Frischer Wind bei den SK Sturm Damen!

Teil 1: Das große Interview mit Michael Erlitz, dem neuen sportlichen Leiter.

Die Abteilung der SK Sturm Damen rund um Mario Karner hat sich neu aufgestellt und versucht, neue Wege zu gehen. Der langjährige Trainer Chris Lang, der die Sturm Damen als Nummer Zwei in Österreich etabliert hat, verließ den Verein nach der vergangenen Saison und wurde durch Neo-Coach Sargon Duran ersetzt. Mario Karner tritt aus der sportlichen Leitung zurück, fokussiert sich als technischer Direktor auf Lizenzierungsangelegenheiten und die Arbeit hinter den Kulissen, während Helmut Degen die Administration und Organisation bei den Frauen übernimmt. Michael Erlitz ist erst 26 Jahre jung und hat doch schon eine erstaunliche Vita vorzuweisen. Der bekennende Sturm-Fan kümmert sich nun um die sportliche Belange, schmiedet Kaderpläne und versucht, mit viel Leidenschaft und Zeit das Projekt auf die nächste Stufe zu heben.

Im ersten Teil unseres Gesprächs mit Michael Erlitz liegt der Fokus auf den Neuerungen in der Damenabteilung, wir bekommen Einblick in die Trainingsstrukturen und warum die Nachwuchsarbeit mit einer eigenen Akademie beim SK Sturm ein neuer Weg im österreichischen Frauenfußball ist.

Michael Erlitz, der neue sportliche Leiter der SK Sturm Damen | Foto (c) SturmTifo, Basti Neugebauer

SN: Michael Erlitz, danke, dass du dir die Zeit für uns nimmst. Gleich zu Beginn: Du bist nun der neue sportliche Leiter bei der Damen-Abteilung des SK Sturm Graz, dem zweitgrößten Damenteam in der österreichischen Bundesliga und das mit nur 26 Jahren. Bist du dieser Aufgabe gewachsen und warum bist du der Richtige dafür?

ME: Auch von meiner Seite ein Danke, dass SturmNetz sich die Zeit nimmt, mich kennenzulernen. Ja, ich gehe davon aus, dass ich der Aufgabe gewachsen bin. Ich habe glücklicherweise viel praktische Erfahrung in meinen Anstellungen sammeln und gute Ausbildungen genießen dürfen, auch wenn es immer Luft nach oben gibt. Andreas Schicker und Mario Karner unterstützen mich nicht erst seit Kurzem und ich fühle mich im Verein gut aufgehoben.

SN: Für viele Fans bist du noch neu und ein unbeschriebenes Blatt. Wie lange bist du schon mit Sturm verbunden, welche Expertise bringst du mit und wie bist du zu deinem jetzigen Posten gekommen?

ME: Meine Beziehung zu Sturm geht bis in meine frühe Kindheit zurück. Ich bin Mitglied im Verein und gehe gerne ins Stadion. Sportlich gab es für mich aber auch andere Vereine, weil ich in der Videoanalyse beim VfB Lübeck und bei den Young Violets der Austria Wien gearbeitet habe und so Erfahrung sammeln konnte. Beim ÖFB in der U21 war ich ebenfalls kurz tätig, bevor ich zum steirischen Landesverband kam, wo ich für die Trainerausbildung zuständig bin. Hier ist es mein Anliegen, dass die Trainer in der Region auf dem höchsten Niveau arbeiten können. Nun arbeite ich zusätzlich auch für die Frauen des SK Sturm.

SN: Hast du selbst eine Trainerlizenz?

ME: Neben meiner Ausbildung als Videoanalyst habe ich auch die B-Lizenz und stehe kurz vor der Zulassung, die A-Lizenz zu machen.

SN: Das klingt nach tollen Adressen aus dem Männerfußball. Gibt es auch Verbindungen zum Frauenfußball?

