Ein Weltpokalsieger zu Gast in Graz
Die Schwoazen in Europa! Wir möchten euch hiermit eine neue/alte Rubrik präsentieren, die in den letzten Jahren so gut wie nie bedient werden konnte, da unser geliebter SK Sturm selten auf der internationalen Bühne vertreten war. In diesem Jahr ist jedoch alles anders und die Schwarz-Weißen haben mindestens acht Spiele auf dem großen Parkett. Aufgrund dessen haben wir beschlossen, unserer Leserschaft die verschiedenen Kontrahenten näherzubringen, ihre Historie zu beleuchten und auf verschiedene Anekdoten, sowie den derzeitigen Kader einzugehen. Die heutige Gegnervorstellung dient sozusagen als Vorläufer für die noch ausstehenden und soll ein kleiner Vorgeschmack sein. Den Anfang macht der serbische Rekordmeister: Crvena Zvezda, zu deutsch Roter Stern Belgrad.
Die Entstehungsgeschichte ist keine einfache. Als Gründungsdatum gilt der vierte März 1945, doch in Fankreisen wird darüber kontrovers diskutiert. Diese Tatsache liegt darin begründet, dass man den SK Jugoslavija (beziehungsweise SK Velika Srbija) als Vorgängerverein bezeichnen könnte. Dieser wurde jedoch von den kommunistischen Behörden des Marschalls Tito aufgelöst und enteignet. Kurz danach gründete sich Roter Stern und trat die Nachfolge des überaus populären und beliebten Vereins an. Man übernahm einen Großteil der Spieler, das Vereinsgelände und das Stadion, sogar das Wappen und die Clubfarben ähneln jenen des SK Jugoslavija. Roter Stern selbst betrachtet sich jedoch nicht als Nachfolgerverein, obwohl zahlreiche Fans das so sehen und deshalb über ein neues Gründungsdatum diskutiert wird.
Der Verein war von Beginn an unfassbar erfolgreich, im Gründungsjahr spielte man 36 Partien, von denen man lediglich eine verlor und zwar gegen die rumänische Nationalmannschaft. Der Klub erlebte einen kometenhaften Aufstieg und wurde schnell zu einer sportlichen Institution in Jugoslawien. In der ersten Saison gewann man die serbische Meisterschaft und war somit berechtigt in die jugoslawische Liga aufzusteigen. Dort kämpfte man von Beginn an um die Meisterschaft und schon sechs Jahre nach der Gründung konnte man diese zum ersten Mal erringen. Auch auf der internationalen Bühne wusste man zu überzeugen und scheiterte in der Saison 1956/57 im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister nur knapp an der Fiorentina (0-1, 0-0). Ein Jahr später unterlag man im Viertelfinale den legendären Busby Babes von Manchester United mit einem Gesamtscore von vier zu fünf. Es ist jene Mannschaft, die auf dem Rückflug von Belgrad nach München sieben seiner Spieler verlor, zwei mussten aufgrund von schweren Verletzungen ihre Karriere beenden. Zudem kamen von den 44 Passagieren 23 um ihr Leben.
Anfang der 60er Jahre sollte der Erfolg abklingen, zumindest auf nationaler Ebene, die Dominanz strahlte nun der größte Rivale, Partizan Belgrad aus. International konnte man jedoch Achtungserfolge verbuchen und mit der Eröffnung des neuen Stadions im Jahr 1963 sorgte man auch wieder in der heimischen Meisterschaft für Furore. Das heutige Rajko Mitic Stadion (benannt nach einem legendären Stürmer der Serben), wird auch als Marakana Belgrads bezeichnet, angelehnt an das Maracana Stadion in Rio de Janeiro. Beide sind Sportstätten, die auf eine unfassbar lange Historie zurückblicken können, wobei man sagen kann, dass sie sich stimmungstechnisch wenig nehmen. Speziell bei Spielen auf internationaler Ebene oder gegen den Stadtrivalen Partizan Belgrad mutiert das Stadion zu einer Art roten Hölle für die gegnerische Mannschaft. Weltweit gibt es wohl nur ganz wenige Vereine, die von so einer großen und lautstarken Anhängerschaft unterstützt werden.
