Euphoriebremse

Aufbruchstimmung ja, Illusionen nein – ein Meinungsartikel

„Wenn man sich die Punkteanzahl ansieht, könnte es sein, dass plötzlich irgendwann einmal Sturm auf dem ersten Platz steht. Es ist wirklich sehr viel möglich“, meinte Alfred Tatar im Rahmen der Sendung Dein Verein in Bezug auf die Prognosen des SK Sturm. Nun gut, der Sky-Experte ist für seine mutigen Vorhersagen bekannt, allzu treffsicher präsentiert er sich dabei aber meist nicht. Wenngleich es wünschenswert wäre, dass Tatar in diesem Fall doch Recht behält, so scheint das Erreichen der Tabellenspitze  für die Blackys in dieser Saison bei genauerem Hinsehen doch ziemlich unwahrscheinlich. Zwar halten die Grazer bei mittlerweile vier Siegen in Folge, rein spielerisch gesehen präsentierte sich die Elf von Christian Ilzer in der Mehrzahl der Spiele aber noch lange nicht auf dem Niveau, das es braucht, um mit den Topteams der Liga dauerhaft mitzuhalten. Zugegeben: Beim sensationellen 3:1-Auswärtserfolg gegen Serienmeister RB Salzburg sah man eine Leistung, auf die die Fans wohl seit dem ÖFB-Cup-Finale gegen die Bullen vor mehr als zwei Jahren gehofft und gewartet hatten. In den darauffolgenden beiden Begegnungen gegen Wacker Innsbruck und die WSG Tirol präsentierte sich Sturm – wohl auch aufgrund des mehr als mangelhaften Untergrunds – trotz zweier 1:0-Siege dann aber wieder in alter, nicht ganz so überzeugender Form. Und auch beim schlussendlich klaren 4:0-Erfolg bei der Wiener Austria täuschte das Ergebnis über die großteils maue spielerische Darbietung hinweg.

Nein, dieser Artikel dient nicht dazu, die Entwicklung des SK Sturm schlechtzureden. Seit einer gefühlten Ewigkeit ist in Graz wieder ein klares Konzept zu erkennen, die Spieler kämpfen und kratzen um jeden Ball und insbesondere die Defensive erledigt ihre Aufgaben mehr als nur gut. Kurzum: Auf den gezeigten Leistungen lässt sich definitiv aufbauen. Allerdings sollte man die Lage nach neun Bundesliga-Spielen auch realistisch einschätzen. Sturm schiebt derzeit einen Lauf, der beflügelt vom Salzburg-Spiel nun schon mehrere Wochen anhält und die Grazer bei einem Spiel weniger bis auf fünf Punkte an die Tabellenspitze herangebracht hat. Ob dieses Laufes allerdings von einem möglichen Kandidaten auf Platz eins zu sprechen, entspricht definitiv (noch) nicht der Leistungsstärke der Blackys. Zumindest RB Salzburg, der LASK und auch Rapid Wien sind nicht nur aufgrund der aktuellen Tabellensituation über die Grazer zu stellen.

Die Fans können die derzeitigen Erfolge leider nicht im Stadion verfolgen / © Martin Hirtenfellner Fotografie

Es braucht Zeit, um den von Ilzer gewünschten Fußball auf den Platz zu bringen. Beim schnellen, vertikalen Spiel nach vorne besteht mit Sicherheit noch einiges an Verbesserungsspielraum, zudem operiert Sturm insbesondere bei knappen Spielständen häufig mit hohen Bällen – eine Sache, die Ilzer und sein Trainerteam eigentlich abstellen wollten. Doch heuer – und das ist anders als bei den zahlreichen Ankündigungen eines Neustarts in den vergangenen Jahren – wird dem Trainer von Seiten des Vereins Zeit gegeben. Alle Verantwortlichen betonen fast schon gebetsmühlenartig, dass nun auf einen langfristigen Plan gesetzt werde und alle Aspekte des Spiels noch stark verbessert werden können. Der aktuelle Erfolg sei zwar schön, davon blenden lassen wolle man sich aber nicht. „Ich glaube, dass wir jetzt gerade über den Erwartungen unterwegs sind“, wusste Ilzer daher auch nach dem Sieg in Wien-Favoriten. Der im Sommer beschrittene Weg soll nun konsequent weitergangen werden. Gut so.

