Ganz klar, wir sind Sturm!
Die Feier zum 60. Geburtstag eines durch und durch schwarz-weißen Patriarchen ist Anlass einer absolut turbulenten Familienzusammenkunft, die sich ausgerechnet in einem GAK-Wirtshaus, geführt vom echten roten Wirt Gerhard Schmieder, zuträgt. Die anfängliche Wiedersehensfreude weicht recht schnell einem tiefgreifenden Konflikt, den die Angehörigen seit Jahren immer wieder anfachen und über Generationen hinweg austragen. Sturm oder GAK? Die Familie blutet schwarz – der Vater, gespielt von Andreas Kügerl, duldet keine Ausnahmen diesbezüglich. Gerade deshalb widerstrebt es ihm, die Ehe seines Sohnes mit der GAK-Anhängerin Laetitia voll und ganz anzuerkennen. Wie kann man nur mit dem (geliebten) Feind? In einer sehr gelungenen Performance treiben die Laiendarsteller*innen ihre Figuren immer wieder auf die Spitze und streifen mit ihrer Fan-Leidenschaft, die offenbar gar nicht wirklich gespielt werden muss, konsequent am Wahnsinn – so scheint es anfänglich.

(c) SturmNetz.at
Mit Videoeinspielungen aus der Realität belegen Fans aus beiden Lagern in Interviews durch ihre ganz spezielle Sichtweise, was im Stück kolportiert wird: Der Klub ist von zentraler Bedeutung im Leben der Anhänger. Sie opfern nicht nur ihre Zeit für einen Besuch am Fußballplatz, sondern finden im Klub Identität, ja fast schon Religion – ein Aspekt, der im Stück übrigens auch auf bildgewaltige Weise Beachtung findet.

(c) Karelly – Lamprecht
Aus der anfänglichen Eskalation heraus entsteht schnell eine Aufarbeitung des Fan-Daseins in der Grazer Fußballwelt im Spannungsfeld zwischen Schwarz und Rot. Der Mainstream gegen den Underdog. In Konkursen gerechnet: 4:1 für die Weinzödler. Dass dabei ausgerechnet der Grazer Norden um Emanzipation ringt, wird durch die überwiegend weibliche Besetzung der GAK-Fans – gewollt oder nicht – mit besonderer Symbolik angereichert. Julia Franz Richter, die einzige professionelle Mimin der Aufführung, gesellt sich selbst mit ihrer Figur, einer erfolglosen Schauspielerin, die sich ihr Auskommen als Kellnerin verdienen muss, dazu. So entstehen in der Handlung letztlich verschiedene Fronten, die auch immer wieder mit fundierter Gesellschaftskritik – etwa an toxischer Männlichkeit und der längst nicht mehr existierenden Männerdomäne Fußball – zum Nachdenken anregen. Was sich dabei gar nicht selten herausstellt: Gemeinsamkeiten trotz Rivalität.
Mit seinem semidokumentarischen Stil lässt Regisseur Ed Hauswirth seine Figuren ihre fiktionale Fassung gerne verlieren. „Manches ist erfunden und manches wahr!“ , heißt es, ehe sich der Vorhang hebt. Durch ihre Abschweifungen ins Persönliche zeichnen die Charaktere deutliche Bilder verschiedener Fanseelen und zeigen auch auf, wie der Herzensklub einen so hohen Stellenwert bekommen kann. Selbst Junglegende Klaus Salmutter redet auf der Bühne recht offen über seine Beziehung zum SK Sturm und dem Profifußball. Mit komödiantischem Einschlag werden Anekdoten erzählt, die man so oder zumindest so ähnlich schon vielfach gehört hat – wie eben über einen jungen Vater, der selbst während der Geburt seines Kindes unbedingt wissen muss, wie Sturm heute gespielt hat.
Hauswirth gelang mit seiner Bürger*innenbühne ein absolut sehenswertes Joint Venture von Theater und Fußball mit fantastischem Höhepunkt. Seine Laiendarsteller*innen stellte er ganz im Stile eines modernen Trainers großartig ein und entlockte ihnen sogar die eine oder andere Glanzleistung. Eine herausragende Julia Franz Richter erdete ihre Kolleg*innen immer wieder mit ihrer unübersehbaren Professionalität sowie Hingabe und bewies einmal mehr ihren Facettenreichtum im Schauspiel. Es ist gleichermaßen bewegend wie unterhaltsam und regt zwischendurch auch zum Nachdenken an. Jedem Sturm-Fan sei ein Besuch einer der kommenden Vorstellungen wärmstens empfohlen!
Eine Frage wird sich im Laufe der Vorstellung übrigens jedem Besucher mit Sturm-Affinität stellen: Darf ich im Theater jetzt so richtig abgehen? So wie im Stadion?
Gewinnspiel
In unserem aktuellen Facebook-Gewinnspiel könnt ihr 1 x 2 Karten für die Aufführung am 21. März 2020 gewinnen! Lasst euch diese Chance nicht entgehen! Teilnahmekriterien findet ihr im entsprechenden Facebook-Post!
„Spieldaten“
Grazer Schauspielhaus, Haus 1, 03. März 2020, 19:30 Uhr
Aufstellung: Julia Franz Richter, Petra Aicher-Pichler, Lucas Herrmann, Fabio Hohensinner, Ulrike Kügerl, Andreas Kügerl, Simon Kunath, Ed Pöltl, Klaus Salmutter, Gerhard Schmieder, Josef Schuster, Johanna Schwaiger, Paul Zeyringer, Laetitia Zollneritsch, Michael Robert Fernbach, Felix-Paul Mayerhofer
Betreuer*innenbank:
Regie: Ed. Hauswirth
Weitere Termine:
- Mi, 11. Mär 19:30
- Mi, 18. Mär 19:30
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Sa, 21. Mär 19:30
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Do, 02. Apr 19:30
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Fr, 03. Apr 19:30
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