Fenster zu, es zieht!
Wenn das Neujahrskonzert verklungen ist und die ersten Springer den K-Punkt in Garmisch-Partenkirchen überquert haben, sind auch schon die ersten Transfers in trockenen Tüchern, die Gerüchteküchen kochen über und quer über den Kontinent wird stille Post gespielt. Hat nicht dieser Verein an dem Spieler Interesse bekundet? Ist nicht der andere Spieler dort unzufrieden? Fehlt dort nicht noch jemand auf der Position? Wird es mit dem neuen Trainer für den besser? Der passt dort eigentlich überhaupt nicht hin. An seiner Stelle würde ich dorthin gehen. Muss man wirklich, wenn es im Herbst nicht läuft, sofort das Transferfenster aufreißen und den ganzen Laden durchlüften, bis der komplette Kader einfriert?
Ganz ehrlich, Leute, würde ich nicht FIFA 19 spielen, hätte ich bei 80% der Spieler keinen Plan mehr wo sie spielen, ob es für irgendjemanden an anderer Stelle einen Platz geben könnte und ob nicht das Spielsystem da oder dort für den einen oder den anderen besser wäre… Ich verliere mich in Hypothesen und zwar mit dem kompletten Freundeskreis und das macht ja auch eigentlich Spaß.
Aber noch eine Spur ehrlicher: Eigentlich ist mir das alles fast schon peinlich. Jedes Jahr freue ich mich auf jedes Transferfenster als neutraler Beobachter enorm, weil sich wegen der Spielereien auf der Konsole unterm Jahr so viele Optionen und Was-wäre-wenns aufgetan haben, dass man eigentlich jeden Tag neue Abhandlungen darüber verfassen könnte. Bereitwillig öffnet man jeden Tag den Browser, aktualisiert Transferticker und wartet auf Neuigkeiten, aber … im Endeffekt passiert dann doch weniger als man denkt und nur halb so viel, wie auf Laola1 und Goal.com und 101greatgoals und wiesiealleheißen.net eben groß angekündigt wurde. Ich bin mir sicher, dass auch der eine oder andere Fußballspieler sich selbst auf der Konsole im Karrieremodus gerade jetzt in diesem Moment wieder zu einem anderen Klub transferiert, weil, ganz ehrlich, was macht ein Kicker anderes als trainieren, essen und FIFA spielen (sofern er keine Familie hat)?
In der ersten Februarwoche kehrt bei mir und den Kickern dann jedes Jahr aufs Neue wieder so etwas wie ein enttäuschter Transfer-Blues ein, weil wir uns gemeinsam ärgern, dass Arnautovic, Schlager, Zulj und Maresic noch immer nicht beim gleichen Klub in der Startelf stehen und ich mir nach wie vor nicht erklären kann, warum Real Madrid die vier schon wieder nicht verpflichtet hat. Es ist doch ganz offensichtlich, dass Benzema, Isco, Modric und Sergio Ramos es auf diesem Level einfach nicht mehr bringen. Ich bin mir sogar sicher, dass sich Modric, Isco und Ramos gerade jetzt in diesem Moment auf FIFA zu Sturm Graz transferieren… Modric, Isco und Ramos würde ich von mir aus auch bei Sturm in den Kader nehmen, wenn sie schon sonst nirgendwo mehr unterkommen. Da erbarmt sich der Kreissl bestimmt auch noch.
Aber ganz ohne Spaß – das Wintertransferfenster wird dieses Jahr ein ruhigeres für den SK Sturm, da bin ich mir relativ sicher (und ja, ich klopfe nochmal auf Holz, damit ich es auch ja nicht verschrien habe). Die Leistungen im Herbst waren von unserer Mannschaft so unbeständig, dass man sich keine großen Sorgen machen muss, dass man Leistungsträger verliert. Das ist das Gute an diesem Herbst im Vergleich zum Vorjahr. Schade ist, dass man sich mit den Leistungen leider auch als Klub nicht unbedingt attraktiver für Talente gemacht hat. Wer will denn noch zum SK Sturm, wenn man sich neuerdings beim hippen, coolen LASK unter dem noch hipperen, cooleren Oliver Glasner durchsetzen kann?
Ja klar, für Günter Kreissl ist Albert Vallci ein sehr interessanter Spieler, das kann ich gut nachvollziehen. Aber leider ist wohl für Albert Vallci der LASK derzeit der interessantere Klub. Im Moment haben wir 3,5 Innenverteidiger bei Sturm (wenn man den halben Markus Lackner mitrechnet), aber man wird wohl nicht mehr tätig werden. Mein Wunschkandidat Dominik Baumgartner, das Innenverteidiger-Talent von Wacker Innsbruck, hat sich mittlerweile auch in Richtung Bochum aus dem Staub gemacht (wo ich ihn dann zumindest ab und an im Stadion sehen werde) und sich nicht für einen Verbleib in Österreich entschieden. Thomas Goiginger wird in Österreich wohl nicht mehr wechseln, außer die Salzburger knallen ihm ordentlich Geld vor den Latz, weil sportlich ist mittlerweile weder Wien noch Graz attraktiver…
Und sonst?
