Ein Logo – zwei Meinungen
Von Gernot Hofer, Micka Messino, Moritz Lösch, Stefan Wilfing · 18. Januar 2017 10:00
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten, 27 Sekunden

Das neue Vereinslogo von Juventus Turin und ein nicht ganz ernst gemeinter Designvorschlag unsererseits für ein ähnliches Logo für Sturm Graz.
Montag Abend, SturmNetz' interne WhatsApp Gruppe: Juventus Turin präsentierte gerade sein neues Vereinslogo, das lässt natürlich auch SturmNetz nicht kalt. Die Meinungen fallen hier recht eindeutig aus, Juve wird bald zurück rundern müssen, schlimmer gehts nimmer. Jedoch stimmen dieser Meinung auch nicht alle Teammitglieder zu - Anlass genug, um euch ein viel diskutiertes PRO und CONTRA zu liefern.
PRO neues Logo:
Ein Unternehmen manifestiert sich in erster Linie durch den Markennamen, danach durch sein Logo. Es ist der erste optische Reiz und soll dem Konsumenten sofort im Gehirn hängen bleiben, um einen möglichst hohen Wiedererkennungswert zu generieren.
Das ist bei einem Fußballverein natürlich nicht anders.
Juves neues Logo ist italienisches Design par excellence: es ist mutig, elegant und fasst die Tradition des Vereins auf ein Minimum zusammen - schwarz und weiß. Mit zwei Linien, deren Konturen ein Wappen erahnen lassen, wagt ein Traditionsverein den Schritt ins 21. Jahrhundert.
“This new logo is a symbol of the Juventus way of living.” - Andrea Agnelli, Präsident von Juventus Turin
Mit einem neuen Logo löscht der italienische Serienmeister ja nicht gleich seine gesamte Historie eines Vereins aus, man definiert lediglich sein Auftreten neu. Mit diesem Schritt wagt Juventus Turin als erster Top-10-Verein den Schritt in die Moderne und zwar in einer sehr minimalistischen Art und Weise.
Die Meinungen über das Redesign gehen natürlich auseinander, mir persönlich gefällt es sehr gut und bei Juventus werden dank dieses Schritts wohl ordentlich die Kassen klingeln:
Juventus' brand value has increased by 4% since revealing their new logo. #2beJuventus #Juventus pic.twitter.com/wQH8ht40c1
— Brandtix (@BrandtixSports)
Auf Twitter fing der Hashtag #2bejuventus in Italien sofort nach der Präsentation an zu trenden - das neue Logo polarisiert ganz einfach und diese Medienpräsenz ist bares Geld wert.
Je öfter ich es sehe, desto besser gefällt es mir und spätestens in einem Jahr wird sich über diesen "Skandal" niemand mehr aufregen.
Argumente wie "die nennen das jetzt nicht einmal mehr Wappen, sondern Logo!" zeigen, wie kleingeistig sich viele in dieser Diskussion verhalten.
HIER präsentiert Juventus ein paar Produkte mit dem neuen Branding und beweist damit wie nahtlos und stilsicher es sich in ein so traditionsreiches Universum wie jenes des Serienmeisters integrieren lässt.
Alte Dame, neues Kleid - ich finde, es steht ihr richtig gut.
[Moritz Lösch]
Gerade in Europa tun sich die großen Fußballvereine sehr schwer, sich dem Zeitgeist anzupassen. Denn manchmal ist Traditionsbewusstsein ein Klotz am Bein, ein solch großer, dass er den Verein als Marke daran hindert, sich für die Zukunft weiterzuentwickeln.
Dennoch gibt es diese Veränderungen. Sie passieren ständig, manchmal leise, manchmal laut, um später dann wieder leise zu werden. In neuerer Zeit passieren diese Veränderungen. Zum Beispiel bei Manchester City, Queens Park Rangers, KRC Genk, Atlético Madrid oder eben Juventus Turin.
Gerade die beiden Letztgenannten sind sehr gute Beispiele, wie man sich visuell als Marke verändert: Während Atlético Madrid die Veränderungen mehr oder weniger auf minimale Weise durchgeführt haben – unter anderem sind der Bär und der Baum nicht mehr bunt, sondern größer und ganz ins blaue Dreieck integriert und der gelbe Rahmen kam weg – beschloss Juventus den radikalen Weg einzugehen. Nämlich der Verzicht auf das ovale Logo und alles was darin ist. Es ist eine neue visuelle Identität, die laut Verein "den traditionellen Stil von Fußballvereinen auf den Kopf stelle”.