Einem Kampf um die Meisterschaft erteilte Ilzer indes eine klare Absage: „Vom Titel brauchen wir gar nicht zu reden, da sind wir weit weg, da klafft auch nach Punkten noch eine Lücke nach ganz oben.“ Der 43-Jährige weiß, dass seine Mannschaft derzeit noch nicht dazu in der Lage ist, die Ligaspitze anzugreifen – auch einigen Fans würde eine ähnlich realistische Einschätzung und ein Tritt auf die Euphoriebremse gut tun. Die Aufbruchstimmung ist nicht nur wegen der aktuellen Ergebnisse, sondern vor allem aufgrund der erkennbaren Entwicklung und des klaren Konzepts verständlich. Illusionen sollte man sich deswegen aber keinen hingeben. 

23 Kommentare

  1. arrai sagt:

    Denke, Platz 4 ist realistisch, Platz 3 ev. dann drinnen, wenn Rapid einen Negativlauf bekommen sollte, mehr aber nicht. Die Top 3 können wir aktuell nur schlagen, wenn wir einen super Tag erwischen, an dem auch Fortuna auf unserer Seite steht, während der Gegner einen schlechten Tag erwischt – à la Salzburg letztens. In unserer Defensive fehlt nicht mehr viel für mehr als Platz 4, aber in der Offensive sind wir noch sehr weit von einem Topniveau entfernt. Für Ilzers Spielidee fehlt wohl in erster Linie ein Stoßstürmer mit Tiefgang, wie es bspw. ein Edi 2017/18 war oder ein Eze mit Normalgewicht sein kann. So einen wird man wohl in den nächsten Transferperioden zu finden versuchen. Das (Gegen-)Pressing schaffen wir aktuell auch niemals über 90 Mins, haben immer Phasen von 10-20 Minuten, die wir zum Luftholen benötigen – das ist mMn zu lange, um sich unter den Top 3 einzuordnen.
    Also schon noch einiges zu tun, aber ich bin trotzdem sehr guter Dinge – immerhin ist Platz 4 ca. 4 Plätze weiter vorne als das, was ich mir für diese Saison erwartet hätte 🙂

    Ois auf die Schwoazn!

    • arrai sagt:

      *Ois für die Schwoazn!“ sollte es heißen – ja, der letzte Stadionbesuch ist zu lange her 😉

  2. fauli sagt:

    Danke für die Euphoriebremse, denke auch, dass wir derzeit etwas über unserem Niveau spielen bzw. teilweise auch das Glück des Tüchtigen haben. Wennst zum Beispiel gegen WSG verlierst (wäre durchaus realistisch gewesen) kommst leicht mal in einen Abwärststrudel. Hoffentlich nehmen sie den positiven Lauf bis zur Winterpause mit. Bin gespannt, ob es wieder das traditionelle Frühjahrstief kommt. Zumindest gibt es 2021 keine Auftaktniederlage in Mattersburg 🙂
    Platz 3 wäre sensationell, aber dafür müssten Lask oder Rapid einbrechen. Denke eher, dass Rapid einbrechen könnte, obwohl die dann wahrscheinlich zu Siegen gepfiffen werden…
    Dem Spiel von Sturm dürften eher die Gegener im OPO liegen, von dem her hoffe ich auf einen 4. Platz, mehr darf man nach den letzten Saisonen auch nicht verlangen. Und dann konitnuierlich weiterarbeiten, aber ich denke da sind wir ganz gut aufgestellt

  3. Schworza99 sagt:

    Wir haben gerade einen Mega-Umbruch hinter uns…da brauchen wir nicht von Titeln reden. Aber klar ist auch: Man sieht wie das Pflänzchen wächst. Man stelle sich vor wie wir spielen würden hätten wir ganz vorne einen Killer drin stehen…

    Top 6 werden wir wohl schaffen…sensationell nach den letzten Jahren. Und das in Jahr 1.
    Top 5 würde ich mir erwarten im zweiten und Top 4 im letzten des Drei-Jahres Plans.

    Es herrscht keine Euphorie aber von die Erwartungen sind halt von 0 gekommen.

