Dr. Günther Paulitsch ist 80

Man mag es ob seiner Fitness kaum glauben, doch ein Blick in den Kalender verrät, dass der ehemalige Sturm-Torhüter und Trainer Dr. Günther Paulitsch heute seinen 80. Geburtstag feiert. Der überhaupt erste Akademiker im schwarz-weißen Trikot übersiedelte 1958 vom Landesligaklub Maschinenfabrik Andritz an den Jakominigürtel, zu seinem Pech genau zu jener Zeit, als die Blackys nach fünfjähriger Erstligazugehörigkeit den bitteren Gang in die Staatsliga B antreten mussten. Auch an einen Einsatz in der legendären Gruabn war anfangs nicht zu denken, wurde doch zu Beginn jener Spielzeit gerade ein neuer Rasen verlegt und so war der Verein gezwungen, seine Heimspiele am Sportklub-Platz auszutragen. Doch just bevor der Klub an seine Spielstätte zurückkehrte, wurden Stammgoalie Franz Mikscha nach einer Schiedsrichterbeleidigung vier Spiele Sperre aufgebrummt und Paulitsch hütete beim Gruabn-Comeback gegen Stadlau im Mai 1959 (3:0) das Tor.

25.10.1964, Sturm – GAK 2:0, Sturmplatz-Nordtor (C) SK Sturm/Fischer

Fünf Saisonen lang blieb Sturm in der zweithöchsten Spielklasse, erst als man in der letzten Runde der Regionalliga Mitte im Frühjahr 1964 den Villacher SV auswärts besiegen konnte, gelang die Rückkehr in die Nationalliga. Und nicht nur das: Als erst zweiter Sturmspieler überhaupt schaffte Paulitsch unter Teamchef Bela Guttmann, zuvor mit Benfica Lissabon mehrfacher Europapokal-Sieger, den Sprung in das Nationalteam. Mit dem Grazer im Tor schlug Österreich im Wiener Stadion vor 95.000 Besuchern die Sowjetunion durch ein Glechner-Tor mit 1:0. Ein sensationeller Sieg, vor allem in Anbetracht dessen, dass beim Heimteam mit Paulitsch ein promovierter Jurist den Kasten hütete, bei den Gästen mit Lew Yaschin der weltbeste Keeper seiner Zeit.

Die doppelte Arbeit ist einem keiner neidig, das doppelte Gehalt sehr wohl – Günther Paulitsch

In der darauffolgenden Saison übersiedelte der Doktor zur damals noch großen Vienna nach Wien, bekam dort einen Job als Richteramtsanwärter am Obersten Gerichtshof, nach zwei Jahren jedoch, kehrte er Döbling den Rücken und ging nach Graz zurück. Aus dem Duell mit dem im Jänner 2019 verstorbenen Mikscha, entwickelt sich nach der Verpflichtung von Damir Grloci ein Dreikampf, bei dem der schwarz-weiße Torwartpullover fast wöchentlich seinen Inhaber wechselte.

Paulitsch erlebt eine Niederlagenserie und das Ende von Trainer Karl Kowanz, wiedererstarkte Zeiten unter Karawanken-Herrera Gerdi Springer und qualifiziert sich mit dessen Nachfolger, dem Ungarn Janos Szep, mit Sturm überhaupt zum ersten Mal für den Europacup. Doch vor dem internationalen Debüt gegen Ivest Tampere, verletzte sich Paulitsch beim Vormittagstraining und war somit  – nachdem die Blackys sich gegen die Finnen in zwei Partien durchsetzen konnte – auch für die legendäre Europapokalpartie gegen Arsenal London kein Thema. Hatte Paulitsch schon des Öfteren für ein Comeback geschuftet, gab er 1970 aufgrund von chronischen Gelenksschmerzen endgültig w. o. und beendete seine aktive Karriere.

