän genug“ noch Dinge, die bei Sturm derzeit nicht funktionieren?
Es gibt genügend Dinge, bei denen ich kritisch bin. Ich möchte etwa noch mehr Führungsspieler sehen. Das hat uns in der letzten Saison definitiv gefehlt. Da gibt es aber auch heuer noch Luft nach oben, denn es ist keinem Spieler verboten, in diese Rolle zu schlüpfen. Das fehlt bei uns noch etwas in der Gesamtentwicklung.
Bei den Amateuren stimmt die Gesamtentwicklung derzeit auf alle Fälle. Trauen Sie der Mannschaft den Aufstieg in Liga zwei zu?
Der große Unterschied zu den letzten Jahren ist, dass sich die Amateure stabilisiert haben. Einst war die Mannschaft im Flow oder nicht. In den letzten zwei Spielzeiten ist das verschwunden. Das erachte ich als positiv. Wir schaffen es immer noch, gute Serien hinzulegen, verlieren aber dann nie fünfmal hintereinander. Es gibt zwar immer wieder Rückschläge, aber man stabilisiert sich viel schneller. Das freut mich. Ich traue ihnen auch zu, dass dieser Lauf im Frühjahr anhält. Erschwert wird das allerdings dadurch, dass sehr viele Spieler zum Bundesheer einrücken. Die Mannschaft ist aber auf einem sehr guten Weg und es macht viel Spaß, ihnen zuzusehen. Sie repräsentieren Sturm Graz richtig cool. Da waren jetzt zwei, drei Spiele dabei, die sie ganz zum Schluss noch drehen und gewinnen konnten. Das sind Tugenden, die uns allen Freude machen.
Ist ein Aufstieg der Amateure in die zweithöchste Spielklasse überhaupt ein vorrangiges Ziel?
Wir müssen eine Grundsatzentscheidung treffen. Wir sind intern zurzeit in sehr vielen Diskussionen, wie unsere Spieler auf möglichst hohem Niveau Spielpraxis sammeln sollen, um dann für die Kampfmannschaft bereit zu sein. Das kann man über mehrere Dinge erreichen: Ein Weg ist der Aufstieg mit der eigenen Mannschaft. Das wirft aber viele Fragen auf: Es verändert natürlich wirtschaftlich etwas, du brauchst eine Spielstätte. Das ist eines der schwierigsten Themen, wo derzeit nur Gratkorn in Frage kommt. Liebenau ist ausgeschlossen, es dürfen nur zwei Bundesligavereine in einem Stadion spielen. Jetzt stellen sich die Fragen: Wollen wir die Spiele auf einem nicht ganz neuen Kunstrasen spielen? Wenn nicht, wo investiert man? Das ist schon viel komplexer als einfach nur zu denken: „Geil, aufgestiegen.“ Wir sind derzeit in Diskussionsprozessen mit vielen Verantwortlichen und müssen das alles durchdenken. Ich will aber kein Ergebnis vorwegnehmen. Es wird etwas ausgearbeitet, dem Vorstand präsentiert, eine Empfehlung abgegeben und aufs Wirtschaftliche überprüft. Ich denke aber, dass unsere Spieler so weit sind, dass sie auch auf anderen Wegen Spielpraxis auf Zweitliganiveau sammeln könnten – sei es durch Kooperationen oder Leihen.
Die Überlegung ihn zu verleihen, ist auf jeden Fall präsent. Wir sind schon in Gesprächen mit anderen Vereinen.
Ein Spieler, bei dem derzeit eine Leihe im Raum steht, ist Michael John Lema. Wie sieht der Plan mit ihm aus?
Die Überlegung, ihn zu verleihen, gibt es auf jeden Fall. Wir sind schon in Gesprächen mit anderen Vereinen. Es hat auch bereits ein Gespräch mit seinem Management stattgefunden, wo man alles erörtert hat. Mike hat sich gar nichts zu Schulden kommen lassen, doch mit Philipp Huspek, Thorsten Röcher und Jakob Jantscher gab es schon richtig starke Konkurrenz. Dann ist mit Kiril Despodov noch ein rechter Flügelstürmer mit viel Qualität dazu gekommen. Daher kann er sich derzeit in den eigenen Reihen nur schwer mit Spielpraxis weiterentwickeln. Da wir auf den Spieler bauen, wollen wir aber, dass er im Frühjahr viel spielt.