Sonst hat sich Sturm den einzigen, guten Spieler zurückgeholt, den man sowieso schon besaß: Ivan Ljubic. Das war eine gute Entscheidung und ich freue mich auf ihn. Es geht mir an dieser Stelle nämlich gar nicht darum zu meckern – Sturm hat einfach einen schlechten Herbst gespielt und in vielerlei Hinsicht wenig Eigenwerbung betrieben. Das Einzige, was astrein funktioniert hat, war die Unterstützung der Ultras, die die beste Werbung für Sturm Graz in dieser Liga sind. Wenn schon Österreich, dann zumindest zu den besten Fans. Okay, Albert Vallci?
Es liegt nun an Roman Mählich, seiner Mannschaft eine spielerische Handschrift und der Kaderplanung zusammen mit Günter Kreissl eine attraktive Philosophie zu geben, die es auch interessant machen, für junge, talentierte Spieler aus ganz Österreich. Dass diese Kicker wieder in Graz die Zelte aufschlagen wollen und nach Messendorf zur Arbeit fahren. Da gibt es eh so viele Parkmöglichkeiten und es ist sogar (noch) gebührenfrei.
Selbiges möchte ich mit Nachdruck in Richtung der aktuellen Sturm-Spieler sagen. Lukas Spendlhofer und Peter Zulj haben vielleicht die Möglichkeit, noch einmal im Ausland die Schuhe zu schnüren, ja. Sie haben aber auch die Möglichkeit, in Graz Vereinslegenden zu werden. Selbiges könnte auch für Sandi Lovric gelten. Pessimistische Fußball-Nostalgiker werden natürlich sofort einwerfen, dass das im Jahr 2019 nicht mehr so läuft, weil das Geld die Musik spielt und das Sommertransferfenster 2018 hat gerade uns Sturm-Fans gezeigt, dass die Realität brutal hart sein kann. Ja eh. Kann. Weil, Leute, es gibt sie da draußen noch immer, diese Spieler, die Jahr für Jahr das Trikot desselben Vereins überstreifen. Oliver Glasner kann davon ein Lied singen. Steffen Hofmann hat es sogar geschafft, von der Grazer Kurve per Transparent verabschiedet zu werden. Roman Mählich war auch acht Jahre bei einem Klub und wurde dort zur Legende. Da arbeitet er jetzt sogar mit Günter Neukirchner zusammen und der ist ja sowas wie der Grazer Francesco Totti. Oder zumindest der Grazer de Rossi.
Okay, da musste ich jetzt selbst schmunzeln. Aber mein Punkt ist: Eine Karriere kann man auf unterschiedlichste Art und Weise krönen. Zum Beispiel mit einem Meistertitel in China, oder wie der ewige GAKler Zlatko Junuzovic mit einem Titel bei Red Bull Salzburg. Wenn das euer Plaisir ist, dann bitte. Aber kein Titel der Welt ist so viel wert, wie die ewige Treue von Fankurven. Erst kurz vor der Winterpause konnte man das bei der Rückkehr von Nuri Sahin mit Werder im Westfalenstadion sehen. Ein Gänsehautmoment, der für viele Leute sehr viel bedeutet hat. Klubtreue macht sich bezahlt. Emotionen sind schwerer als Euronen. Am Ende redet keiner über den Kicker, der gegangen ist.
Dario Maresic und Stefan Hierländer haben sich in die Pole-Position für derartige Momente gebracht. Sie haben sich entschieden, erst einmal in das zu vertrauen, was funktioniert – ihre Bindung mit dem SK Sturm Graz. Das werden die Fans ihnen auch später nicht vergessen. Oder ich zumindest. Es gibt da eben noch ein paar Kandidaten, die sich das ebenfalls gönnen sollten. Ein paar weitere Jahre SK Sturm meine ich. Und das Einzige, was mich an diesem und dem nächsten Transferfenster interessiert, FIFA auf der Playstation hin oder her, ist, dass es sich schnell wieder schließt. Es zieht mir nämlich zu doll und schön langsam wird es mir kalt vor lauter Kapitalismus im Fußball.
Sehr treffender Beitrag…dieser Beitrag in Gottes, Allahs oder Mario Haas’s Ohr wie auch immer 😉