Fear and Loathing in Grödig: Eine Chance

An dieser Stelle zu schreiben, was ohnehin jeder denkt, wäre den Aufwand kaum wert. Bankrotterklärung. Arbeitsverweigerung. Abstiegskandidat. Nur einige – mitunter noch die höflicheren – Bezeichnungen, die nach dem desaströsen Auftritt in Grödig omnipräsent erscheinen. Die Vorstellung in Salzburg erinnert stark an die unmittelbare Posthyballa-Ära im April 2013, in welcher lediglich Auflösungserscheinungen Sturm charakterisierten. Daher widmet sich dieser Kommentar dem zugegeben weitaus schwierigeren Versuch, diesem sportlichen Tiefpunkt doch etwas Gutes zu entlocken. Und das ist tatsächlich möglich. Dabei kann man dem Spiel an sich wahrlich nichts Positives abgewinnen – abgesehen vom Ergebnis.

Üblicherweise stellt sich Franco Foda nach schwachen Darbietungen schützend vor die Mannschaft, spricht gerne von Kleinigkeiten, an welchen Sturms Spiel scheitert. Obwohl die Mehrheit des Anhanges dieses Umstands bereits überdrüssig ist, so waren die häufig als Ausreden deklarierten Äußerungen nicht gänzlich aus der Luft gegriffen. Vergleicht man Spiele der laufenden Saison mit jenen aus dem Meisterjahr, so sind es häufig tatsächlich solche Kleinigkeiten, die einen Sieg verhindern. Auch damals hat man selten geglänzt, Busblockade in Mattersburg ein Jahr davor inklusive. Man hat jedoch die Reife besessen und das Momentum genützt, um meist dennoch als Sieger vom Platz zu gehen. Ob und inwiefern diese Ausrichtung erwünscht ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt Papier, soll hier allerdings nicht Thema sein.

Foto: (c) SturmNetz.at

Foto: (c) SturmNetz.at

Nach der Leistung am Fuße des Untersbergs ist mit solchen Verweisen auf Kleinigkeiten zumindest vorerst Schluss. Selten hat man den Cheftrainer so klare Worte finden sehen. Selbiges gilt auch für die Herren am Feld. Man geht hart mit sich selbst ins Gericht, und das nicht nur im Beisein der Medien. Der Ernst der Lage ist spätestens jetzt allen Beteiligten klar. Selbsterkenntnis ist bekanntlich der erste Weg der Besserung. Man wird sich nach der Länderspielpause definitiv in einer für jeden Zuseher offensichtlichen Weise zerreißen müssen, anderenfalls droht der Unmut bereits jetzt ins Unermessliche zu steigen. Die mit nur wenigen Ausnahmen stark angezählten Herren am Feld müssen nun mit Leistung auf sich aufmerksam machen. Es darf nämlich davon ausgegangen werden, dass derzeit den wenigsten ihr Stammleiberl sicher ist; selbst unter Franco Foda, der bekanntlich gerne einem Stamm vertraut und diesen auch bei schwachen Leistungen nur ungern gravierenden Umstellungen aussetzt. Umstände, die wohl – wenn auch zu spät – begrüßenswert anmuten.

Darüber hinaus kann es als positiv gewertet werden, dass die von vielen Fans lange Zeit geäußerte Kritik, letztlich von den Fanklubs in ansehnlicher Form schriftlich festgehalten, vermehrt Zuspruch erfahren wird. Zu häufig wurden Probleme in der Vergangenheit für den gemeinen Fan bereits von Ergebnissen kaschiert. Hier gilt ebenfalls: Damit ist vorerst Schluss. So paradox es klingen mag, aber ein Erfolgslauf hätte die Glaubwürdigkeit der Forderungen wohl für die Masse in Frage gestellt. Strukturelle Verbesserungen erscheinen letztlich doch wichtiger, als der eine oder andere Punkt. Sturm Graz wird nämlich nicht umhin kommen, die einen oder anderen (internen) Zugeständnisse zu machen. Insbesondere hinsichtlich der vermehrten Kritik an der Nichtberücksichtigung des eigenen Nachwuchses können derartige Vorstellungen als Hoffnungsschimmer betrachtet werden.

Für den Cheftrainer, der Kritikfähigkeit wohl nicht als eine seiner Stärken anführt, ergibt sich nun auch eine Chance. Der durchaus breite Kader ermöglicht es, den einen oder anderen Akteur vorübergehend auf die Bank oder Tribüne zu verbannen. Nie wird das Verständnis für jedwede Maßnahme größer sein, als jetzt. Kaum jemand wird dabei ernsthaft erwarten, dass eine grandiose Trendwende innerhalb kürzester Zeit eintritt. Hierbei gilt jedoch dringendst zu beachten, dass ein solches Verständnis gleichzeitig nie geringer ausfallen wird, sollte nichts passieren.

7 Kommentare

  1. Nock-74 sagt:

    Dein Wort in Gottes Ohr! Aber an gravierende Umstellungen unter FODA glaubt auch nicht einmal der letzte verbliebene Optimist!