Will man vermeiden, dass er einen direkten Konkurrenten stärken könnte? Soll er in die zweite Liga verliehen werden?
Der Wunsch wäre, ihn auf Erstliganiveau unterzubringen. Wir glauben, dass er die Fähigkeiten und Qualitäten hat, in der ersten Liga ausreichend Spielzeit zu bekommen. Das wäre für ihn wohl am besten. Im Idealfall kommt er – wie es bei Ivan Ljubic der Fall war – mit einem anderen Status zurück.
Warum ist Lema eigentlich bei den Amateuren nicht zum Einsatz gekommen?
Man darf nicht vergessen, dass er in den ersten sechs Spielen dieser Bundesliga-Saison fünfmal gespielt hat und davon dreimal in der Startelf stand. Wenn man sich das gesamte Jahr 2019 anschaut, war es für ihn ein sehr erfolgreiches. Von Februar bis Anfang September hat er sehr, sehr viel gespielt. Durch die Entwicklung in den letzten beiden Monaten hat er keine Einsatzzeit mehr bekommen. Es war eher atypisch, dass wir kaum Verletzte hatten. Sonst wäre er wahrscheinlich auch zuletzt öfter im Kader gestanden. Das war auch ein Mitgrund, warum er bei den Amateuren am Schluss nicht gespielt hat. Wenn die Amateure wie so oft am Freitag spielen, ist es schwierig, ihn für den Kader der Amateurmannschaft in Betracht zu ziehen. Am Donnerstag oder Freitag weiß man meist noch nicht, ob für das Bundesliga-Spiel am Sonntag wirklich alle fit sind.
Wie sieht es bezüglich Amadou Dante aus? Er ist nach Hartberg verliehen, hat dort aber noch keine Sekunde gespielt.
Ich habe mit Hartberg deswegen bereits Gespräche geführt. Die sind derzeit richtig gut unterwegs, daher haben sie keinen Grund, etwas zu verändern. Amadou hat zum Teil bei der zweiten Mannschaft gespielt und dort auch schon getroffen. Bei einer Bundesliga-Sitzung habe ich erst unlängst mit Erich Korherr (Anm.: Hartberg-Sportdirektor) gesprochen. Es sind alle zufrieden. Für uns ist wichtig, dass die Rückmeldung des Vereins jene ist, dass er super integriert ist und auf einem guten Niveau trainiert. Aus ihrer Sicht ist es mehr oder weniger eine Frage der Zeit, bis er die Chance bekommt, sich auch in der Kampfmannschaft zu beweisen.
Mit Eze, Lackner und Grozurek gibt es noch weitere Leihspieler. Wie plant man mit ihnen?
Ich habe mit allen in den letzten zwei Wochen Kontakt gehabt: Lukas Grozurek geht es grundsätzlich sehr gut, er hat anfangs sehr viel gespielt, dann aber eine schwere Grippe gehabt. Somit war er zwei Wochen mehr oder weniger nur im Bett. Aufgrund seiner Entscheiderqualität wird er in Karlsruhe sehr geschätzt. Das ist eine Mannschaft, die sehr stark auf das Kollektiv Wert legt, in ihm aber einen Spieler sieht, der für die entscheidenden Momente in der Offensive sorgen kann. Deswegen hat er dort auch viel Spielzeit gehabt. Nach der Erkrankung muss er sich aber erst wieder reinspielen. Grundsätzlich fühlt er sich in der Stadt und beim Verein aber wohl. Bei Markus Lackner war es so, dass er gleich von Beginn weg als Innenverteidiger gespielt hat. Dann ist er in die Zentrale gerückt und die Admira hat drei oder vier tolle Ergebnisse hintereinander eingefahren. Beide fühlen sich also sehr wohl, wir müssen jetzt noch nichts entscheiden. Ab dem Frühjahr wird diese Frage konkreter.
