Ein Jahr in Schwarz und Weiß
Dieser Jahresrückblick soll kein kumulatives Aufzählen und detailreiches Beschreiben von Ereignissen rund um den SK Sturm im Jahr 2015 sein. Die Auswahl der zu reflektierenden Geschehnisse, Geschichten und Fakten erfolgte nach vom Autor selbstständig festgelegten Kriterien und Prioritäten.
Hat man den jugendlichen „Sturm und Drang“ in seiner persönlichen Entwicklung erst einmal hinter sich gelassen, beginnt man in der Regel zwangsläufig damit, die Zeit, die man womit auch immer verbracht hat, zu überdenken – man evaluiert und reflektiert. Dies dürfte mit dem zunehmenden Alter direkt proportional mehr und intensiver werden. Gerade zu dieser Jahreszeit nimmt die manchmal freudige, fast immer nostalgische und oft auch unbequeme Form des Nachdenkens gerne besonders viel Zeit in Anspruch. Noch ehe man sich gegenseitig unter dem alljährlichen Feuerregen, den Donauwalzer tanzend, mit Sekt oder anderen meist alkoholischen Getränken zuprostet, um nicht nur das Ende eines Jahres zu feiern, sondern auch, um der Geburt eines neuen beizuwohnen, beginnt man damit, Entscheidungen, Geschehnisse und eigentlich alles zu überdenken und zu hinterfragen. Was lief gut? Was lief schlecht? Wie sieht die „Jahresbilanz“ aus?
Ein Mensch, der die Kultivierung von Konkurrenz, Rivalität, Zugehörigkeit und Leidenschaft in der schönsten Sportart der Welt zu schätzen weiß und in Vereinsfarben blutet, kommt auch nicht umhin, die vergangenen zwölf Monate (oder auch mehr) in Bezug auf seinen einzigen wahren Herzensklub Revue passieren zu lassen.
Foda 3.0
Der Herbst 2014 gestaltete sich für den SK Sturm ereignisreich: Der farblos gebliebene Trainer der Schwarz-Weißen, Darko Milanic, folgte einem italienisch-britischen Lockruf auf die Insel und dürfte über die Chance, die ihm auf der Bank von Leeds United geboten wurde, wohl ebenso verwundert gewesen sein wie die breite Öffentlichkeit. Der Kultinnenverteidiger aus den Neunzigern konnte dem steirischen Verein seinen Stempel als Trainer nämlich nicht aufdrücken – man warf ihm vor, er hätte zu wenig riskiert und der Fußball in Graz sei viel zu unattraktiv – Kritik, die man als gerechtfertigt bezeichnen muss. Als Massimo Cellino den Slowenen verpflichtete, wurde bei Sturm die Position des Cheftrainers vakant und schnell geisterten Gerüchte rund um mögliche Nachfolger durch die schwarz-weiße Fangemeinde.
Ende September schließlich wurde das Geheimnis um die Nachbesetzung gelüftet: Franco Foda sollte die sportlichen Agenden wieder übernehmen – die Ära Foda 3.0 begann. Während die Medienlandschaft größtenteils jubilierte, wurde in weiten Teilen des kritischen und zunehmend skeptischen Fanlagers Kritik laut: Mit einer Neubestellung Fodas besiegle man das Ende von „Sturm neu“. Alles, was 2012 versprochen wurde, sei damit endgültig nicht mehr umsetzbar. Die Hintergründe dieser Entscheidung des Vereins wirkten nebulos. Nicht unbedeutend dürfte dafür jedenfalls der öffentliche Druck gewesen sein. Die Erfolglosigkeit und mangelnde Attraktivität des gezeigten Fußballs verursachten großen Unmut unter den Anhängern und immer lauter wurden auch die Rufe nach einem renommierten Übungsleiter. Franco Foda, der seit 2013 in keiner Coachingzone mehr anzutreffen gewesen war, sollte mit seinen Erfolgen als ehemaliger Spieler und Trainer des SK Sturm wieder für Ruhe sorgen. Die Blackies wollten nun schnell auf die Erfolgsspur wechseln und dafür wurden durchaus gute Vorsätze in Bezug auf die Trainerbestellung über Bord geworfen, nämlich jene von 2012, die auf die Langfristigkeit in der sportlichen Planung und auch auf Sturm Graz als Ausbildungsplattform abzielten – Papier ist, wie man zuweilen weiß, geduldig und Anforderungsprofile bieten offenbar viel Interpretationsspielraum.