    • Gernot Ho sagt:

      Franco Foda ist bei den meisten Fans natürlich ebenso angezählt; er wird dieses Mal nicht umhin kommen Änderungen vorzunehmen. Das meinte ich auch mit dem letzten Satz.

    • Nock-74 sagt:

      Du hast den Artikel super geschrieben und ich hab natürlich auch verstanden was du geschrieben hast, deshalb meinte ich ja „Dein Wort in Gottes Ohr!“ 🙂

  2. sks1909 sagt:

    Sehr guter Artikel – 100% agree ! Die Grundlagen und Basis einer jeden Mannschaft (vor allem wenn es gar nicht lauft), die fehlen komplett !!! Mit „kämpfen“ verstehe ich das bedingungslose attackieren, mal reinrutschen, tacklen, die Zuschauer im Stadion mitreissen..das kann man IMMER erwarten..diese Herren sind sich am Feld zu fein für das..ich meine bitte nicht, dass das ein neuer Spielstil werden soll, aber das kann wieder viel Selbstvertrauen geben, wenn man richtig kämpft..wie man bei unseren Heimspielen sieht, ist das wirklich unerträglich – keine dieser Tugenden wird nur annähernd umgesetzt…viel zitierte Wörter dau sind Begleitservice, Traben, lustloses Auftreten..warum echtes Kämpfen nicht möglich ist in dieser Truppe, ist mir bis heute ein Rätsel. Hier nehme ich den Trainer in die Pflicht, dafür zu sorgen..ich hätte schon längst drastische Konsequenzen gesetzt für dieses lustlose Spielen (peinharte Gehaltskürzungen, Tribunenverbannung, uvwm..) ich würde ab sofort vielen Amateurspielern die Chance geben, Sturm Graz am Feld zu „verkörpern“..weil deren Fehler verzeih ich sofort..hauptsache Sturm wird seinem Namen wieder gerecht..denn seit vielen vielen Jahren werden wir unseren Namen eben NICHT mehr gerecht….

  3. brent_everett sagt:

    Die Wahrheit ist: die aktuelle Sturmmannschaft verkörpert überhaupt nicht die ureigenen Eigenschaften von Sturm. Ich würde soweit gehen: die sind gar nicht Sturm. Die haben das vor 2 Wochen bewiesen, als der Sturmanhang Banner mit „Wir wollen Sturm sehen“ hergezeigt haben. Da hatten es die Herrschaften nicht für Wert empfunden, sich von den Fans zu verabschieden. Offenbar um zu unterstreichen, dass sie gar nicht Sturm sind. Fans werden als Claqueure gesehen, die ihr Ticket zu löhnen haben, zu jubeln haben u sonst die Goschn halten sollen. Sturm fühlt sich derzeit so „gaklig“ an. Ich finde: zieht doch gleich rote Dressen an, wenn ihr nicht Sturm seid.

  4. wama sagt:

    Wunderbar geschrieben, Gernot, bin ganz bei dir, die Chance auf positive Veränderung wäre nun absolut gegeben.
    Wenn man jetzt bei allen Verantwortlichen im Verein nicht erkennt was zu tun ist, die Dinge nicht klar beim Namen nennt, keine Reaktionen und Maßnahmen setzt, Ziele nicht neu definiert, dann bewahrheitet sich relativ bald, was unsere Nordkurve ja schon länger propagiert – dann sind sämtliche Verantwortungsträger im Verein ernsthaft zu hinterfragen, dann liegt Ihnen wohl nicht ernsthaft etwas an Sturm Graz, geht es Ihnen weiterhin bloß um Machterhalt und Eitelkeiten.
    Meine Hoffnung als Fan lebt noch, obwohl ich dieses ständige Auf und Ab der letzten Jahre eigentlich mehr als satt habe, seit Jahren keine konstante sportliche und wirtschaftliche Weiterentwicklung erkennbar ist, mit Betonung auf konstante.
    Vielleicht sollte man ganz drastisch die Saisonziele bereits jetzt zwecks Zeitgewinn auf Klassenerhalt zurückfahren, den Präsidenten, den Geschäftsführer Sport, den Cheftrainer durch Leute ersetzen, die tatsächlich Ahnung und Erfahrung bezüglich modernen Fußballs haben, nicht so wie derzeit miteinander und allen lokalen Medien verhabert sind.
    Zeitgewinn deshalb, weil ein totaler Umbruch innerhalb des Vereins natürlich nicht von heute auf morgen gehen kann, Statuten, Verträge eingehalten werden müssen, entsprechende Nachfolger in allen Bereichen nicht wie Schwammerln aus dem Boden schießen, Zeit, Geld und reifliche Überlegung bräuchten, um sich einen Verein in der Größenordung Sturms „anzutun“.
    Realistisch gesehen wird sich wohl in der Ära Jauk nichts Gravierendes mehr ändern, eventuell aber nach seiner Zeit, die ja nach der nächsten GV zu Ende sein könnte – ist die nicht im Frühjahr?
    „Ich will Euch kämpfen sehen“, und zwar alle Verantwortlichen im Verein!!!! Es warat wegen Sturm Graz!!!!

  5. 12terMann sagt:

    „Der wahre Charakter eines Spielers zeigt sich, wenn er nicht spielt.“
    (Julian Schuster)

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