Und bei Eze?
Emeka hat in der Türkei voll eingeschlagen und in den ersten zwei Spielen drei Tore gemacht. In den letzten Wochen hatte er allerdings Knieprobleme und ist zudem Vater geworden. Meiner Information nach durfte er daher auch heimfliegen. Daher hat er auch weniger gespielt. Man ist mit ihm aber zufrieden. Ein junger, bulliger, afrikanischer Spieler, der auch etwas speziell ist, passt gut in die zweite türkische Liga. Mit Lukas Fadinger gibt es einen weiteren Leihspieler, den ich in diesem Jahr auch schon persönlich beobachtet habe. Auch da war das Management schon da und hat sich erkundigt. Ab Winter wird er wahrscheinlich zum Bundesheer gehen. Er ist in Lafnitz absoluter Stammspieler und macht das sehr anständig.
Kommen wir zu einem etwas anderen Thema: Salzburg, der LASK und auch der WAC sorgen international für große Furore. Warum schafft Sturm es nicht, international ähnlich erfolgreich zu sein?
Erstens einmal gilt es da nichts schön- oder wegzureden. Das ist jetzt meine vierte Saison hier und es ist für mich sehr traurig, dass wir bisher keine bemerkenswerten internationalen Erfolge hatten. Ich glaube, dass mehrere Faktoren zusammenkommen: Ohne dem LASK oder dem WAC etwas wegnehmen zu wollen, waren beide schon vor Beginn der Quali-Phase fix in der Gruppe. Das ist sicher der beste Weg, wie man als österreichische Mannschaft in eine Gruppe kommen kann. Man hat das bei Salzburg gesehen, die in der Champions-League-Qualifikation sehr oft gescheitert sind und es jetzt sehr gut machen. Der LASK hat gewusst, dass sie auch bei einem Ausscheiden in der Champions-League-Quali fix in der Europa League sind. Auch der WAC ist direkt in eine Gruppe gekommen. Das ist die beste Voraussetzung. Meistens finden in allen österreichischen Mannschaften im Sommer Veränderungen statt und wenn man erst im September richtig eingreifen muss, ist man schon viel gefestigter als Ende Juli. Ich glaube, dass der LASK als Gesamtverein – dafür gibt es gewisse Gründe, die man als Vorteil bezeichnen kann – dank Jürgen Werner (Anm.: LASK-Vizepräsident und Spielerberater) eine gute Kontinuität entwickelt und sehr gute Gesamtentscheidungen getroffen hat. Sie haben sich in bemerkenswerter Weise stabilisiert. Was ich mit dem Vorteil meine, ist, dass auch wir nach dem Cupsieg – wenn der Manager von Alar, Edomwonyi oder Jeggo Christian Jauk geheißen hätte –mehr Spieler gehalten hätten. In Linz ist die Motivation, dass Spieler zum nächsten Verein weiter vermittelt werden nicht so gegeben. Sie haben zwar auch Spieler verloren, aber nicht so viele wie wir und konnten diese durch Neuzugänge gut auffangen.
Etwas provokant gesagt muss man sich einmal fragen, ob dies überhaupt immer erstrebenswert ist.
Gibt es noch andere Faktoren, warum es den Linzern gelingt, wichtige Spieler länger an sich zu binden?