Doch zuerst: Der radikale Weg ist nicht neu. 1983 wurde Juventus das erste Mal so richtig radikal: Man verzichte auf das ovale Logo (das erst 1976 verwendet wurde) und ersetzte es durch ein Pferd, ähnlich aufstehend, wie in der Ferrari-Pose. Dieses Logo hielt immerhin acht Jahre, bis Juventus wieder auf das ovale Logo umstieg. Und jetzt ist 2017 wieder Zeit für einen neuen Weg.
Im neuen Logo wurde nun der Buchstabe “J” so angelegt, dass dieser eine halbe Schildform füllt – mit dem für den Verein charakteristischen Balken in Schwarz-Weiß. Kein Gelb mehr, kein Stier mehr, keine Krone mehr. Ein Lösen von den gestalterischen Fesseln der Vergangenheit. Es war ein überaus mutiger Schritt und es hat sich in meinen Augen ausgezahlt.
Zugegeben, auf den allerersten Blick kam bei mir ein “What the fuck” heraus, aber ich wollte es nicht vorschnell verurteilen und erstmal wirken lassen. Und es wirkt. Die Reduzierung auf die schwarzen und weißen Balken ist eine Revitalisierungskur für die alte Dame sondergleichen. Es sind nicht bloß zwei weiße Balken, die eine Schildform ergeben – nein, auch der Ort kommt vor. Das “T” für Turin ist ebenso auf den zweiten Blick erkennbar, nämlich zwischen dem linken und dem rechten Teil des weißen J und der Querbalken auf dem “T” wird nach oben durch den Schriftzug erkennbar.
Es kommt oft die Kritik auf, vielmehr Spott, dass es so austauschbar ist und keinen Wiedererkennungswert hat. Nur zwei Linien! Nur ein J! Aber gerade da liegt für mich das Gelungene: Jeder Mensch kennt das Hackerl von Nike, die drei Streifen von Adidas, das M von McDonalds. Und das schönste daran: So ziemlich alle werden es problemlos vom Kopf nachreichen können. Und dazu zählt auch das J-Schild von Juventus. Eine Eingängigkeit wie ein Ohrwurm – einmal gesehen, wird es immer wieder unbewusst auftauchen.
Man hätte die Fans miteinbeziehen sollen! Und gerade das halte ich für eine Fehleinschätzung. Denn, wer um den Prozess rund um die Entstehung und Gestaltung solcher Bildmarken Bescheid weiß, der weiß auch, dass sich die Kreativen über Monate, gar Jahre hinweg mit dem Verein beschäftigt haben, und das intensiv. Es ist keine große Kunst, dass die verantwortlichen Kreativen in diesem Zuge den Verein auf eine Weise kennengelernt haben, wie die meisten Fans es nicht könnten.
Die Geschichte des Vereines ist weg! Wie bereits erwähnt, werden sich die Kreativen intensiv mit der Gesichte auseinandergesetzt haben. Und wer sich selbst mit der Juventus-Gesichte auseinandersetzt, wird fündig. Anfang der 40er-Jahre lief die Mannschaft von Juventus in komplett schwarzen Trikots auf, mit einem – Überraschung! – “J”, fett auf der Brust. Dies ist aber kein Liebesbekenntnis zu den 40er–Jahren; es war meiner Meinung nach bloß die Ausgangsbasis, die dem heutigen Zeitgeist entsprechend adaptiert wurde.
Kein Zweifel, es polarisiert. Die Traditionalisten, von denen es im Fußball mehr als genug gibt, schreien auf und reagieren mit Ärger und Enttäuschung. Aber die Zeiten ändern sich, die Welt ist im Wandel. Die Welt wird digital – und da nützt es gar nicht, auf den Lorbeeren der Vergangenheit zu ruhen. Generationen kommen und gehen. Davon haben nämlich die Fans von morgen gar nix. Und mit den neuen Logo wird somit nicht nur ein neuer Bezug zur Gegenwart erschaffen, sondern auch eine Bereitschaft für die Zukunft. Es ist eben schwarz und weiß und mehr.