Rückkehr als Trainer

Zu jener Zeit war man am Jakominigürtel auf intensiver Sponsorensuche und hatte mit der Firma Gady einen dicken Fisch an der Angel. Präsident Hans Gert nutzte die brachliegende Ressource und bat den Ex-Torhüter in Lebring – am Firmenhauptsitzes des erhofften Geldgebers – zum Nulltarif den Trainerposten anzunehmen, um sich das Wohlwollen des Unternehmers Franz Gady zu sichern. Im Gegenzug ermöglichte der Sportklub Sturm die kostenlose Freigabe trotz noch laufendem Vertrages. Paulitsch, damals noch ohne jedwede Trainerambitionen, tat dem jungen Präsident diesen Gefallen und mehr noch: Mit den Südsteirern gelangen ihm drei Aufstiege en suite. Bei Sturm hingegen lief es in der Spielzeit 1977/78 überhaupt nicht rund und nun war es Gady – nach dem viel zu frühen Tod von Gert mittlerweile auch in Graz Präsident – der Paulitsch in einem Buschenschank dazu überreden konnte, am Jakominigürtel als Trainer anzuheuern. In leicht angeheitertem Zustand wurde ein Ein-Jahres-Vertrag per Handschlag vereinbart. Und siehe da: Mit einer fast reinen Amateur-Truppe gelang der vierte Platz und die damit verbundene Qualifikation für den UEFA-Pokal.

Deine Bauchtanztruppe bringe ich auch schon nach oben – Günther Paulitsch, leicht angeheitert, am Verhandlungstisch zu Sturm-Präsident Gady, irgendwo auf der südsteirischen Weinstraße 

Der SK Sturm Ende der 70er Jahre. 19-Mann-Kader, 16 Steirer, 2 mal Platz 4 unter Trainer Paulitsch

Paulitsch hängte entgegen jeder Vereinbarung doch ein weiteres Jahr an und konnte diesen Erfolg auch bestätigen. Die vielen Siege rissen allerdings ein riesiges Loch in die Klubkassa, hatten doch die Kicker damals zwar niedrigste Fixumbeträge, jedoch lukrative Punkteprämien ausverhandelt. Der Sportklub Sturm war daher gezwungen sich vor der Saison 1979/80 gleich von 14 Spielern zu trennen und auch dem Trainer machte die Doppelbelastung bereits enorm zu schaffen.

Bei Verhandlungen am Gericht habe ich an den Fußball gedacht, beim Fußballtraining an anstehende Verhandlungen und Urteile – Günther Paulitsch über seine Doppelbelastung

Otto Baric stand als neuer Trainer Gewehr bei Fuß, bat Paulitsch jedoch, sich beim Auswärtsspiel gegen die Vienna noch einmal auf die Bank zu setzen, damit der Kroate nicht gleich mit der von allen erwartenden Niederlage starten müsse. Paulitsch tat seinem selbst auserkorenen Wunschnachfolger diesen Gefallen und warf einige blutjunge Spieler in die Schlacht. Völlig überraschend erkämpfte das Team in seinem letzten Spiel auf der Betreuerbank des SK Sturm vor 16.000 Zusehern gegen die Vienna ein 1:1. Und Cordoba-Held Hans Krankl spürte erstmals 90 Minuten lang den Atem des heutigen Kantineurs und damals erst 20-jährigen Kurt Grössinger.  Er sollte zeit seiner Karriere der Inbegriff des Angstgegners für den Goleador bleiben.

16. 3. 1980 Vienna – Sturm 1:1: Ein Bild mit Seltenheitscharakter: Krankl (rechts) hat sich von Grössinger (links) ganze zwei Meter weg gestohlen.

Der seit 2004 pensionierte Richter erfreut sich bester Gesundheit und ist als Präsident des Golfclubs Murstätten noch immer hoch aktiv. Wir wünschen dem Jubilar alles Gute zum Geburtstag!

(c) Lena Prehal/GrazMuseum 

Bonustrack:

Am 15. Mai diesen Jahres traf sich Paulitsch anlässlich der Gruabn-Ausstellung im GrazMuseum mit Mandy Steiner, Walter Saria und Gilbert Prilasnig zu einem Legendentalk unter der Leitung von Robert Seeger. SturmNetz war mit Kamera und Mikro vor Ort. Hier die Diskussionsrunde in voller Länge:

 

 

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