Die Stürmer

Saisoncheck 2020/21

Aufgeteilt auf vier Ausgaben geben wir euch ein Fazit über jeden eingesetzten Sturm-Spieler. Hier fließen die durchschnittlichen Bewertungen unserer LeserInnen, diverse Spieldaten und Statistiken, sowie unsere subjektive Meinung mit ein. Gute Unterhaltung mit dem letzten Teil: Den Stürmern!

© Martin Hirtenfellner Fotografie

Kelvin Yeboah (ø-SturmNetz Leserzeugnisnote: 2,33)

Der Angriff des SK Sturm ist im Frühling endlich heiß gelaufen und der Hauptgrund für die Temperatursteigerung in der Offensive heißt Kelvin Yeboah. Vier Treffer und fünf Assists brachte der Neuzugang nach fünfzehn Runden an statistischem Kampfgewicht aus Tirol mit in den stotternden SK Sturm-Angriff. Und man spürte eine regelrechte Aufbruchstimmung unter den Fans nach seiner Verkündung – durchwegs positive Reaktionen für Andreas Schickers Griff in die Tasche (500.000€) und den neuen Mann, der endlich die Ladehemmung von Balaj und Friese wettmachen sollte. Vertrag bis 2024 unterschrieben und einen vielversprechenden Stürmer sozusagen „eingetütet“.

Vier Monate später lehnt sich Andreas Schicker in seinem Bürostuhl zurück und verschränkt die Hände grinsend hinter dem Kopf, wenn er sieht, dass der Marktwert von Kelvin Yeboah auf bereits 1,7 Mio. € geschätzt wird. Yeboah trifft in sechzehn Spielen für den SK Sturm sechs Mal und bereitet zwei weitere Treffer vor. Ein Spiel verpasste der italienisch-ghanaische Doppelstaatsbürger wegen einer harten roten Karte, ansonsten sah der 21-jährige in der gesamten Saison kein einziges Mal auch nur Gelb. In seinem Spiel vereint der Neffe von Anthony Yeboah die Einsatzbereitschaft von Balaj und Friesenbichler, schafft es aber mit seiner Unbekümmertheit öfter, Gegner vor Probleme zu stellen und macht vor allem das, was seit dem unrühmlichen Abgang von Deni Alar bei Sturm keiner mehr macht: Tore! Kelvin Yeboah ist am Ball verspielt und manchmal auch etwas ungelenk. Wenn er aber wie beim 3:1 gegen den WAC am letzten Spieltag den Ball verstolpert, um eine Sekunde später doch noch Kontrolle über das Spielgerät zu bekommen, Torhüter und Verteidiger aussteigen zu lassen, und einzuschieben, dann soll er die Gliedmaßen ruhig weiter um sich schmeißen. Der Antritt Yeboahs ist unwiderstehlich, der Torriecher schon jetzt sehr ausgereift. 

Es kristallisiert sich ein klarer Publikumsliebling und ein Vorbild für Nachwuchskicker heraus, wenn man die Nummer 23 womöglich sogar noch ein, zwei Saisonen halten kann. Trotzdem sollte man noch damit warten, sich den Flock mit Yeboah auf ein Trikot zu drucken – nach dem Abgang von Balaj ist die Rückennummer 9 nun ja für ihn frei geworden. Wenn der Stürmer so weiter trifft, wie er es bislang getan hat, wird er definitiv Geld in die Grazer Kassen spülen, oder als einer der coolsten und beliebtesten Stürmer der letzten Jahre mit 25 Jahren dann den Verein verlassen. Beide Optionen erscheinen aus heutiger Sicht vielversprechend.

Jakob Jantscher (ø-SturmNetz Leserzeugnisnote: 2,48)

Einem überzeugenden Herbst, folgte eine Bestätigung der guten Form im Frühjahr. Bis zum Saisonende drückte Jakob Jantscher dem SK Sturm mit seinem Spiel und seiner Art abseits des Platzes seinen Stempel auf. Auf vier Tore und fünf Assists bis zum Jahreswechsel, ließ Jantscher in der Liga fünf weitere Treffer und vier Assists folgen. Dass der gelernte Flügelspieler im Angriff des SK Sturm in der Endabrechnung die teaminterne Torschützenliste nicht gewinnt, liegt an der guten Form seines Sturmpartners, der aus Tirol kam.