Etwas provokant gesagt muss man sich einmal fragen, ob dies überhaupt immer erstrebenswert ist. Was haben wir gemacht, nachdem wir Vizemeister und Cupsieger geworden sind und viele Verträge ausgelaufen sind? Wir haben langfristige Verträge abgeschlossen. Zum Beispiel bei Grozurek, Hosiner und Lackner. Das ist aber nur dann super, wenn du auch entsprechenden Erfolg hast. Auch wenn das grundsätzlich nicht mein Thema ist, sieht man es ja auch bei der Austria in Wien: Die haben fast nur Spieler mit langfristigen Verträgen und in jedem zweiten Interview lese ich zwischen den Zeilen, es wäre ihnen andersrum lieber. Der langfristige Vertrag an sich ist nicht die Lösung. Da müssen schon mehrere Dinge zusammenspielen. Ich stelle jetzt einmal Folgendes in den Raum: Tendenziell haben wir mit Spielern viel bessere Erfahrungen gemacht, wenn sie sich nicht so sicher sein konnten. Ein langfristiger Vertrag erzeugt oft auch eine gewisse Sättigung. Das ist es, was es so schwierig macht. Denn auf der einen Seite willst du Identifikationsfiguren, die länger an den Verein gebunden sind, auf der anderen Seite zeichnen sich richtig gute Spieler durch eine Gier nach Mehr aus. Du brauchst auch Spieler, die Sturm nur als Zwischenstation sehen. Deshalb findet ein Verein unserer Größenordnung diese Mischung manchmal schwer.
Hat der LASK den SK Sturm auch auf lange Sicht bereits überflügelt?
Ich warne alle, die LASK-Geschichte zu früh zu beurteilen. Was der LASK in den letzten zwei bis drei Jahren gemacht hat, ist ganz toll. Nur: Sturm hat in den letzten zehn Jahren immer Top-5-Platzierungen erreicht und drei Titel gewonnen. Schauen wir, ob dies dem LASK auch gelingt. Das hat nicht einmal Rapid oder die Austria geschafft – und das bei einem höheren Budget. Es gilt zu akzeptieren, dass Sturm ohne großen Geldgeber im Normalfall nicht fünf Jahre hintereinander unter den Top zwei landen wird. Sturm definiert sich seit Jahrzehnten immer durch andere Dinge. Wir sind ein klassischer Mitgliederverein, es gibt immer wieder Spieler, die aus dem eigenen Nachwuchs kommen. Diese Geschichte und diese Tradition sind Rahmenbedingungen, auf die ich stolz bin. Der LASK ist von der Performance zwar derzeit über uns zu stellen, ich bin allerdings gespannt, ob ihnen das auch über einen mittelfristigen Zeitraum gelingt.
Was macht der WAC besser als Sturm?
Auch der WAC ist auf einem bemerkenswerten Weg. Sie hatten zwar die ein oder andere Schwächephase, haben das aber sehr gut weggesteckt. Daraus hat sich eine Mannschaft geformt, die an einem guten Tag auch sehr starken Mannschaften wehtun kann. Nicht nur wir haben das mit einem 0:4 zur Kenntnis nehmen müssen, sondern auch Borussia Mönchengladbach.
Aber warum ist Sturm in Ihrer Amtszeit noch nicht in der Lage gewesen, international ebenso für Aufsehen zu sorgen?
Die einzige echte Mega-Enttäuschung war für mich Larnaca: Gegen Fenerbahçe sind wir gegen einen sehr guten Klub knapp ausgeschieden und hatten bis zur letzten Minute Chancen. Die beiden Begegnungen gegen Ajax waren in Ordnung. Larnaca hat zwar auch Qualität, die haben ja nicht nur gegen uns gewonnen, aber das hat richtig weh getan. Mit so einem Gesamtscore darf man nicht verlieren. In Haugesund haben wir ein ausgeglichenes Spiel mit 0:2 verloren, doch daheim haben wir das Momentum auf unsere Seite gezogen, eine geile Partie gespielt und den Rückstand wettgemacht. Ich habe gedacht, dass es in die richtige Richtung geht. Und dann bekommst du mit dem ersten Torschuss des Gegners ein Tor und es ist vorbei. Gerade anfangs einer Saison ist es schwierig: Da braucht es auch ein gewisses Spielglück. Daher ist es für eine österreichische Mannschaft immer der leichtere Weg, wenn man sich direkt für eine Gruppenphase qualifiziert.
Kommt das Selbstvertrauen nach vielen Siegen oder ergibt Selbstvertrauen viele Siege?
