Eine gebrauchte Woche
Selten bin ich in den letzten sieben Monaten so erschöpft ins Bett gefallen wie in diesen letzten Tagen. Es zeichnete sich ab, dass sich der Kulturbetrieb wieder normalisieren könnte. Mehrere Auftritte, Schreibworkshops, ein paar Pläne für gemeinsame Match-Besuche mit Bekannten in unterschiedlichen Bundesländern. All das während einer Länderspielpause, in die man mit einem guten Gefühl startete. Weil der Saisonstart sportlichen Mut machte, weil das Transferfenster ohne schwoaze Ausverkäufe und Horrortransfers schloss, weil nach den Verletzungen unserer jungen Spieler gut reagiert wurde und alles endlich wieder auf Schiene schien …
Und dann flattern einem die schlechten Nachrichten nur so um die Ohren, sodass man sich eigentlich nur noch eingraben möchte in seine Berge von Einwegmasken, selbstgenähten Masken und Maskenreste. Gerade eben hatte man noch Zeit, sich über die idJack-App aufzuregen, die zwar eine Frechheit ist, aber eben auch nur eine Begleiterscheinung unserer modernen Gesellschaft, und plötzlich bricht alles über einem zusammen. Ein Ereignis überschattet in dieser schwarzen Woche alles: Mit Gerald Stockenhuber müssen wir uns schon wieder viel zu früh von einem großen, wichtigen Baustein der jüngeren Vereinsgeschichte verabschieden. Ein Mensch, der in den schlimmsten Zeiten für unseren Verein eingetreten ist. Nur einer von zwei Präsidenten in unserer 111-jährigen Historie, der einen Meisterteller stemmen durfte und nur einer von zwei Meisterpräsidenten, dessen sportlicher Erfolg auf ehrliche, aufrichtige Arbeit fußte. Jetzt ist er gestorben, nach schwerer Krankheit. Ruhe in Frieden, Gerald Stockenhuber und Danke für deine Mühen im Dienste des SK Sturm Graz.
Aber die letzten sieben Tage waren noch nicht fertig mit dieser Nachricht. Die Gegenwartsbewältigung fiel schon schwer genug, aber auch der Ausblick sollte vermiest werden. Denn während der pragmatische Foda-Kick des Nationalteams, das eigentlich einen richtig geilen Fußball spielen könnte, einem beim Gähnen fast den Kiefer ausrenkte, stolperte unser georgischer Messi nach nur sieben Minuten im letzten Länderspiel vom Feld. Stoßgebete wurden in den Himmel geschickt, aber wieder nicht erhört – es gibt keinen Gott, es gibt nur einen Verletzungsteufel. Auch Otar Kiteishvili fällt für die nächsten Runden aus. Nach Trummer und Geyrhofer ist das nun der schlimmste Rückschlag für unser junges Team.
Während ich diese Zeilen nun anstelle eines abgesagten Auftritts im Ruhrpott-Risikogebiet abtippe und hoffe, dass sich der Frühling nicht wiederholt und ich mich auf weitere Rückschläge einstelle, versuche ich auch das Positive mitzunehmen: Die Hoffnung, dass Dardan Shabanhaxhaj und Sebastian Zettl in diesen Wochen größere Chancen bekommen und vielleicht sogar nutzen. (Bitte werdet die geilen Kicker, die ihr sein könntet!) Die Hoffnung, dass die Ilzer-Taktik schon so weit im Team internalisiert wurde, dass es auch ohne Ota-Messi Spaß macht, der Truppe im Ballbesitz zuzusehen. Die Hoffnung, dass der Jantscher seine Überform von St. Pölten konservieren konnte. Die Hoffnung, dass der Friesen-Kevin den Balaj endlich zur Höchstleistung pusht. Die Hoffnung, dass sich der Kapitän fußballerisch stabilisiert, damit der Ljubic den Laden nicht alleine im Zentrum zusammenhalten muss und die Hoffnung, dass diese Saison fertiggespielt werden kann. Es ist so spannend. Es bleibt so spannend…
Denn Gott bewahre – ich werde wieder viiiel Zeit haben, Fußball zu schauen, nachdem der Kulturbetrieb wohl das Nachsehen haben wird. Und nehmt mir nicht den Fußball … im Ruhrgebiet gibt es im Moment ja sonst nichts zu tun. Bitte zieht euch brav die Lappen ins Gesicht, haltet Abstand und unterstützt eure lokalen Vereine, Betriebe und Künstlerinnen und Künstler. Rückt metaphorisch enger zusammen, aber haltet Abstand. Wir kommen da gemeinsam durch. Und dann kommt unser 10er auch bald wieder!
Was muss eigentlich passieren, um dieses enorm tiefsitzende Trauma zu überwinden?
Ich wäre echt dafür, einen kassenfinanzierten Therapieplatz zur Aufarbeitung zur Verfügung zu stellen. Vielleicht könnte der Therapeut auch eine einschlägige Fussballausbildung genossen haben, dann könnte man das mit der Legende, dass der Teamchef mit allen Mitteln verhindert, dass die eh so genialen Kicker „geilen Fussball“ spielen, auch gleich mitaufräumen?
Darf man fragen, wie alt der Autor ist? U 10? Dann wäre es ja ok. Ansonsten:
„I Can’t Believe I Read That „