Sara Telek: „Es freut mich riesig, dass ich einen Fußabdruck hinterlassen kann“
Rund einen Monat ist es her, dass Sara Telek ihren Premierenauftritt als erste österreichische Schiedsrichterassistentin an der Seitenlinie in der Österreichischen Fußball-Bundesliga hatte. Im großen SturmNetz-Interview erzählt sie, wie sie überhaupt zum Schiedsrichterwesen gekommen ist, welche Bedeutung das Wort „unauffällig“ für sie hat und welche Tools es für Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter in der Zeit von Homeoffice gibt, um sich mental fit zu halten.

Nach 24 Einsätzen in der 2. Liga gab Sara Telek nun ihr Debüt als Schiedsrichterassistentin in der österreichischen Bundesliga | © Martin Hirtenfellner – Fotografie
Danke für die Gelegenheit, dass wir unser Interview online abhalten. Beginnen wir mit einer der derzeit wohl am häufigsten gestellten Fragen: Wie geht’s dir in diesen Tagen?
Mir geht es den Umständen entsprechend gut und ich versuche, das Beste daraus zu machen. Aber es sind natürlich drastische Maßnahmen, es ist eine große Umstellung. Die Nachrichten aus dem In- und Ausland sind extrem und bringen einen zum Nachdenken. Spaß und Leichtigkeit rücken da ein wenig in den Hintergrund. Trotzdem meine ich, dass Humor wichtig ist – gerade in schwierigen Zeiten.
Wie hältst du dich persönlich fit?
Da momentan kein totales Ausgangsverbot herrscht und die Einschränkungen gelegentliche Lauf- und Sprinteinheiten im Freien erlauben, nutze ich diese Möglichkeit. Aktuell trainiere ich meistens in den Abendstunden, zu den Zeiten ist kaum etwas los. Zusätzlich führe ich meine Indoor-Trainingspläne von der Winterpause weiter. Was natürlich fehlt, sind die Fußballspiele sowie die gemeinsamen Trainingseinheiten am Stützpunkt. Mal schauen, wie lang das noch anhalten wird.
Gibt es vom ÖFB irgendwelche Vorgaben?
Nach der Benachrichtigung über die Spielabsagen von Seiten des ÖFB und der UEFA haben wir Updates über die weitere Vorgangsweise erhalten. Da verschiedene Seminare, Leistungsüberprüfungen sowie auch die VAR-Schulung entfallen sind und verschoben werden müssen, haben wir Vorbereitungs-Inputs in Form von Regel- und Videotests erhalten, um uns mental fit zu halten. Zum Beispiel gibt es Videoszenen zum Ausarbeiten, die wir entscheiden, bewerten und begründen müssen. Das ist ein guter Schritt, um sich nicht zu sehr von der Materie zu distanzieren. Zudem wird uns geraten, die Zeit für die Theorie zu nutzen und Regelbücher oder das VAR-Handbuch erneut durchzulesen. Die Möglichkeit, Regeltests zu machen, gibt’s übrigens für alle Interessierten, die gerade Zeit haben und Langeweile verspüren auf www.schiri.at.
Wie bist du zum Schiedsrichterwesen gekommen?
Ich habe selbst Fußball gespielt. Der Sport hat bei mir eine zentrale Rolle eingenommen und so eine Leidenschaft entfacht, dass ich meine Fußball-Kenntnisse erweitern und mehr über die Theorie erfahren und erlernen wollte. Zufällig habe ich dann die damalige Schiedsrichter-Werbekampagne „Karriere mit Pfiff“ entdeckt und mich kurzerhand für den Schiedsrichterkurs angemeldet. Dieser ging über mehrere Wochen. Nach den absolvierten Modulen erfolgte ein Abschluss- und Lauftest. Danach ist man erstmal im Nachwuchsbereich im Einsatz. Mein ursprünglicher Plan war es jedoch nicht, Schiedsrichterin zu werden, sondern eben nur das Wissen über die Theorie zu erlernen. Damals habe ich noch gar nicht begriffen, welche Möglichkeiten und Ziele es im Schiedsrichterbereich gibt und welche Erfolgswege eingeschlagen werden können.
Welche Unterschiede gibt es zwischen Schiedsrichter und Assistenten?
Der Schiedsrichter leitet das Spiel und trägt die Letztverantwortung. Durch die Unterstützung der Assistenten wird ihm eine bessere Spielleitung gewährleistet, speziell bei der Abseitsbeurteilung. Auch Foulsituationen können aus mehreren Blickwinkeln besser wahrgenommen werden.
Was ist deine Präferenz?
Es hat beides seine Reize. Nach Absolvierung des Schiedsrichterkurses in Österreich erlernt man beides. Will man den Sprung in die Elite schaffen, muss man sich entscheiden, auf welche Tätigkeit man seinen Fokus legt.
Am Anfang war es bei mir jedenfalls so, dass ich Schiedsrichterin werden wollte. Als ich mich entscheiden musste, wurde mir der Ratschlag gegeben, den Weg als Assistentin einzuschlagen, da hier das Potential gesehen wurde, dass ich mehr erreichen könnte. Also entschied ich mich für die Assistentenschiene. Mittlerweile bin ich froh und dankbar über diese Entscheidung. Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob ich lieber Schiedsrichterin wäre. Ich bin zufrieden, so wie es ist.