Und da war noch was? Achja, Sturm. Also der Epilog dazu: Ich kann es mir gut vorstellen, dass Sturm eine solche Revitalisierung auch international zugute kommt. Vielleicht in ein paar Jahren erst, vielleicht zum 120. Geburtstag. Aber es wird meiner bescheidenen Meinung nach trotzdem nicht dazu kommen. Denn: es wird vor allem an den finanziellen Mittel scheitern. Wenn man sich ein neues Gesicht erschaffen will, dann reicht es nicht, bloß das Logo zu ändern. Es ist bedarf vor allem einer klaren visuellen Bildsprache, eine eigenständige Ästhetik und einem Konzept, das zukunftweisend und nachvollziehbar ist. Ein solches zu entwickeln kann, wie ich erwähnt habe, Jahre dauern. Und für all das braucht man eben Geduld und Geld für eine richtig gute Agentur, wie sie sich Atletico Madrid oder Juventus leisten können.
[Micka Messino]
CONTRA neues Logo:
Contro il calcio moderno. Damit wäre eigentlich schon alles gesagt. Die Fußballromantiker unter uns haben in der jüngeren Vergangenheit wahrlich kein allzu leichtes Leben. Das hat natürlich vielseitige Gründe: Primär ist der Fußball zu einem absoluten, millionenschweren, teilweise sogar milliardenschweren, Geschäft verkommen - horrende Summen stehen an der Tagesordnung. Geld regiert den Fußball in jedweder Hinsicht - je reicher, desto erfolgreicher. So einfach ist das Prinzip. Vereine werden ihrer angedachten Funktion, ihrer Identität, ihrer Seele beraubt. Retortenklubs werden einzig und allein aus Marketingzwecken aus dem Boden gestampft. Tradition, (Stadt-)Geschichte, soziale und gesellschaftliche Bindungen oder Leidenschaft sind obsolet. Mag man das nicht, ist man neidisch.
Ein Blick nach Salzburg verrät, dass nun, da man auch innerhalb des kurzweiligen Anhanges endlich begriffen hat, was man eigentlich ist, die Lust an diesem Treiben schnell vergeht. Der Serienmeister ist in allen Belangen eine Persiflage seiner selbst und das tut dem Fußballherzen paradoxerweise sogar gut. Was kam medial nicht alles an Spott und Häme für unbelehrbare Traditionalisten, die eben den heutigen Fußball noch nicht verstanden haben? Diese Stimmen werden nun zumindest bei uns leiser, zu deutlich ist die Ablehnung gegenüber dubioser Konstrukte geworden. Zurück nach Italien, dem Land der Ultras: Einstige Größen spielen dort in ebenso großartigen Stadien, nur sind diese jüngst leider zumeist ziemlich trostlos.
Man denke da zum Beispiel an die AS Roma. Eine Kurve gibt es dort de facto nicht mehr, selbiges gilt für eine eigentlich gewohnte Stimmung und feurige Atmosphäre. Der Besitzer des Vereins, der eigentlich niemand anderer als der Fan sein sollte und kein Investor aus den USA, nennt diese so nebenbei auch einmal "f#cking idiots!", weil Ansichten des harten Kerns einem wirtschaftsoptimierten Denken nicht besonders zuträglich sind. Eine rigorose, übertrieben harte und mehr als fragwürdige Linie im Umgang mit Fans ist ebenso längst eingekehrt. Darüber hinaus gibt es bekanntlich das personalisierte Ticket, das zusätzlich noch sauteuer ist und den einstigen Sport der Massen zu einem nicht für jedermann leistbaren Unterfangen werden lässt. In England ist das noch schlimmer. Dort ist es sogar schon verpönt, sich aus dem Sitze zu erheben.
Was hat das alles mit einem Logo zu tun? Auch in einem solchen spiegelt sich die bereits erwähnte Identität des Vereins wider, die unantastbar sein muss. Diesem Logo sind womöglich schon die Großeltern gefolgt, die Eltern und man selbst. Der geliebte Verein und das Logo als Aushängeschild eines solchen ist eine der wenigen Konstanten in einer sich immer schneller drehenden Welt. Natürlich ist das Logo in diesem Zusammenhang nur ein kleines Teil in einem komplexen Puzzle - aber fehlt ein solches, ist das große Ganze unvollständig. Einmal, da gehörte der Fußball den Menschen. Ein großer Klub war ein solcher, der eine große Zahl an Menschen hinter sich vereinte. Ein großer Klub heute hat hingegen womöglich einfach nur einen großen Gönner, der nach einem neuen Hobby sucht.