Aufschwung
Nicht lange dauerte es und Gerhard Goldbrichs Plan, dem Verein nach sportlich schweren Zeiten etwas Ruhe zu verschaffen, schien aufzugehen. Langsam aber doch stellte sich der Erfolg auf dem Rasen wieder ein und die Ränge in der UPC-Arena füllten sich zusehends. In der Tabelle ging es sukzessive aufwärts. Vor der 36. Runde dieser Saison rangierte der SK Sturm hinter RB Salzburg und Rapid Wien sogar auf dem dritten Platz. Tatsächlich schien er wieder ein Verein zu sein, mit dem man auch im Kampf um die Podestplätze rechnen musste. Mit Foda auf der Bank gelangen 8 Siege und 6 Unentschieden – dem gegenüber schlugen lediglich drei Niederlagen zu Buche. Sturm war also wieder da – auch wenn die Grazer in der letzten Runde der vergangenen Saison noch auf Platz vier abrutschten, durfte der Sturmanhang schon lange kein so erfolgreiches Frühjahr mehr bejubeln.
Jener erfreuliche Lenz war aber nicht nur dem neuen alten Trainer zu verdanken, sondern einer Mannschaft, die ihren Spaß am Fußball wieder entdeckt zu haben schien – besonders ein junger, zuvor vielfach als Fehlverpflichtung abgestempelter, baumlanger Spieler zeigte hervorragende Leistungen. Simon Piesinger avancierte mit seinem Spiel zum Publikumsliebling. Unter dem Motto „No Piesi, No Party“ trug er Woche für Woche zu einem erfolgreichen Frühjahr bei – im defensiven Mittelfeld positioniert machte er sowohl nach Standards als auch aus dem Spiel sieben Tore. Insgesamt traf er in der vergangenen Saison sogar neunmal und trug sich somit als bester Schwarz-Weißer in die Torschützenliste ein. Weil es sich mit dem richtigen Selbstvertrauen, gewonnen durch starke Leistungen, dann schon auch einmal etwas leichter kickt, kam es manchmal vor, dass Piesi gar nicht erst im Strafraum stehen musste, um zu treffen.
Ebenjenes Frühjahr, das im Zeichen des jungen Oberösterreichers stand, verbrachte ein anderer, in der Startformation in der Regel näher am gegnerischen Tor befindliche Spieler nicht mehr bei Sturm. Marco Djuricin, der es in der Saison 2014/15 weit nach oben in die Torschützenliste schaffte, streifte sich mit Ende der letztjährigen Winterpause nämlich nicht mehr das schwarz-weiße Trikot über, sondern jenes des Vereins, der in erster Linie Konzernableger und Marketingkonstrukt ist – allerdings nicht ohne saftige Ablöse. Kolportierte 2,5 Mio. Euro und Bright Edomwonyi zum Nulltarif soll der junge Stürmer eingebracht haben und somit zu den gewinnbringendsten Aktien des SK Sturm seit langer langer Zeit zählen. Im Herbst sorgte er für Tore, im Winter für einen nach Grazer Maßstäben heftigen Geldregen – selbst schärfste Kritiker kommen wohl nicht umhin, die Causa Djuricin als einen Erfolg auf ganzer Linie zu sehen.
Von Hertha BSC kam der heute 23-Jährige ablösefrei zum SK Sturm. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wurde er unter Darko Milanic und Franco Foda zu einem der besten Stürmer in der gesamten Bundesliga – finanzkräftigere Vereine richteten langsam aber doch ihr Augenmerk auf den technisch versierten Goalgetter. Für die Schwarz-Weißen erzielte er, den Cup eingerechnet, in der letzten Saison 17 Tore. Bald stand fest, dass die Verantwortlichen in Graz Messendorf wohl nur die Wahl hatten, ihn im Winter teuer zu verkaufen oder im Sommer ablösefrei ziehen zu lassen. Gerhard Goldbrich darf man diesen letztendlichen Erfolg nicht absprechen – statt den kurzfristigen Erfolg für das Frühjahr zu suchen, entschied er sich, dem Verein eine dringend benötigte Finanzspritze zu setzen. Laut Informationen, die SturmNetz.at vorlagen, war Sturm von der Rückholung Djuricins in Leihform im Sommer 2015 gar nicht weit entfernt. Offenbar konnte man sich mit Red Bull Salzburg im Finish der Verhandlungen dann aber finanziell nicht einigen. Der Stürmer wechselte schließlich zum FC Brentford ins Vereinigte Königreich.
Im Kader sollte ein Heimkehrer Djuricins Platz einnehmen: Roman Kienast wandte sich von der Wiener Austria ab und zog erneut gen Süden, wo er bereits sehr erfolgreich gewirkt hatte. Mit vielen Toren zeichnete er nämlich zu einem großen Teil für den letzten Meistertitel des SK Sturm verantwortlich. Seine Rückkehr nach dem violetten Intermezzo brachte Sturm im darauffolgenden Frühjahr sieben Tore – bei diesem Wert hält der Hüne derzeit in der aktuellen Saison. Auch wenn seine Verpflichtung auf viel Skepsis stieß, zählt Kienast derzeit zu den verlässlichsten Torschützen des SK Sturm.
