Erinnerungen aus der Volksschule

Prägende Momente

(c) SturmNetz.at

In der Volksschule Lannach war der SK Sturm heilig, nicht etwa weil die Lehrerinnen dort besonders fußballverrückt unterrichteten – tatsächlich erinnere ich mich an meine Volksschulzeit ausschließlich gerne zurück – sondern weil dies in einer Gemeinde, in der nur allzu gerne die schwarz-weißen Farben gehisst wurden, nun einmal einfach so war. In der 3a gab es, einmal abgesehen von einem einzelnen halbherzigen Austria Salzburg-Fan (ein Mädchen, das zu der Zeit mein Schwarm war), nur schwarz-weißes Blut – der Stadtrivale verhasst wie die Division im Rechenunterricht und als die liebe Direktorin damals in die Klasse kam, um zu verkünden, dass die Kicker des SK Sturm auf ihrer Tour durch die Steiermark auch in der Turnhalle unserer Volksschule Station machen würden, war an Sachunterricht oder gar Deutsch rein gar nicht mehr zu denken. Ausnahmezustand!

Der damalige Bandenchef verfügte alsbald, das Logo unseres Herzensvereins mit Buntstiften auf ein A3-Blatt zu zeichnen. Weil er selbst der begabteste im Umgang mit den Stiften war, übernahm er dies – mir wurde eine weniger kreative denn stumpfsinnige Arbeit zuteil: Preisbestimmung. Stumpfsinnig deshalb, weil das angestrebte Kunstwerk ohnehin mit keinem Geld der Welt zu bezahlen gewesen wäre. Ich verbrachte die letzte Stunde des Tages – Sachunterricht, wenn ich mich recht erinnere – also damit, kleine Neuner auf ein großes Blatt zu zeichnen. 999 Millionenfantastilliarden Schilling – keine Ahnung. Retrospektiv wollte man mich offenbar einfach beschäftigen und ruhig halten, damit ich mich als minder begabter Zeichner und noch weniger talentierter Fußballer einfach nicht einmischte – Kinder können grausam sein. Das gelang. Ausdauernd kritzelte ich mit der Lupe kaum lesbare Ziffern auf ein Blatt – ein Warnzeichen meines bevorstehenden Wahnsinns der tausenden Kilometer für einen österreichischen Bundesligisten, der tausenden Euro, die ich für diese Leidenschaft schon ausgegeben habe und die unzähligen Stunden, in denen ich vermeintlich Sinnvolleres hätte tun können.

(c) Johann Dietrich – Einer meiner Helden!

Der Tag war gekommen, die großen Idole waren da. Wie eine Gruppe von Statuen aus den Händen Michelangelos, jedoch vollständig bekleidet, erschienen sie. Ein ständiger Lichtstrahl von oben schien sie zu begleiten – orchestrale Hymnen in den Ohren. Ivica Vastic, Hannes Reinmayr und Mario Haas. Sonst die „Pappulatur“ (Dialektwort für Mundwerk) ständig offen, kam mir in diesen prägenden Minuten meiner Kindheit kein Ton aus. Zu groß war die Ehrfurcht, zu groß die Angst, etwas Dummes zu sagen. Im Nachhinein betrachtet eine Eselei, aber welches Kind weiß schon, dass ihm alles immer verziehen und schon gar nichts, was es sagt, auf die Goldwage gelegt wird. Der Tisch, vorne auf der Bühne aufgestellt, wurde zu einem Altar meines Fan-Daseins, meiner einzigen Religion. (An dieser Stelle möchte ich meiner damaligen Religionslehrerin einen lieben Gruß zukommen lassen, sie hat gelehrt, nicht missioniert!)

Dann erzählten die drei Helden. Vom Training, von den Erfolgen, von den Spielen in der Bundesliga, von den internationalen Spielen und mehr. „Eine Frage musst du doch stellen, du Feigling!“ Nicht etwa ein vorlauter Klassenkollege oder eine Lehrerin schleuderte mir diesen Satz entgegen, sondern eine innere Stimme, die fassungslos klang. Fassungslos darüber, dass ich gerade daran scheiterte meinen Idolen eine Frage zu stellen. Der Blick auf die Uhr. Bald würden sie wieder gehen und ich hätte eine Chance verpasst. Ich sah mich um. Schnell, ein Thema, ein Begriff, irgendetwas! Dann sah ich SIE, meinen damaligen Schwarm. Austria Salzburg, Gegner. Und schon schoss mein Arm in die Höhe: MIR WAR EINE FRAGE EINGEFALLEN! Hannes Reinmayr sah mich an! Schock, Herzstillstand, Schluss, aus, Stimme weg. „Bitte“, sagte er locker. „Sch…, jetzt muss ich etwas sagen!“

(c) SturmNetz.at

Reinmayer lachte freundlich. Haas und Vastic sahen ebenfalls zu mir und daneben eine Autogrammkarte des Sonnenkönigs mit Sonnenbrille (der nun seine Fußfessel wieder los ist). Mein Herz schlug fest und ich war mir sicher, dass meine Sitznachbarn auf den Turnmatten es auch hören konnten. „Wer ist Ihr Lieblingsgegner?“

Überrascht von meinem plötzlichen Mut dürfte statt dieser an sich grundsoliden Frage eher Buchstabensuppe über meine Lippen gekommen sein, aber egal. Das Wort „Lieblingsgegner“ war offenbar deutlich genug zu vernehmen. An den genauen Wortlaut von Reinmayrs Antwort kann ich mich nicht erinnern, an den wichtigsten Teil davon jedoch schon: „Austria Salzburg!“

Sofort schweifte mein Blick zu meinem violetten Schwarm – ohje. Böser Blick. Egal! Ich habe meinen Helden eine Frage gestellt. Ein Champions League-Sieg ist ein Häuferl Elend gegen dieses Erfolgserlebnis, ganz sicher.

3 Kommentare

  1. Anonymus sagt:

    lässiger Artikel!

  2. Ennstaler sagt:

    Wann kam der SK Sturm in die VS Lannach? Falls damals noch Heimo Pfeifenberger bei Austria Salzburg spielte, ist es durchaus verständlich, dass Dein Schwarm Fan von Austria Salzburg war; in der Steiermark haben viele Mädchen für Heimo geschwärmt.

    • Bernhard Pukl sagt:

      Ja, damals hat er bei der Austria gespielt. Ob SIE allerdings nur seinetwegen die Farben Weiß und Violett trug, weiß ich nicht mehr.

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