Es ist spannend zu sehen, wie Jantscher nach all den Jahren die tragende Rolle, die man kurz vor seinem Wechsel zu Red Bull Salzburg bereits in jungen Jahren für ihn gesehen hatte, nun endlich im Herbst seiner Karriere ausfüllt. Der Grazer ist für Fans und Medien eine der Identifikationsfiguren des Klubs und so wurde seine Vertragsverlängerung auch zusammen mit jener des offiziellen Kapitäns Stefan Hierländer verkündet – aus der Grazer Oper. Man muss hoffen, dass Jantscher ein weiteres Jahr voller Gesundheit und Fitness in Graz erlebt, denn so ist der „Oldie“ eine enorme Bereicherung für die eigenen Reihen.

Jantscher überzeugte durch positive Einstellung, mitreißende Kommandos am Feld und gilt allgemein als Publikumsliebling. Gegen Ende der Saison wurden die Beine wohl öfter schwerer und Jantscher dadurch öfter ausgetauscht. Auch die Scorerpunkte purzelten im letzten Saisondrittel nicht mehr so gerne, wie davor. Dass seine Durchschnittsnote „Gut“ ist, ist vollkommen verdient und auch die richtige Entscheidung unserer LeserInnenschaft. Ins offizielle Bundesliga-„Team der Saison“ kam Jakob Jantscher übrigens trotz der kritischen Bewertungen der SturmNetz-UserInnen, wenngleich er dort im Mittelfeld aufgeboten wurde. Trotzdem: Dazu müssen wir gratulieren! Dazu möchten wir gratulieren! Dazu gratulieren wir!

Zweikampfbereitschaft war im Sturm das geringste Problem! (c) Martin Hirtenfellner Fotografie

Kevin Friesenbichler (ø-SturmNetz Leserzeugnisnote: 2,97)

Mit wenig Scorerpunkten angefangen, mit wenig Kadernominierungen aufgehört. Die Saison, die im Herbst noch zum Teil in guten Momenten und im Winter sogar mit einer soliden Zwischenbilanz zur Pause kam, kann Kevin Friesenbichler am Ende als enttäuschend abhaken. Beileibe haben sich das viele Sturmfans anders erhofft, aber die Trennung am Ende ist weder eine Überraschung, noch eine Fehlentscheidung. Drei Treffer und vier Assists in der Liga bis zur Verpflichtung von Kelvin Yeboah Ende Januar, wo Friese bei jeder Partie im Kader und auch am Spielfeld stand, stehen ab Februar nur noch neun Einsätze bei zwölf Kadernominierungen gegenüber. Sein Abschiedstreffer gelang ihm am 14. März gegen die Wiener Austria. Doch anstatt seinen letzten Startelfeinsatz danach zu nutzen, kam Friesenbichler ab diesem Zeitpunkt in den letzten elf Runden nur noch zu 166 Spielminuten. Beim Saisonabschluss in Wolfsberg war Friesenbichler nicht mehr im Kader, bald danach wurde der Abschied bekanntgegeben. 

Das Engagement von Kevin Friesenbichler beim SK Sturm war ganz sicher kein Missverständnis. Einen Steirer im Kader zu haben, der sich mit Bekim Balaj um die Startelf duelliert und im Idealfall selbst durch Leistung und Treffer überzeugt, ist kein schlechter Gedankengang gewesen. Geworden ist aus der Idee leider nichts und das liegt nicht nur, aber vor allem an der Chancenauswertung von Friesenbichler. Für die Zukunft muss man sich als Sturmfan wünschen, dass alle Spieler, die das Trikot des Vereins überstreifen, mit der gleichen Aufopferungsbereitschaft auf dem Platz stehen. Da sollten sich alle an Friese ein Beispiel nehmen. Farewell, Kevin Friesenbichler und viel Glück auf deinen weiteren Stationen.