  4. black_aficionado sagt:

    Alles im Prinzip richtig, es werden auch wieder andere Wochen auf uns zukommen und da heißts zusammenstehen und klaren Kopf behalten. Einzig, ein kleiner Schönheitsfehler hat sich für meinen Geschmack dennoch eingeschlichen: Warum sollten die Grünlinge über die Unsrigen zu stellen sein? Vor allem spielerisch (und darum geht es ja eigentlich)? Seit der Giftzwerg dort am werkeln ist punkten die zwar wieder ordentlich, aber spielerisch ist das für mein Dafürhalten bei weitem nicht überzeugend und/oder nachhaltig was in Westwien produziert wird und es braucht wahrlich keinen heroische Glanzleistung um diese Mannschaft zu biegen!

    • Chris1909 sagt:

      Genau so sehe ich das auch, was unsere Grünen Freunde aus Wien betrifft.
      Aber ok, das war schon immer so, dass der Ruf von Rapid meistens besser war als deren Spiel als „Medienklub“.
      Im September wären sie auch fällig gewesen. Aber da konnten sie leider noch den Kopf aus der Schlinge ziehen.
      Was unsere Schwoazen betrifft: Finde auch, dass man jetzt nicht vom Meistertitel träumen sollte. Das waren meistens sehr enge Spiele in letzter Zeit, wo man genau so verlieren hätte können (zB gegen die Tiroler Teams oder auch gegen die Austria ohne Ausschluss). Wobei das andererseits vielleicht auch wieder von Qualität zeugt, wenn man in engen Duellen als Sieger vom Platz geht.
      Im Großen und Ganzen kann und muss man auch zufrieden sein, wie es derzeit läuft. Es wird definitiv gute Arbeit geleistet.

    • neubeginn sagt:

      Rapid tut sich mit Dauerangriffen schwer.
      Deren Defensive lebt von der Entlastung durch die Offensive.
      Gegen dominanten unbändigen Willen zerbröckeln sie – Tirol(die Sturm knapp bezwungen haben).

  5. rio sagt:

    Spielen wir mies und dümpeln in den Niederungen der Tabelle, wird sich mit Sicherheit ein „Experte“ finden, der da Positives sieht und Durchhalteparolen hinausschreit. Läuft es und Euphorie (nach Jahren!) kehrt ein, melden sich eben „Experte“, die das Haar in der Suppe finden und mahnend vor zu großen Erwartungen den Zeigefinger erheben.
    Mag ja sein, dass dem „Durchschnittsfan“ ein gewisses Denkvermögen abgesprochen werden kann, nur die richtige Einschätzung, guter oder schlechter Fußball, ist jedem gegeben. Konnte nirgends hören oder lesen, dass von Meistertitel, CL oder Cup-Sieg geträumt werden würde. Die Freude über eine funktionierende Mannschaft, entsprechenden Erfolg und Weiterentwicklung ist unbestritten da, aber es ist jedem bewusst, dass es noch ein langer, langer Weg wird, wieder einmal an Titel zu denken. Und das ist gut so, wer will schon Coronameister geworden sein, ohne ein einziges Spiel sein Mannschaft live gesehen zu haben?

  6. fid82 sagt:

    Die Top 4 sind evtl drin. Das ist aber schon ein hohes Ziel.
    Wir punkten aktuell über den Möglichkeiten.
    Jetzt gegen die Admira und SKN sind 4 Punkte fast schon zu erwarten.
    Wenn der WAC einen Lauf bekommt ist dort auch viel möglich. Ebenso bei der maroden Austria.
    Wenn dort die Jungen weiter gut performen und die Alten Mail, Sattler, Grünwalder, Sax, Monschein in Form kommen, können auch die gefährlich werden.
    Bei uns hoffe ich für nächstes Jahr auf wenig Veränderungen.
    Der Kader ist gerade defensiv jung und stark.

    Abgänge: Nemeth, Eze, Friesi/Balaj

    Zugänge: Ljubicic (SKN), Djuricin, Krienzer

    Hierländer und Jantscher verlängern, Lema, Amoah, Giuliani nochmal verleihen.

    Die sollte möglich sein. Auch finanziell dürfte es billiger als aktuell sein!