ME: Mein allgemeines Sportmanagement-Studium und die grundsätzliche Infrastruktur im Frauenfußball, die dem Männerfußball sehr ähnelt. Das Ziel ist es, den Frauenfußball zu verbessern und die Professionalisierung weiter voranzutreiben. Das ist uns aus meiner Sicht auch in diesem Jahr gelungen.

Beim Trainingslager in Vorau mit neuem Kader und neuem TrainerInnenstab wurden die Weichen für die neue Saison gestellt | (c) SturmTifo, Basti Neugebauer

SN: Den Frauenfußball zu optimieren und zu verbessern, klingt gut. Es gab Veränderungen in der Abteilung. Man könnte 2023/24 fast sagen “SK Sturm Damen NEU”. Wenn es Veränderungen gibt, dann oft, weil etwas nicht zufrieden stellt und verbessert werden soll. Was war bei den Damen nicht so gut und musste verbessert werden, und was wird durch die Veränderungen besser?

ME: Nicht so gepasst hat die Arbeitsaufteilung. Mario Karner musste alleine zu viele Agenden übernehmen für das Level, auf dem wir mittlerweile auch bei den Frauen arbeiten müssen. Champions-League-Lizenzierung, Bundesliga-Lizenzierung, Kaderplanung – das waren zu viele Aufgaben. Wir haben die Professionalisierung mit dieser Aufteilung vorangetrieben. Helmut Degen macht die organisatorischen Dinge, Mario Karner hat die technische Übersicht und ich bin ausschließlich für die sportliche Seite zuständig.

SN: Auf der sportlichen Seite hat es Veränderungen gegeben. Der alte Trainer, Chris Lang, wurde verabschiedet und mit Sargon Duran ein neuer Trainer geholt. Warum ist Christian Lang weg? War das deine Entscheidung?

ME: Diese Entscheidung wurde einvernehmlich zwischen Chris Lang und dem Verein getroffen. Die Zusammenarbeit war für beide Seiten mittlerweile so lange, dass es einen frischen Wind brauchte.

SN: Die meisten Spielerinnen bei Sturm sind aber meist nur maximal zwei Jahre beim Klub. Also so viele gleiche Spielerinnen sind ja nicht lange da gewesen.

ME: Ein großer Stamm an Spielerinnen ist schon beim Klub geblieben. Manche Spielerinnen sind neu dazugekommen, andere wurden von der Akademie hochgezogen. Es gibt also einen neuen Kader und einen neuen Trainer. Das Ziel ist ein weiterer Schritt in der Professionalisierung unserer Abteilung, eine Verbesserung der Liga und dass Spielerinnen aus unserer Akademie die Möglichkeit bekommen, “oben” Fuß zu fassen.

SN: Was wird Sargon Duran besser machen als Chris Lang?

ME: Er macht die Arbeit anders. Chris Lang hat den Frauenfußball in Graz mit aufgebaut und auf einen stabilen Level gehoben. Sargon Duran wird dort ansetzen und nun weiterarbeiten.

Sargon Duran wird als neuer Cheftrainer im Damenbereich frischen Wind bringen (c) SturmTifo, Basti Neugebauer

SN: Und wo wird angesetzt und weitergemacht?

ME: Die Philosophie, die Christian Ilzer und Andreas Schicker zum Verein gebracht haben, die wollen wir auch bei den Damen vorantreiben. Wir wollen einen Fußball spielen lassen, wo auch bei den Frauen sichtbar wird, für welche Art Fußball Sturm Graz steht und wie wir auftreten.

SN: Was bedeutet das im Training für die Spielerinnen?

ME: Höhere Intensität, kleinere Spielformen und gruppentaktische Mittel, auf die man als Team besser zugreifen kann. Wir wollen das Team vom Kleinen ins Große optimieren und schon auf den einzelnen Positionen und Rollen stärker arbeiten.