Bis zur Regionalliga Ost bin ich nach wie vor auch als Schiedsrichterin tätig. Das ist hilfreich, um sich als Assistentin in bestimmten Situationen in den Schiedsrichter hinein zu versetzen und ihn besser unterstützen zu können.
Das Assistieren macht mir extrem viel Spaß. Es ist eine eigene Herausforderung, gerade was die Genauigkeit der Abseitsbeurteilung betrifft, die jedenfalls nicht zu unterschätzen ist. Herausfordernd ist auch die Teamarbeit mit dem jeweiligen Schiedsrichter.
Als Schiedsrichterin ist man komplett in der Verantwortung und man ist die zentrale Person für den Spielablauf und die Spielleitung. Als Assistentin ist man weniger im Fokus. Das kann angenehm sein, weil es den Druck von einem nimmt. Vielleicht ist im Vergleich zum Schiedsrichter dadurch die Anspannung etwas geringer.

Telek war auch schon als Spielleitung bei den Sturm Graz Damen im Einsatz. Spiele der Herren könnten bald folgen. | © Martin Hirtenfellner – Fotografie
Du hast ein sehr erfolgreiches Jahr hinter dir. Im Februar 2019 hast du deinen ersten Einsatz als Assistentin in der 2. Liga gehabt und ein Jahr später hast du in der Bundesliga als Linienrichterin debütiert. (Anm. d. Red.: 20. Spieltag, WSG Wattens – WAC) Wie war dieses Jahr für dich?
Erfolgreich. Da ich so lange dafür gekämpft habe und so viele Jahre an Arbeit und Leistung investiert habe, ist es umso erfreulicher, dass es jetzt so erfolgreich läuft. Wenn man auf die vielen Jahre zurückblickt, wie lange ich auf dieses Ziel hingearbeitet habe und dann plötzlich ist es da, dann wirkt das im Vergleich irgendwie schnell. Jedenfalls ist es erfreulich, weil man merkt, dass sich die harte Arbeit ausgezahlt hat.
Die APA schreibt über deinen Einsatz und ich zitiere: „Die 31-Jährige, die unterhalb der Bundesliga bereits zahlreiche Männerspiele als Referee geleitet hat, agierte unauffällig. Sie konnte mit ihrem Premierenauftritt durchaus zufrieden sein.“ Wie siehst du rückwirkend deinen Auftritt?
Das ist schön zu hören. „Unauffällig“ lässt oft Interpretationsspielraum, ob positiv oder negativ gemeint, aber gerade im Schiedsrichterbereich ist es ein positives Feedback. Als Schiedsrichterin lernst du früh: Die beste Kritik ist oft keine Kritik. Ich war mit meinem Debüt jedenfalls sehr zufrieden, war auf eine positive Art aufgeregt und habe mich einfach extrem gefreut über den gelungenen Einstieg.
Wie fühlst du dich als erste österreichische Schiedsrichterassistentin?
Es ist besonders, diese Vorreiterrolle einnehmen zu dürfen. Anfangs war mir das gar nicht so bewusst, da ich ja tagtäglich am Fußballfeld bin. Dieses Umfeld und diese Tätigkeiten sind für mich normal, anders natürlich für Außenstehende. Es freut mich, einen Fußabdruck zu hinterlassen und ich hoffe, dadurch andere junge Menschen zu ermutigen. Es gibt wenige, die Schiedsrichterin oder Schiedsrichter werden wollen, da es für viele als außergewöhnliche und undankbare Aufgabe erscheint. Bei vielen ist das Schiedsrichterwesen nicht sehr positiv behaftet, die Figur des Spielleiters eine Randerscheinung und oft unbeliebte Rolle. Aber vielleicht wird Interesse geweckt, den Schritt als Schiedsrichter auszuprobieren und den Blickwinkel zu erweitern.
Ohne Coronavirus und den gesetzten Maßnahmen: Wie wäre es bei dir weitergegangen?
Gerade heuer, wo aus sportlicher Sicht alles so erfolgreich lief, ist es ein besonderer Dämpfer. Im Frühjahr wären noch zwei internationale Einsätze angestanden. Aber mal schauen, sofern sich alles wieder einpendelt, werden die Spiele vielleicht schon im Sommer oder Herbst auf irgendeine Art und Weise nachgespielt. Und auch in Österreich wird die Liga früher oder später wieder loslegen. Es ist natürlich schade, aber nüchtern betrachtet ist der sportliche Erfolg aktuell irrelevant. Andere Bereiche im Leben haben jetzt Priorität.
Hast du ein bestimmtes Idol?
Ausgelöst hat meine Fußballleidenschaft die brasilianische Nationalmannschaft im Jahr 2002. Ihre Spielweise war inspirierend und ich begann mich für den Sport zu interessieren. Ronaldo war damals der Auslöser, warum ich anfing Fußball zu spielen. Ab da nutzte ich jede Möglichkeit mit dem runden Leder. Mittlerweile ist der Ball von Pfeife und Fahne abgelöst worden.
Kannst du mir bitte noch 5 Smileys, die deinen Spieltag beschreiben, zuschicken?
Vielen Dank für das Interview. Hoffentlich sehen wir dich bald an der Seitenlinie in Liebenau im Einsatz.
Anzeige Mobil
Anzeige
RECENT POSTS