Die Schiedsrichter waren nie besser

Der bisherige Saisonverlauf der Blackys ist relativ schnell und in wenigen Worten erklärt: Es war dies weder Fisch noch Fleisch. Viel Potenzial wurde durchaus sichtbar, das jedoch über weite Strecken unzureichend genutzt wurde. Partien, die sich aufgrund exorbitanter Dramaturgie in das Gedächtnis gebrannt haben, sind Mangelware. Besonders in Erinnerung blieben hingegen die Unparteiischen. Deren Leistung lässt sich in noch weniger Worten zusammenfassen, nämlich in einem: mies. Eine regelrechte Flut an Fehlentscheidungen zog sich wie ein roter Faden durch die Saison und nicht selten war Sturm Leidtragender solcher. In Anbetracht dessen scheint – zumindest auf den ersten Blick – der VAR gerade recht zu kommen. Doch bessern wird sich auch dadurch nichts. Vielmehr droht, dass die Nachteile des Videoassistenten dessen Vorteile bei weitem überflügeln werden.

© Martin Hirtenfellner Fotografie

Die angesprochene Flut an Fehlentscheidungen fand rasch Eingang in die mediale Berichterstattung – in einer Intensität, die in Österreich vermutlich beispiellos ist. Spieltag um Spieltag standen die Referees im Fokus. Spieltag um Spieltag wurde die Kritik lauter. In den kurzen Zusammenfassungen wurden ein ums andere Mal die gravierendsten Fehlentscheidungen hervorgehoben: ein irreguläres Tor da, ein nicht gegebener Elfer dort, ein geradezu lächerliches Kartenspiel hier. Dass gefühlt jede zweite Szene, die keine unmittelbaren Folgen zu haben scheint, falsch bewertet wird, findet dann zumeist sogar noch unterhalb der allgemeinen Wahrnehmungsgrenze statt. Doch auch so bekam man schnell den Eindruck serviert, das österreichische Schiedsrichterwesen befände sich in einer tiefen, nie dagewesenen Krise. Doch genau dieser Umstand ist es, der bei näherer Betrachtung irritiert und nach dem Warum suchen lässt. Denn tatsächlich waren Schiedsrichter in Österreich nie besser. Vielmehr agieren sie seit Jahren – vermutlich sogar dem einen oder anderen Jahrzehnt – auf demselben bescheidenen Niveau. Das zeigt auch die SturmNetz-Leserwertung, bei der die Schiedsrichter in dieser Spielzeit (3,04) bis dato im Durchschnitt sogar marginal besser bewertet wurden als in der vergangenen Saison (3,06). Rasch kommen dem Verfasser aufgrund der jüngsten Aufregung ganz andere Erinnerungen hoch: Einwaller, Stuchlik, Roland Linz, wahretabelle.at, um nur deren vier zu nennen. Letzteres fungierte im Übrigen als Plattform, in welcher der Versuch unternommen wurde, die tatsächliche Tabelle hinsichtlich spielentscheidender Fehlentscheidungen zu korrigieren. Es war dies ein nettes Was-wäre-wenn-Spielchen, das allerdings auch durchaus interessante Aspekte preisgab. So zeigte die Statistik, dass Rapid Jahr für Jahr mit enormen Abstand größter Profiteur von Fehlentscheidungen war und Sturm stets zu jenen Mannschaften gehörte, die am stärksten benachteiligt wurden. In keiner einzigen Saison lagen die Blackys in der „Wahren Tabelle“ hinter der realen – ganz im Gegenteil. Die als Fan freilich vollends subjektiv empfundene, ständige Benachteiligung war demzufolge also doch zumindest etwas mehr als nur ein reflexartiges Gefühl. Und das war an diesen Tagen wohl auch zurecht weitaus stärker ausgeprägt. Was heute hingegen stärker auffällt als damals, ist der Umstand, dass Fehlentscheidungen alle in ähnlicher Weise betreffen und alle in ähnlicher Weise erzürnen. Vermutlich liegt darin die Ursache, warum dieser Aspekt nun stärker thematisiert wird. Womöglich ist es aber auch lediglich dem Umstand geschuldet, dass Rapid nicht mehr das unhinterfragte Um und Auf des österreichischen Fußballs ist. So oder so, die regelrecht schockierenden Statistiken der „Wahren Tabelle“ schienen es seinerzeit nicht wert gewesen zu sein, diese etwas näher zu beleuchten. Sie wären es jedoch vor zehn Jahren schon gewesen. Die gesamte Diskussion kommt jetzt nämlich ein gutes Jahrzehnt zu spät.