SN: Der Kaderumbruch bringt vier neue Spielerinnen, die bereits präsentiert wurden. Es gibt nun auch ein U16-Team zum U21-Team. Was darf man sich von diesem Umbruch erhoffen und was ist das Ziel damit?

ME: Wir wollen noch mehr Spielerinnen ausbilden und früher ansetzen. Junge Spielerinnen sollen nicht ohne Vorerfahrung mit der Philosophie in der U21 anfangen, sondern die Prinzipien unseres Spiels bereits so früh wie möglich lernen. Das soll zur Folge haben, dass alle hochgezogenen Spielerinnen in der Kampfmannschaft sofort funktionieren und eingesetzt werden können. Dieses Konzept soll allen Teilen den Wechsel zwischen den Stufen und Teams erleichtern.

SN: Da die Infrastruktur beim SK Sturm immer sehr gut ausgelastet ist und freie Plätze schwer zu finden sind, stellt sich die Frage: Wie oft trainieren die unterschiedlichen Teams und wo trainieren sie derzeit?

ME: Die U16 und die U21 trainieren immer gleichzeitig und teilen sich das Feld. Das hat den Vorteil, dass sie Trainingsspiele gegeneinander und miteinander spielen können. Man kann die Teams beobachten und eng im Austausch bleiben. Beide Teams trainieren am Postplatz in Graz.

SN: Und wie sieht es bei den Damen aus?

ME: Auch die Damen trainieren am Postplatz und haben andere Zeiten und das gesamte Feld für sich.

Laura Petersen (Vordergrund) und Steffi Grossgasteiger beim Trainingslager in Vorau | (c) SturmTifo, Basti Neugebauer

SN: Wie oft trainieren die Frauenteams?

ME: Die Damen trainieren zwischen fünf und sechs Mal pro Woche. In der Vorbereitung sind es fünf Tage die Woche. Bei der U16 ist es so, dass die Vormittagstrainings freiwillig sind, daher haben die dortigen Spielerinnen nur vier verpflichtende Trainings. Die U21 trainiert schon sehr ähnlich wie die Erste.

SN: Vormittagstrainings für die U16 – wie funktioniert das mit dem Schulbetrieb, gibt es Partnerschulen?

ME: Die U21 ist eigentlich die Akademie, die hat Schulkooperationen und sind vormittags für Trainings freigestellt von der Schule. Bei der U16 sind noch nicht alle Spielerinnen in der Schulkooperation und durch diese Mischung können wir die Vormittagstrainings noch nicht verpflichtend ansetzen. Für Unterstufen-Spielerinnen außerhalb von Graz und Umgebung sind diese Trainings derzeit nicht machbar.

SN: Welche Schulen sind die Partnerschulen?

ME: Wir haben offizielle Kooperationen mit dem BORG Monsberger, dem BG/BRG Oeversee und mit der Grazbachgasse sowie der Unterstufe Graz-Bruckner. Die Kooperation mit der HIB Liebenau läuft nur über das Internat, für Frauenfußball hat die Schule die Kooperation bislang abgelehnt.

SN: Wie viele Spielerinnen bei den SK Sturm Damen können von dem Geld leben, das sie bei Sturm verdienen?

ME: Man redet im Fußball bereits von Profis bei einer geringfügigen Anstellung, denn ab da wird man im System als Profi gemeldet. Ob man von diesen Beträgen allerdings leben kann, darf jede und jeder für sich selbst beantworten. Nach dieser beschriebenen Meldung im System sind mehr als die Hälfte des Kaders Profis.

SN: Die meisten talentierten Spielerinnen des SK Sturm, die wechseln, waren alle noch für die U21 spielberechtigt. Wie wirkt sich das auf das Team aus, wenn alle so jung wechseln und was ist der Plan mit der Akademie?