Ist es bei Sturm nicht auch ein körperliches Problem? Trainer El Maestro hat ja schon bemängelt, dass die Mannschaft derzeit nicht drei bis vier Spiele in Folge ans Limit gehen kann?
Ich kenne das Zitat zwar nicht, aber ich bin ja im ständigen Austausch mit dem Trainer: Für uns ist das sicher nicht ein rein körperliches Problem. Uns gelingt es, Red Bull begeisternd zu fordern, mit zehn Mann gegen Kapfenberg zu bestehen, dann gegen St. Pölten in der zweiten Halbzeit die Tore zu machen und auch gegen Hartberg in der zweiten Hälfte zu überzeugen. Also man kann behaupten: Da gibt es kein Muster und es zeigt, dass es nicht per se am Physischen liegt. Es geht darum, wie bereit die Mannschaft als Ganzes ist, immer wieder an die Grenzen zu gehen. Es entsteht schon der Eindruck, dass man tendenziell zu früh zufrieden ist und unterbewusst glaubt, es geht um eine Spur leichter. Es ist auch eine Sache des Selbstvertrauens. Und eine Henne-Ei-Frage: Kommt das Selbstvertrauen nach vielen Siegen oder ergibt Selbstvertrauen viele Siege?
Denkt man da nicht automatisch an einen Mental-Coach?
Diese Frage kratzt nur an der Oberfläche. Wir denken viel über den mentalen Bereich nach und machen auch viel. Wir sind auch mit Sportpsychologen in Kontakt. Nur weil es keinen Herrn oder keine Frau XY gibt, der oder die sich Mentalcoach des SK Sturm nennt, heißt es nicht, dass wir uns darüber keine Gedanken machen. Der wichtigste Part – und das ist bei jeder Profimannschaft so –ist immer der Cheftrainer und die Frage „Erreicht er die Gruppe“? Und ich bin mir sicher, das tut er.
Du emotionalisierst mich mit deiner Frage!
Sie haben es vorher schon kurz angesprochen: „Es gibt immer wieder Spieler, die aus dem eigenen Nachwuchs kommen“. Derzeit sieht man – meiner Meinung nach – davon ja eher weniger. Braucht es nicht wieder einmal so eine Identifikationsfigur?
Du emotionalisierst mich mit deiner Frage! Ich finde diese Fragestellung bis zu einem gewissen Maße scheinheilig! Von der Logik her müsste ich sagen, dass du recht hast. Die Praxis zeigt aber, dass ich diese Frage mit Nein beantworten muss. Wir haben in den letzten Jahren mit Maresic, Lovric, Schmid oder Lema immer wieder Spieler aus der eigenen Jugend eingesetzt. Wir haben Nachwuchsspieler in einem extrem jungen Alter zu Stammspielern gemacht und immer wieder viele steirische Spieler eingesetzt. Das wurde nie von irgendwem lobend erwähnt! Nie hat ein Medium gesagt: „Ok, fünfter Platz, aber immerhin muss man anerkennen, dass Sturm mit vielen jungen Eigenbauspielern wie Maresic, Lovric und Lema gespielt hat.“ Das ganze Thema kommt immer nur dann, wenn man Kritisches sucht. Die Wahrheit ist, dass das in der Praxis genau gar nichts zählt! Betrachten wir einmal den Altersschnitt in der erfolgreichsten Ära des SK Sturm: Da waren gefühlt zwei Drittel über 30-Jährige und die jüngsten Spieler waren 25. Noch immer wird es so verkauft, als ob es 1999 so eine irrsinnig junge Truppe war. Das sind Dinge, die von so vielen immer wieder heruntergebetet werden. Ich höre sie aber nur dann, wenn wir nicht erfolgreich sind. Letztes Jahr waren wir in der Österreichertopf-Wertung die Nummer eins – und niemanden hat es interessiert. Ein weiteres Beispiel: Sandi Lovric spielt nach fünf Minuten einen Rückpass zu Jörg Siebenhandl, sofort pfeifen dutzende Zuschauer. Da war von Toleranz gegenüber eigenen jungen Spielern nichts zu spüren. Ich habe auch nicht erlebt, dass Maresic oder Lema im Erfolgsfall mehr gefeiert wurden als andere Spieler. Deshalb finde ich diese Diskussion bis zu einem gewissen Grad scheinheilig.