    • fauli sagt:

      Zusätzlich zu Djuricin sollten wir unbedingt Avdijaj holen 😉

    • Neukirchner sagt:

      Zusätzlich zu Djuricin und Avdijaj sollten wir aber auch Madl, Offenbacher, Burgstaller, Jelani Smith und Pepe Giannini holen.

    • Ipick sagt:

      Zusätzlich zu Djuricin , Avdijaj, Madl, Offenbacher, Burgstaller, Jelani Smith, Pepe Giannini aber auch Pavlovic, Schloffer, Zulechner, Schubert und Chabbi.

    • neubeginn sagt:

      Da Friese und balaj werden noch zeigen, was in ihnen steckt..
      Alsbald sie dies voll verinnerlicht haben, sind sie noch um einen Tick besser.
      Reaktionsschnelle durch volle Entschlossenheit den Moment erwischen, da man danach lauert..
      Hungrig mutig voller Schuss..
      Bei guten tormännern mit mehr Risiko Tore erzwingen..
      Die blühen gerade auf und spüren, dass es sich auszahlt und RBS hat nun schon zweimal gezeigt, dass Spiele durch löwenherzen entschieden werden..
      Dominanter glaube an den Weg und Sturm marschiert..
      Ich sehe eine Dampfwalze entstehen, die auf Tore aus ist..
      Bis zum opo gibt es noch viele geile neue Angriffe zu bewundern.

    • ds1909 sagt:

      Zusätzlich zu Djuricin und Avdijaj sollten wir Madl, Offenbacher, Burgstaller, Jelani Smith, Pepe Giannini, Pavlovic, Schloffer, Zulechner, Schubert, Chabbi, aber auch einen Taisuke Akiyoshi, Heinz Weber, Tomislav Barbaric und Mehdi Pashazadeh holen.

    • jorge72 sagt:

      Zusätzlich zu Djuricin und Avdijaj sollten wir Madl, Offenbacher, Burgstaller, Jelani Smith, Pepe Giannini, Pavlovic, Schloffer, Zulechner, Schubert, Chabbi, aber auch einen Taisuke Akiyoshi, Heinz Weber, Tomislav Barbaric , Mehdi Pashazadeh, reinmayr, haas und vastic holen.

  7. bianco nero tifoso sagt:

    Ana hot immer das Bummerl, ana muss immer verliern.

  8. Duddy sagt:

    Als Fan darfst unrealistische Träume haben, es Team muss realistisch sein

  9. Goe sagt:

    Pro Euphoriebremse – sehr guter Artikel, danke dafür! Zu Tatar verliere ich kein Wort! Super zu sehen was eigentlich geht wenn es spielerisch teilweise nicht läuft aber jeder um jeden Zentimeter fightet, ABER @Vereinsverantwortliche: jetzt bekommt das neue Trainer die Zeit die Ihr schon des Öfteren gepredigt habt…weil Punkte geholt werden! Ich kann mir gut vorstellen was wäre wenn wir die „Dreckspartien“ verloren hätten…und davon hatten wir dann doch einige
    Und ob wir wirklich von Entwicklung reden können werden wir erst in ein paar Monaten sehen, bislang läuft für mich einfach noch zuviel über Kampf/Motivation. Und das täuscht! Aber wir werden es sehen…OIS FÜR DIE SCHWOAZN! ⚫⚪

  10. Arch Stanton sagt:

    Es ist schön, wieder solche Artikel und Kommentare lesen zu können. Scheint, als seien wir auf dem richtigen Weg.
    Was mir noch fehlt, ist ein diskretes Nachmittagsräuscherl im vollen Stadion und die Expertenrunden danach..

    • Neukirchner sagt:

      Expertenrunde

      Am besten mit einem Bienenbierexperten, einen Politkünstler, einen gediegenen Römscherl und dem vollfetten OFEK

    • Arch Stanton sagt:

      Nicht zu vergessen ein beleibter Tschetschene, ein berufsjugendlicher Althooligan, ein kichernder Kochphilosoph und ein wandelndes Sportlexikon..

    • Neukirchner sagt:

      Und als Hintergrundmusik „Hollywood“ von den Orange Baboons oder OFEK’s „Worst of Musichistory-CD“

    • Bernhard Pukl sagt:

      Damit bist du nicht alleine!

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