Miljan Miljanic übernahm im Jahr 1966 das Traineramt und reformierte den Klub, er stellte sicher, dass die Serben nun zu der absoluten Elite des europäischen Fußballs gehörten. Weltklassespieler wie Dragan Dzajic führten die Truppe in diverse Viertelfinal- und Habfinalspiele der größten europäischen Wettbewerbe. Dabei konnte man in der Saison 1973/74 sogar den großen FC Liverpool eliminieren und das in äußerst überzeugender Manier, denn man gewann an der Anfield Road mit zwei zu null. Das gelang im 20. Jahrhundert nur zwei Vereinen, eben Roter Stern und Ferencvaros Budapest. Nachdem man in der Saison 1974/75 im Viertelfinale des Europapokals der Cupsieger sensationell Real Madrid eliminierte, warteten eben erwähnte Ungarn im Halbfinale. Vor einer Rekordkulisse von 110.000 Zuschauern im Marakana unterlag man abermals im Halbfinale und der Traum vom ersten Finale blieb aus.
Dieses erreichten die Belgrader schlussendlich in der Saison 1978/79 im UEFA Pokal, dort besiegte Roter Stern unter anderem Hertha BSC, West Bromwich und den FC Arsenal. Im Finale wartete die berüchtigte Fohlen-Elf von Borussia Mönchengladbach, die zwischen 1973 und 1980 in insgesamt fünf europäischen Finalspielen stand. Dieser Startruppe trotzte Roter Stern vor 90.000 Zuschauern ein beachtliches eins zu eins vor eigenem Publikum ab. Auswärts unterlag man jedoch nach einem fragwürdigen Elfmeter mit eins zu null. Der ganz große Coup ließ somit weiterhin auf sich warten und man kam in den folgenden Jahren nicht mehr über das Viertelfinale hinaus. Große Spiele gab es trotzdem, beispielsweise als Udo Latteks FC Barcelona in der Saison 1982/83 zu Gast war und Maradona mit einem herrlichen Lupfer das Marakana beeindruckte. Da applaudierten sogar die Fans von Roter Stern, ein Umstand, den es so zuvor noch nie gab und zeigt welch großer Spieler der Argentinier gewesen ist.
1987 wurde eine Konzeptänderung beschlossen, mit dem Ziel am Ende dieses Fünf-Jahresplanes den Europapokal der Landesmeister zu gewinnen. Man fokussierte sich nicht mehr ausschließlich darauf Akteure aus dem eigenen Verein einzusetzen, sondern versuchte die besten Spieler Jugoslawiens für sich zu gewinnen. 1988/89 traf man im Achtelfinale auf Arrigo Sacchis AC Mailand, Akteure wie Prosinecki, Savicevic oder Pancev brachten die späteren Wettbewerbssieger an den Rand einer Niederlage und unterlagen erst im Elfmeterschießen. Eine respektable Leistung gegen Spieler wie Costacurta, Donadoni, Ancelotti, Baresi, Maldini, Rijkaard, Gullit oder Van Basten. 1990 schlossen sich weitere Weltklassespieler wie Mihajlovic und Jugovic den Serben an und in dieser Saison sollte die Zeit endlich reif sein für den Gewinn des ersten internationalen Titels.
Die Startruppe besiegte einige der renommiertesten Klubs Europas, darunter etwa Hitzfelds Grasshoppers, die Glasgow Rangers, Dynamo Dresden, den FC Bayern und im Finale letztendlich Olympique Marseille. Zum ersten und letzten Mal in der Geschichte des Fußballs konnte eine jugoslawische Mannschaft den wichtigsten europäischen Titel gewinnen. Danach brillierten die Serben auch noch im Weltpokal gegen den chilenischen Vertreter. Roter Stern war am Höhepunkt angekommen und von nun an konnte es nur noch bergab gehen. Ein zusätzlicher Faktor, der die Gesamtsituation des Vereines erschwerte, war das Ausbrechen des Jugoslawienkrieges.