Wenn Sie das Thema so emotionalisiert, ist es dann etwas, was Sie sich an und für sich wünschen würden?
Wenn ich spüren würde, dass es den Menschen ernst ist, dann wäre es ja berechtigt. Das ist aber nicht der Fall. Meine eigene Erfahrung ist: Man will erfolgreich sein und möglichst immer gewinnen – das ist alles normal. Warum agieren wir derzeit so, wie wir agieren? Das hat auch statistische Gründe: In der Bundesliga-Geschichte von Sturm gab es vier außerordentlich erfolgreiche Phasen. Die Phase Anfang der 80er-Jahre mit dem Vizemeistertitel, nach der es vier, fünf Jahre gedauert hat, bis man wieder halbwegs oben mitgespielt hat. Dann war die Phase Osim. Nach seinem Abschied hat es wieder über ein halbes Jahrzehnt gedauert, bis sich Sturm wieder Richtung Spitze orientierte. Dann gab es 2010 und 2011 zwei Titel und es folgten erneut fünf Jahre ohne Top-Drei-Endrang in der Bundesliga. Die vierte Phase – mit Vizemeistertitel und Cupsieg – durfte ich selbst begleiten. Insofern fechte ich derzeit einen Kampf gegen die statistische Vergangenheit aus, weil ich nicht will, dass Sturm wieder ein halbes Jahrzehnt auf einen Top-Drei-Platz warten muss. Ich will, dass wir diesen Kampf gegen die eigene Vergangenheit gewinnen.
Bedeutet, eine Rückkehr in die Top-3 heißt das mittelfristige Ziel?
Was uns antreiben soll, ist, dass die Gegebenheiten im österreichischen Fußball noch nie so gut waren, um sich für eine Gruppenphase zu qualifizieren. So eine Gruppenphase bedeutet Millionen-Einnahmen. Millionen, die so viel bedeuten würden für diesen Verein. Wir könnten vieles weiterentwickeln und in alle Bereiche investieren. Rang drei, der wahrscheinlich für eine solche Gruppe reichen kann, ist alles andere als unrealistisch. Daher wäre es für mich falsch, wenn man heuer die junge Welle fahren würde. Deshalb haben wir wissentlich die Entscheidung getroffen, auch auf Qualität und viel Routine zu setzen, um diese wirtschaftliche und sportliche Chance bestmöglich wahrzunehmen.
Aber sie müssen sich dann halt auch gegen die anderen durchsetzen und im Spiel Zählbares abliefern.
Stört es Sie dennoch nicht, dass kaum ein junger Spieler zum Zug kommt?
Unsere Feldspieler 17 bis 21 sind bei uns schon die Jungen. Das sind Lema, Ferk, Koch und Trummer. Wir haben bezüglich Verletzungen einfach auch eine sehr stabile Saison. Man kann aber nicht behaupten, dass wir nur Arrivierte im Kader haben. In der Länderspielpause haben auch Amoah, Shabanhaxhaj, Zettl, Bacher und Krienzer mit der Kampfmannschaft mittrainiert. Wir nehmen die Entwicklung von jungen Spielern definitiv sehr ernst. Aber sie müssen sich dann halt auch gegen die anderen durchsetzen und im Spiel Zählbares abliefern.
Weil Sie jetzt schon so schön emotional sind: Was sagen Sie, wenn wir das Thema „Stadionlösung“ auf das Tapet bringen?