Den mit Abstand größten Erfolg des SK Sturm am Transfermarkt gab es aber bei der Verpflichtung eines anderen Spielers – Michael Esser. Der Castrop-Rauxeler schlug ein, wie es gar nicht besser möglich gewesen wäre. Mit seinen Fähigkeiten, das attestierte man ihm in Deutschland, hätte er wahrscheinlich auch in der deutschen Bundesliga Fuß fassen können. Kaum ein Verein könnte auf einen Keeper wie „Bruno“ verzichten. Dass er bei Sturm die unumstrittene Nummer Eins ist, wurde zuletzt auch von den SturmNetz-Leserinnen und Lesern bestätigt, die ihn zum besten Spieler der Herbstsaison wählten. Im Interview mit den Kollegen Günter Kolb und Gernot Hofer gab er an, in Graz sofort gut aufgenommen worden zu sein. Er fühlt sich zwischen den Pfosten der Schwarz-Weißen sichtlich wohl und seine Leistungen bestätigen das von Runde zu Runde.
Kaderfragen
Zu beantworten, warum Djuricins Abgang nicht zumindest zum Teil durch die eigene Jugend kompensiert werden konnte, bleibt der Verein schuldig. Daniel Klaric, ein junger Spieler an der Schwelle zum Profifußball, schnürt seine Fußballschuhe derzeit für den SC Wiener Neustadt in der Sky Go Ersten Liga. Sucht man nach weiteren Stürmern, die in nächster Zeit, also in wenigen Monaten, für die Kampfmannschaft in Frage kämen, wird man in Messendorf derzeit wohl nicht fündig werden. Hier sei die Frage gestattet, warum dem so ist. Liegt es etwa an der vereinsinternen und in allen Mannschaften des Klubs gelebten Spielphilosophie, die echten Stürmern ihre Bedeutung im Spiel abspricht? Liegt es an mangelndem Potenzial im Umfeld des SK Sturm? Hat dies andere Gründe?
Dem Verfasser sei an dieser Stelle seine im Folgenden geäußerte Unzufriedenheit erlaubt, denn weder einem Mangel an Talenten noch der Spielphilosophie ist die Tatsache geschuldet, dass Sturm in der Jugend nicht aus dem Vollen schöpfen kann. Die Schwarz-Weißen sind nämlich nicht der einzige Klub, der sich am durchaus reichhaltigen Potenzial der steirischen Jugend bedient. Jeder halbwegs interessierte Fußballfan dürfte mittlerweile wissen, dass vor allem der FC Admira Wacker Mödling, bekannt für die gute Arbeit im Jugendbereich, und der FC Red Bull Salzburg immer wieder junge Spieler mit vielversprechenden Perspektiven anlocken und so dem SK Sturm vor der Nase wegschnappen. Diese Tatsache gibt zu denken. Ist Sturm für die Jugend nicht mehr attraktiv genug? Wenn dem so ist, warum nicht? Was auch immer die Gründe für diesen Missstand sein mögen, der SK Sturm täte gut daran, diesen schnellstmöglich zu beheben. Der regelmäßige Einsatz junger Eigenbauspieler könnte für talentierte, junge und hoffnungsvolle Fußballer im Land ein Anreiz sein, ihr Glück in Graz zu suchen.
Im defensiven Mittelfeld hat Sturm, ganz im Gegensatz zur Offensive, einen jungen Spieler im Talon, der nicht nur landläufig als wahres Juwel bezeichnet wird, sondern auch schon auf internationaler Ebene beobachtet wird: Sandi Lovric. Der 17-Jährige mit der Rückennummer 30 hat es im derzeit dicht besetzten Mittelfeld schwer. Seine wenigen Einsatzminuten für die Kampfmannschaft bestätigen diesen Eindruck. Gerade rund um ihn wurden die Forderungen, doch endlich konsequenter auf die eigene Jugend zu bauen, laut. Die Fanklubs der Nordkurve sprachen sich vor allem im Herbst besonders deutlich dafür aus und stellten außerdem die Kompetenzfrage – weder dem Trainer noch dem General Manager trauten sie es zu, den Verein in eine entsprechende Richtung zu lenken. In einem Kommentar, der einiges Aufsehen erregte, formulierten sie ihre wohldurchdachten Forderungen an den Verein, bekräftigt wurden diese durch einen Stimmungsboykott. Später in der Saison plakatierten sie ihre Ideen in einer eindrucksvollen Choreografie. Den humorigen Höhepunkt dieser Kampagne stellte eine Lehrstellenanzeige in der Kleinen Zeitung unter dem Titel „Sportdirektor gesucht!“.