ME: Wir wollen nicht mehr auf die ÖFB-Akademie in St. Pölten angewiesen sein. Die letzten Spielerinnen, die weggewechselt sind, kamen alle aus der Akademie in St. Pölten. Dort haben sie Kontakte geknüpft, auch über die dortigen ÖFB-Infrastrukturen, die sie dann letztendlich auch ins Ausland gebracht haben.
Vom Prinzip und dem Aufbau her funktioniert unsere Akademie in Graz gleich und ist ähnlich aufgestellt. Wir sehen die ÖFB-Akademie als Standortnachteil für uns, weil die Spielerinnen dort trainieren und nur für die Spiele zu uns kommen. Seit wir auch die Akademie in Graz haben, können wir unsere Teams viel besser vorbereiten und auch für den Verein begeistern.

Auch der technische Direktor, Mario Karner, stattete dem Trainingslager in Vorau einen Besuch ab | (c) SturmTifo, Basti Neugebauer

SN: War das auch ein Wunsch des neuen Trainers oder wurde das vor allem von dir forciert?

ME: In Österreich gibt es nur eine offizielle Akademie, das ist jene in St. Pölten. Wir haben zwar das gleiche Konzept mit der gleichen Infrastruktur, bekommen aber noch nicht diesen offiziellen Status. Die Idee, dass wir keine Spielerinnen aus St. Pölten mehr nehmen wollen, ist gemeinsam entstanden. (Anm., ÖFB-Nachwuchs-)Torhüterin Mariella El Sherif war die letzte Spielerin dieser Art. Sie hat in diesem Jahr maturiert und kann nun jedes Training in Graz absolvieren. In Zukunft werden Spielerinnen nur noch aus unserer Akademie hochgezogen.

SN: Ist es nicht so, dass durch diese Entscheidung kurzfristig ein sportlicher Nachteil für den Kader entsteht?

ME: Ich glaube nicht, dass hier ein Nachteil entsteht. Wir haben sehr starke Talente in unserer Akademie, die sich bewusst gegen St. Pölten entschieden haben. Manche haben dort die Aufnahme geschafft, aber abgelehnt, andere haben sie gar nicht mehr gemacht. Spielerinnen unserer U16 haben mit der Zusage dort auch versichert, dass sie nicht nach St. Pölten abwandern wollen. Klar, auf manche dieser Top-Talente muss man nun ein, zwei Jahre warten, bis sie oben ankommen, aber die regionale Komponente ist uns wichtig und das ÖFB-Nachwuchsmodell kann verzichtbar sein, wenn wir ordentlich arbeiten.

SN: Im Damenbereich sind abgesehen von den Spielerinnen nicht so viele Frauen sichtbar. Emily Cancienne coacht die U21 und ist Co-Trainerin von Sargon Duran. Carmen Schauer ist die Physiotherapeutin des Teams. Gibt es überhaupt noch weitere Frauen, die für die SK Sturm Damen tätig sind?

ME: Grundsätzlich muss man offen sagen, dass die Damen in der Trainerausbildung noch nicht die oft die A-Lizenz und Pro-Lizenz absolviert haben. Dadurch fehlt die Sichtbarkeit in der ersten Reihe.
Unsere Akademie, und das ist meine Überzeugung, soll nicht nur Spielerinnenakademie, sondern auch Trainerinnenakademie sein. Wir wollen also auch Frauen (und Männer) als TrainerInnen für Frauenfußball ausbilden. Deshalb ist es auch ein guter Schritt für Emily Cancienne, die so in die A-Lizenz kommen kann. Mit Juliane Ratschnig als Athletiktrainerin und Nina Hütter als Team-Managerin haben wir auch noch weitere Namen, die wir bereits nennen können. Im Nachwuchs dreht sich das Verhältnis also bereits im Vergleich zu den Erwachsenen.

Carmen Schauer, die Physiotherapeutin und gute Seele des Teams im Gespräch mit Torfrautrainer Daniel Gutschi | (c) SturmTifo, Basti Neugebauer

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