Das emotionalisiert mich weitaus weniger. Völlig wertfrei: Fakt ist, dass es im modernen Fußball einen enormen Mehrwert bringt, wenn dein Heimspiel-Stadion dir gehört. Es ergeben sich dadurch bei Branding, Hospitality, Sponsoring oder der Gastronomie ganz andere Möglichkeiten. Diesen Mehrwert nimmt man beiden Grazer-Klubs, wenn es zu keiner Zwei-Stadien-Lösung kommen würde. Es gibt in ganz Europa so viele Städte mit zwei oder mehr Klubs, aber nur noch ganz wenige mit nur einem Stadion. Es gibt Berechnungen, die eindeutig zeigen, dass beide Klubs von so einer Lösung profitieren würden. Selbstverständlich muss man auch die Breite fördern. Wenn man aber nicht auch die Spitze fördert, wird sich diese nicht weiterentwickeln können. Es gibt viele Sparten, wo wir optimieren wollen, jedoch nur eine Sparte, die noch gar nicht hinsichtlich eines Mehrwerts behandelt werden kann – das ist die des Stadions. Das ist für uns ein Wettbewerbsnachteil. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, ob es diesbezüglich zu einer Lösung kommt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht seriös einschätzen.
Danke für das Gespräch.
guter Mann. gut erklärt. schauen was den negativ Schwoazen hier im Forum einfällt, gk gibt die ehrlichen Antworten. Frage zu „nach Abpfiff“ in Mattersburg hätt mich interessiert. hat mir gefallen, dass er auch dort Eier gezeigt hat.
Negatives drann zu finden hängt immer von der Einstellung ab.
Er erklärt hier wieder schön, dass er lieber jetzt kurzfristigen Erfolg mit erfahrenen Spielern hat, als langfristig mit jungen zu arbeiten, kann man mögen, muss man nicht.
Zum Thema zweite Mannschaft braucht dann ein Stadion: Hat man nicht im Norden von Graz ein Stadion zweitligatauglich gemacht, bevor der Verein nach Liebenau gewechselt ist? „sarkasm off“
Wegen dem Stadion: Wenn die Roten nur einzelne Sektoren mieten können müssten wir dies ja auch tun können…?
zwecks Stadion:
ich denke 3 Mannschaften hält der Rasen einfach nicht aus, schaut auch schon jetzt nicht mehr ganz so optimal aus. Im Worst Case spielt dann am Sonntag Vormittag GAK/AMA im Stadion und am Nachmittag dann Sturm
Außerdem wäre die wirtschaftlichkeit sicherlich nicht gegeben. Zu einem AMA Spiel werden maximal 500 zuschauer kommen…
@Ivaneijew
meiner Meinung nach wird schon langfristig gedacht. Die Chance so gemütlich in die Euro League zu kommen wird es wohl so schnell nicht mehr geben. Unser aktueller Platz in der 5-Jahreswertung ist nicht so gut abgesichert. Daher jetzt die Millionen cashen und dann damit die Jugend und die Infrastruktur weiter aufbauen
@ Ivaneijew
Das ist so nicht richtig. Er erklärt, dass er zunächst mal Einnahmen für Sturm will und deswegen auf arrivierte Spieler setzt. Es ist der kurzfristige Erfolg der Millionen bringt. Hat man die, kann man investieren und langristig planen. Dann geht auch das Hochziehen und gezielte Integrieren junger Spieler in die Kampfmansschaft besser, weil sie nicht nach einer Saison dorthin abwandern, wo mehr Geld winkt – und letztlich gehts halt um die Kohle.
GK ist fix nicht der Mann mit dem ein Verein wie Sturm langfristig erfolgreich sein kann!
Wie kann ein Sportdirektor ernsthaft sagen, dass man sich nicht sicher ist ob man will das seine Amas aufsteigen!
Von den Jungen die er dann anführt war Maresic Stammspieler und auf das ist der Typ stolz?
Und die Aussage zu den langfristigen Verträgen? Ja SORRY man sollte halt den Spielern langfristige Verträge geben mit denen man Erfolg hatte nicht externen Hosiners…
Also ich finde dieses Interview ist ein schlechter Scherz und es wäre Zeit für einen neuen Sportdirektor!