In Folge dessen verließen nahezu alle Spieler den Verein und wechselten zu internationalen Topklubs. Dies war der Beginn des Zerfalls von Roter Stern, mit dem Damoklesschwert des Krieges über dem Kopf. Man war weit entfernt von den Leistungen vergangener Jahre und konnte nicht mehr an die damaligen Erfolge anschließen. Die kommenden Jahrzehnte liefen für die Serben alles andere als großartig, im UEFA Cup war man zwar häufig vertreten, jedoch ohne nennenswerte Erfolge. Falsche Vereins- und Transferpolitik stürzten die Belgrader Mitte der 2000er-Jahre in die bisher größte Krise ihres Bestehens. Zwischen 2007 und 2013 konnte keine nationale Meisterschaft gewonnen werden. Erst in den letzten Jahren gelang es ihnen sich zu stabilisieren und als Höhepunkt gilt hier der erstmalige Einzug in die Champions League im Jahr 2018, als man Salzburg in der Qualifikation besiegen konnte.
Roter Stern ist wohl einer der Vereine, die am meisten von der Reformierung des europäischen Fußballs rund um die Champions League gebeutelt sind. Prinzipiell ist der Klub aus Belgrad als einer der einflussreichsten weltweit zu betrachten, doch große Erfolge auf der internationalen Bühne sind für so einen Verein nahezu unmöglich geworden. Ähnlich wie es dies für den SK Sturm ist. Somit muss wohl das Erreichen der Champions-League-Gruppenphase heutzutage schon als historischer Erfolg gesehen werden und das obwohl man über 31 nationale Meisterschaften und 25 Pokalsiege verfügt und man somit der erfolgreichste Verein Jugoslawiens ist. Qualitativ bewegt man sich derzeit wohl auf einem ähnlichen Level wie die österreichischen Topklubs, irgendwo zwischen Salzburg und Rapid kann man die Serben wohl einschätzen. Die Sturmfans dürfen sich auf ein spannendes Testspiel freuen, denn der Kader ist durchaus mit namhaften Spielern gespickt. Zumindest wenn man sich nicht nur die absoluten Topspiele auf europäische Ebene ansieht. Am ehesten ist hier wohl Aleksander Dragovic zu nennen, doch auch Schlussmann Borjan, Stürmer Pavkov oder der Mittelfeldmann Katai sind keine Unbekannten. Man kann also gespannt sein und nur hoffen, dass solche Vereine wie Roter Stern zukünftig wieder zu den ganz großen in Europa gehören.
Toller Artikel, danke dafür!
Finde genau den am Ende angesprochenen Fakt so schlimm, ja teilweise frustrierend, dass heute so getan wird, als ob es gottgegeben wäre, dass die Pyramide im Spitzenfußball derartig spitz ist. Dass nur 5-10 Mannschaften europaweit in der Lage sind, den Nachfolgebewerb des Europapokal der Landesmeister zu gewinnen, müsste nicht so sein, ist aber als direkte Folge der Einführung des Champions-League-Systems in den 90ern und darüber hinaus noch der späteren Verschärfung dieser Entwicklung (4 Clubs aus diversen Ländern fix in der Championsleague…). Vor der Championsleague, vor den 90er Jahren, war es durchaus möglich, dass ein Club wie die genannten Roter Stern, Ferencvaros oder andere wie Steaua Bukarest, Legia Warschau oder Gornik Zabrze (der polnische Gegner von Manchester City bei deren letzten Antreten in einem Europapokalfinale 1970 im Wiener Prater, leider 2:1 für City) in ein Finale eines europäischen Bewerbs vordringen konnten. Heute ist das zumindest in der Championsleague einfach un-un-un-un-undenkbar – leider. Finde, als Fan hat man hier durchaus auch die Aufgabe, in seinem Umfeld zur Bewusstseinsbildung beizutragen und auch mal zu sagen, dass es eben NICHT normal ist, dass sich die großen 10-12 in Europa die Titel untereinander ausmachen. Letztlich liegt das nur an einem System, das auf die Förderung der Großen abzielt. Und wenn das Leben wirklich Traum ist, so träume ich davon, dass wieder Zeiten kommen, in denen wir regelmäßig Europapokalfinali erleben, in denen rumänische, polnische, ungarische, serbische und nicht zuletzt österreichische Mannschaften vertreten sind. Dass solche Finali langweilig wären, stimmt nicht. Sie wären es bloß aktuell, weil es das (UEFA-)System so will.
swg!
Nur zur Info, das Spiel wird heute im ORF Sport+ 20:30 Uhr live übertragen.