 

Bekim Balaj (ø-SturmNetz Leserzeugnisnote: 3,11)

Zwei Saisonen beim SK Sturm wird Bekim Balaj am Ende seiner Karriere aufweisen. So viel steht nun fest. Das Engagement der austrainierten Maschine aus Albanien wurde nach dem letzten Saisonspiel in Wolfsberg beendet. Es passt, dass das letzte Spiel im selben Stadion stattfand wie das erste, in dem er das Siegestor erzielte. Die Zusammenarbeit mit Balaj in Graz startete Vielversprechend. Als Wunschspieler des neuen Trainers El Maestro kam er in den Verein und traf sofort. Bei Fans und Presse war man sich einig: Der Spielertyp hat Sturm gefehlt! Doch die Statistik zeigte etwas anderes auf, das vor allem Bekim Balaj fehlte: Die Treffsicherheit! Kaum ein Sturmfan hat nicht eine vergebene Balaj-Chance im Kopf, die der bullige Stürmer machen hätte müssen, wenn man an ihn denkt. Das große Gefühl, das einen verfolgt, wenn man Bekim Balaj im Sturmtrikot vor Augen hat: Da wäre einfach so viel mehr möglich gewesen…

Die Geschichte von Bekim Balaj auf dem Platz ist eine ähnlich intensive und glücklose wie jene von Kevin Friesenbichler. „Balaj Boom“ kämpfte, rackerte, ackerte verbissen, um dann die großen Chancen zu vergeben. Ein perfektes Sinnbild für Balajs Zeit bei Sturm Graz war sein letztes Spiel für Sturm in Wolfsberg: In der Schlussphase kam Balaj für die letzten 20 Minuten auf’s Feld und durfte sogar noch ohne jeden Druck bei 3:1 und Überzahl einen Elfmeter schießen – den er vergab. Im Kalenderjahr 2021 blieb Balaj dadurch für Sturm Graz ohne Treffer und nutzte also auch die Chance für einen versöhnlichen Abgang auf seine Weise: Nicht! Alles in allem war das dezent zu wenig für den Topverdiener im Angriff. Es war also die logische Folge, dass es keine Verlängerung des Vertrags zu verkünden gab. Auch an dieser Stelle bleibt zu sagen, dass Bekim Balaj hoffentlich noch ein paar schöne Karrierejahre bevorstehen und er sich trotz allem positiv an seine Zeit in Graz zurückerinnern wird.

Das erste Jahr in Graz war für Francisco Mwepu hart. (c) SK Sturm

Zu kurz eingesetzt: Francisco Mwepu (zu kurz eingesetzt)

Francisco Mwepu hat eine schwere Saison hinter sich und es ist nicht leicht einzuschätzen, wie es weitergeht. Obwohl mit Yeboah im Winter ein weiterer Stürmer in den Kader kam, stand Mwepu öfter auf den Spielberichten als davor und durfte auch (ein bisschen) öfter auf’s Feld. Es lässt sich von außen schwer beurteilen, wie gut sein Stand bei Christian Ilzer tatsächlich ist, seine Vielseitigkeit spräche aber dafür, ihn auch im zweiten Jahr in Graz zu behalten.  Es wird nicht leichter, einen Kaderplatz mit besserer Aussicht auf Spielminuten zu ergattern, trotzdem ist es dem jungen Mann zu wünschen. Sein zwei Jahre älterer Bruder hat sich bei Salzburg durchgesetzt, dasselbe wäre ihm bei Sturm natürlich zu wünschen.

Denn ein weiterer Offensivspieler, der Spielwitz mitbringt und vielleicht sogar etwas treffsicherer werden könnte, wäre für alle Seiten ein Geschenk. Jemand, der mit 20 Jahren aus Sambia während einer Pandemie nach Österreich wechselt, muss sich bestimmt auch erst akklimatisieren. Zwar fehlt der Einblick in das engere soziale Umfeld des Spielers, doch neben Amadou Dante und seinem Bruder Enock (in Salzburg), ist mit Kelvin Yeboah jetzt zumindest ein weiterer Spieler bei Sturm in Graz gelandet, der sowohl vom Alter her (Jahrgang 2000), als auch bezogen auf die Lebensrealität eine Bezugsperson für Francisco Mwepu sein kann. Durchbeißen und dranbleiben muss die Devise sein. Francisco Mwepus Vertrag läuft mindestens bis 2022 und es wäre schön, wenn sich der Franz für seinen Mut zum Wechsel nach Graz selbst belohnt.

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