© Martin Hirtenfellner Fotografie

„Mit dem VAR wäre das nicht passiert“, konnte man zuletzt in bizarrer Regelmäßigkeit vernehmen, eine gewisse Erleichterung mitschwingend, dass dieser nun endlich eingeführt werde. Man könnte fast glauben, dieser vermag es, sämtliche Probleme wie durch Zauberhand in Luft aufzulösen. Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Fehlentscheidungen seltener werden, vorausgesetzt, es handelt sich um spielentscheidende Szenen – denn nur bei solchen kommt der Videoassistent dann auch zum Einsatz. Doch inwiefern das alles Schiedsrichter dahingehend bemächtigt, plötzlich zu wissen, wann beispielsweise eine Karte zu zücken ist und welche und wann nicht, was ein taktisches Foul, was ein Eckball, ein Einwurf, ein Freistoß oder überhaupt ein Foul ist und was nicht, bleibt ein Rätsel. Und das betreffe den absoluten Großteil aller Schiedsrichter-Szenen. Und wer glaubt, die Summe dessen würde eine Partie nicht „spielentscheidend“ beeinflussen, dem sei eine gewisse Naivität unterstellt. Der VAR wird mit Ausnahme von fraglichen Abseitspositionen, die einem Treffer vorausgehen, Strafraumszenen, wobei man bei der Auslegung eines jeden Handspiels ebenso eine Münze werfen könnte, und roten Karten nichts an den unsäglichen Auftritten der Unparteiischen ändern. Und dass Schiedsrichter auch unter Zuhilfenahme aller zur Verfügung stehenden TV-Bilder Szenen völlig falsch bewerten können, wurde bereits des Öfteren bewiesen, zuletzt beispielsweise vom routinierten Rene Eisner. Derartiges wird zwar seltener passieren, dafür wird es dann jedoch der wahre Skandal sein, wenn ein Schiedsrichter ein Spiel minutenlang unterbricht, um sich dann trotz Zeitlupen falsch zu entscheiden.

Der VAR ist keine Allzweckwaffe. Er nimmt den Spielfluss, vermutlich auch Emotionen und macht Schiedsrichter nicht besser, ist es nur ein geringer Bruchteil aller Szenen, die davon beeinflusst werden. Stattdessen bräuchte es eine weitreichende Schiedsrichter-Reform, eine bessere Ausbildung bei besserer Entlohnung. Dann wäre es womöglich auch erstrebenswerter, sich nebenberuflich Schimpftiraden auszusetzen. Festzuhalten ist abschließend natürlich ebenso, dass Schiedsrichter Menschen sind, die einer sehr undankbaren und vor allem wahrlich nicht einfachen Tätigkeit nachgehen. Für Fehlentscheidungen muss daher im Fußball immer Platz sein. Sie müssen sich auf lange Sicht allerdings im Rahmen halten. Doch das taten sie nicht. Und das werden sie auch in näherer Zukunft nicht.

4 Kommentare

  1. Schworza99 sagt:

    Mag sein dass das die Schiris nicht besser oder schlechter sind als früher…der Fussball allgemein hat sich aber professionalisiert. Früher gabs noch Typen wie Basler, die rauchten und gesoffen haben am Vorabend des Spiels. Heute gibts Mentaltrainer, Diätologen, Video-Analysten etc. etc. Hier fällt es eben doppelt und dreifach auf wenn die Schiris nichts können aber der Sport immer schneller, präziser und genauer wird.

    Zum VAR: Natürlich ist er kein Allheilmittel, nur bringt er bestimmt mehr Vorteile als Nachteile.
    Szenario Eze-Beinbruch Foul: Schiri gibt Gelb – VAR sagt schaus dir nochmal an – statt Gelb reine Rote. Zusätzlich mit der Torlinientechnologie werden so zumindest die groben Schnitzer eliminiert die nicht sein müssen: glasklare Abseits, Tätlichkeiten und auch übersehene Fouls.

    Natürlich ist Rapid am meisten bevorteilt da sie der größte Verein mit meisten Fans etc. sind…das wirkt sich auf den Schiri ob bewusst oder unterbewusst aus. Der VAR nimmt so den Druck vom Schiri entscheiden zu müssen.

    • Erzschwoarza sagt:

      Seh ich auch so. Und die groben Schnitzer sind in den meisten aller Fällen eben Spielentscheidend. Ich bin froh das Var bald auch bei uns in der Liga eingesetzt wird!

    • Kolkrabe sagt:

      Geb dir Recht, nur wer entscheidet wann über den Einsatz von VAR? Das Eze umhacken war nicht rot, nicht gelb, ja nicht einmal ein Foul, wenn ich mich recht erinnere. Wer würde das VAR einschalten, weil ein Spieler im Mittelfeld herumliegt?

  2. 1909 sagt:

    Als ob zwischen dem hier und heute vom Fußball her viel anders wäre…

Schreibe einen Kommentar