Sportlich lief es in der aktuellen Saison bisher nicht immer nach Wunsch des Vereins und der Fans. Obwohl Sturm auf dem regelmäßig als Ziel ausgegebenen vierten Platz überwintert, herrscht Unzufriedenheit über die mangelnde Punkteausbeute mit einem auf dem Papier guten Kader. Schmerzhafte Niederlagen waren keine Seltenheit – vor allem jene in Grödig dürfte auch heute noch so manchen erschaudern lassen. Die spielerische Qualität ließ zu wünschen übrig – es fehlte einfach an Ideen. Diese brachte der junge Donis Avdijaj, die Leihgabe aus Gelsenkirchen, in das Spiel der Schwarz-Weißen ein. Mit seinen Qualitäten war er in so mancher Partie der Dreh- und Angelpunkt des Grazer Offensivspiels. Eine Verletzung setzte ihn unglücklicherweise aber außer Gefecht und so musste oft der junge und talentierte Sasha Horvath übernehmen. Seine Unerfahrenheit ließ ihn sein Potenzial noch nicht wirklich ausschöpfen, machte aber Hoffnung. Ob diese gerechtfertigt ist, wird das Frühjahr zeigen.
Offensivkreativität – Avidijaj und Horvath besitzen diese zweifelsohne – fehlte im Herbst aber auch deswegen, weil ein Routinier, der von niemand Geringerem als Samir Muratovic lernen durfte, lange nicht einsatzbereit war: Marko Stankovic. Seine Verletzung und der langwierige Heilungsprozess stellten Franco Foda vor eine große Herausforderung. Stankovics Routine, Technik und Spielverständnis gepaart mit seiner echten Leaderqualität machen ihn zu einem der wichtigsten Spieler im Kader – sein Ausfall hätte wohl weder durch Transfers noch durch Einsatz von Eigenbauspielern kompensiert werden können. Wie gut dem SK Sturm seine Rückkehr in den Kader tut, zeigte sein nach Monaten erster Auftritt in der Startelf – mit seinem frühen Tor leitete er den 2:0-Sieg gegen Grödig ein und lieferte auch danach eine sehr gute Partie ab.
Ein neuer Baum im digitalen Blätterwald
Ein nicht ganz unwichtiges Ereignis sollte in diesem Rückblick auch etwas genauer unter die Lupe genommen werden: Nach dem Ende von sturm12.at, einem Nachrichtenportal, das sich die Fußballberichterstattung in Schwarz-Weiß auf die Fahnen geheftet hatte, war schnell klar, dass man das dadurch entstandene Informationsvakuum nicht alleine den lokalen Printmedien überlassen wollte. Eine Gruppe engagierte Sturmfans fasste schon bald nach dem Ableben der ehrwürdigen Plattform den Beschluss, ein ähnliches Projekt auf die Beine zu stellen. „Forza Sturm“, „1909.at“, „Pro Sturm“ und noch viele Namen mehr waren von jenen unverbesserlich idealistischen „Sturmknofln“ diskutiert worden, ehe zum ersten Mal vom „SturmNetz“ gesprochen wurde – ein eher zufällig aufgekommener Name, der anfänglich eigentlich nur eine Art „Arbeitstitel“ war. Am 1. Juni 2015 ging SturmNetz.at online, um den informationshungrigen Sturmfan mit Nachrichten, Kommentaren und Geschichten über den SK Sturm Graz zu versorgen. Nach nur sieben Monaten können wir (Anm. die ehrenamtlichen Redakteure, Techniker und Grafiker) guten Gewissens behaupten: „Wir sind jetzt da und haben nicht vor, wieder abzutreten!“
Einige Male mussten wir mit unserem Herzensverein relativ hart ins Gericht gehen und keinem von uns machte das wirklich Spaß. Wir sind von der Wichtigkeit einer unabhängigen Berichterstattung überzeugt und sehen uns manchmal auch als Gegenpol zur in Bezug auf Sturm Graz manchmal leider recht zahnlosen Medienlandschaft in der Steiermark. Wir hoffen, unsere Qualität stetig steigern zu können und unserer Arbeit zunehmend öffentliche Relevanz zu verschaffen.
Unseren treuen Leserinnen und Lesern danken wir herzlich für die Unterstützung.
Wir wünschen ein schwarz-weißes, gesundes, erfolgreiches und glückliches Jahr 2016!
Sorry aber von einen guten Frühjahr zu sprechen ist übertrieben. Man hat immerhin in den letzten 7 Spielen nur eines gewonnen und da waren noch so solche Katastrophen Leistungen dabei wie jenes 4:4 in Wr. Neustadt oder die Niederlage in Wolfsberg.
Man hat eine gute erste halbe Frühjahrs Season gespielt ja das stimmt, aber in der zweiten hälfte der frühjahrs Season waren wir katastrophal.
Nur reicht halt eine gute halbe Halb Season in Österreich schon für den 4 Platz.