[Gernot Hofer]
Zunächst fühlt es sich für den Fußballromantiker wie eine Gnackwatschn`an, wenn ein Fußballklub modernerweise ständig als Wirtschaftsunternehmen betrachtet wird. Auch wenn man mit der Zeit gehen muss und gewisse wirtschaftliche Fakten nicht leugnen darf, so gibt es dennoch auch Grenzen, die aus Profitgeilheit mancher jedoch gerne einmal in die Maßlosigkeit verschoben werden. Eine dieser Grenzen bezieht sich auf das, aus gesellschaftlicher Perspektive wenig durchdachte Hantieren an dem Logo eines Traditionsvereins, das mehr oder weniger schon seit Ewigkeiten Bestand hat und für Vertreter aller Gesellschaftsschichten als Identifikationsträger gilt. Gerade in einer Zeit, die einem ständigen Wandel unterliegt, in der so viel mannigfaltiges abgeht, dass das Individuum kaum noch mit dem Schauen und schon gar nicht mit dem Verarbeiten nachkommt, sollte abseits des Höher-Schneller-Weiter-Prinzips punktuell auch für jeden Beständigkeit greifbar sein - also die Möglichkeit, in einer hektischen Welt auch mal runter zu kommen.
Auch wenn ich als bekennender Napoli-Sympathisant den Geschehnissen rund um Juventus Turin, speziell auch seit der Higuain-Affäre, nicht sonderlich viel abgewinnen kann, so geht es doch um die Sache selbst. Um die, die uns vereint, auch wenn man in den Farben getrennt ist. Andrea Agnellis Ausspruch „This new logo is a symbol of the Juventus way of living“ könnte als Leitspruch des modernen Fußballs begriffen werden und wirft für mich einige Fragen auf: Was zum Geier ist ein „Juventus way of living“? Muss ein Fußballklub das sein, bzw. darf mir von einigen wenigen Köpfen sowas wie ein Weg im Zusammenhang mit meinem Herzensverein vorgegeben werden? Kann der nicht einfach ein Fußballklub bleiben, der jung und alt, arm und reich, schwarz und weiß oder - was weiß ich - intelligent und geistig minderbemittelt am Spieltag im Stadion miteinander verbindet? Also einfach einen Raum schafft, in dem solche Differenzierungen primär wurscht sind, wo doch eh der Alltag ständig und viel zu oft davon dominiert ist? Oder ist für den Genuss solcher Einzigartigkeiten der Red Bull Mobile-Tarif Voraussetzung?
Ich plädiere hiermit für Eigendynamik und gegen den ständigen Vorsatz eines Idealtypus im Sinne Max Webers, zumindest was den Fußball betrifft. Jedoch: Don Quijote lässt grüßen…
[Stefan Wilfing]
Geschmäcker sind eben verschieden und über vieles lässt sich diskutieren. Wie findest ihr das neue Logo von Juventus?

Naja so eine Umgestaltung des Logos müsste auch gut aussehen. Modern is ja ok aber beim neuen Logo von Juventus glaubst du hast eine Parfüm Marke vor dir…
Mach mal ein modernes Logo das den meisten unserer Fans gefällt…da ists einfacher das Triple zu holen…
Dann haben sie halt ein neues logo, mein gott
Liebe Schwoaze,
kann mir wer von euch sagen (weil ich nix dazu find), wer die erste Sturm-Fahne ursprünglich kreiert hat und vor allem, was seine/ihre Überlegungen dabei waren? Ich dacht mir ja immer, das T liegt auf dem S um gleichzeitig ein G (für Graz) abzubilden (bei den älteren Fahnenversionen kommt das mMn noch etwas besser raus). Ist/war das eigentlich die dahinterliegende Idee oder?
Weiß niemand irgendetwas dazu? :/
(Btw bzgl. Artikel.: der Erzrivale von Juventus, die Fiorentina ist ihnen jetzt auch gleichgezogen in Sachen „verbessertes“ Logo https://www.nurfussball.com/2022/03/neues-fiorentina-logo-enthullt.html)