Die Krux mit den Ultras
Sommer 2010: Weit über 20.000 Fans tauchen Klagenfurt in Schwarz und Weiß. Tolle Atmosphäre und was für eine Werbung für den stiefmütterlich behandelten ÖFB-Cup, so der allgemeine Tenor. Dementsprechend wird der Anhang medienwirksam auch in Szene gesetzt. Hier und da ein paar Bengalen? Schön. Grandiose Stimmung. Dass der Konkurrent um den Titel zu all dem nichts beiträgt, tut der Sache keinen Abbruch. Sieben Jahre später dasselbe Bild: Obwohl Konzernsympathisanten keinen Anlass sahen, sich in Klagenfurt zu zeigen, war die Kulisse endlich wieder eines Finales würdig. Wieder hat dafür nur ein Verein gesorgt, und wieder hat man das medial ausgeschlachtet. Immerhin ist das ja eine tolle Werbung für den österreichischen Fußball und speziell für den Cup. Und die ansonsten geradezu lebensgefährliche Pyrotechnik? Tja, nicht ganz so erlaubt, aber dann doch ein Blickfang und nicht weiter störend. Wie eben beim Nachtslalom in Schladming. Alles friedlich. So der aus den TV-Bildern und -Stimmen gewonnene Eindruck. Kein Wort von „Chaoten“, „Deppen“ oder ähnlichen Pauschalisierungen, an denen man sich sonst so gerne bedient – zumindest im Fußball.
Ebenfalls Sommer 2017: Die Blackys starten zum „Marsch nach Europa“. Ein imposantes Erlebnis. Auch SturmNetz war dort zahlreich vertreten. Einer der Redakteure stellt ein Live-Video ins Netz, das ordentlich die Runde macht. Weit über 150.000 Personen haben wir damit erreicht, doch die Reaktionen darauf könnten unterschiedlicher nicht sein und zu einem Großteil vor allem nicht negativer. Schnell hat man Randalierer, arbeitslose Totalversager, Schmarotzer und Zerstörer des Fußballs ausgemacht. Ohnehin scheint es ein österreichisches Phänomen zu sein, dass vor allem der immerzu besorgte Bürger rasch mit mahnenden Worten zur Stelle ist, sobald etwas aus welchen Gründen auch immer missfällt. Je weniger Ahnung man vom jeweiligen Thema hat, desto eher bemüßigt dieser Umstand zur sofortigen Kundgebung der eigenen Entrüstung, vorzüglich in sozialen Medien, damit auch jeder daran teilhaben kann. Touristen würde man ebenfalls mit derart schwachsinnigen Aktionen vergraulen, hieß es bei besagtem Video. Die Realität sieht freilich etwas anders aus. Es handelte sich bei diesem Marsch um eine angemeldete und bewilligte Veranstaltung. Die Teilnehmer hatten einfach Spaß, keine Spur von Aggressivität, Beschädigungen (lediglich ein Polizeiauto hat einen Sturm-Sticker abbekommen, der Schaden hält sich Gerüchten zufolge allerdings in Grenzen) oder Randalen jedweder Art. Man wollte einfach Flagge und die Liebe zum Verein zeigen und Geschlossenheit demonstrieren, was auch eindrucksvoll gelang. Und Spaß hatten im Übrigen auch Touristen, welche die ganze Szenerie erstaunt und sichtlich beeindruckt mit dem Smartphone festhielten, teilweise gar mitklatschten und -sangen.
Und die asozialen Ultras, die für derartiges verantwortlich zeichnen und sowieso nur Probleme verursachen? Das sind, quer durchs Land, in der Regel ganz normale Menschen. Häufig Akademiker, Lehrer, Autoren, Firmeninhaber, leitende Angestellte etc. – also nicht zwingend der Bodensatz der Gesellschaft. Dennoch wird gerade dieses Bild nur allzu oft vermittelt. Ultras seien prinzipiell gefährlich und vereinsschädigend, außer dann, wenn sie gerade einmal wieder Werbung für den österreichischen Fußball machen. Einem Milliardenkonzern gelingt dieses Kunststück, trotz einer überragenden EL-Saison, nämlich nicht, wie man gestern einmal mehr unmissverständlich vor Augen geführt bekam. Vor Beginn der Saison bereits entschiedene Meisterschaften, leere Ränge und Desinteresse sogar bei Cupfinale und Tellerübergaben steigern den Werbewert der heimischen Fußballkost und die allgemeine Begeisterung für ebenjene sowie das Stadionerlebnis wohl kaum. Selbst Akteure des Konzerns schwärmten gestern von der für sie ungewohnt tollen Kulisse. Gemeint sein kann dabei jedoch nur der grün-weiße Anhang. Den eigenen gab es schlichtweg nicht.
Überhaupt scheint es praktisch keine faire Berichterstattung rund um die Themen Fankultur und Ultras zu geben. Doch auch Probleme mit Fans lassen sich selbstredend nicht von der Hand weisen. Dort, wo viele Menschen zusammenkommen, gibt es leider schwarze Schafe. Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass sich selbiges Prinzip ebenfalls auf die Exekutive anwenden lässt, wobei der Eindruck entsteht, dass heute weitaus besser gearbeitet wird, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Zieht man allerdings die durchaus große Nordkurve als Beispiel heran, so wird deutlich, dass jedes Feuerwehrfest im ländlichen Raum mehr Gefahrenpotenzial beherbergt als mehrere tausend frenetischer Fans. Ausgerechnet die vielgescholtenen Ultras sorgen für Ordnung. Und das erfolgreich. Sollte es allerdings wo auch immer wegen einiger Deppen, die diese Bezeichnung dann auch tatsächlich verdienen, zu einem Vorfall kommen, so wird ohne zu zögern auf die Ultras geschlossen. Ob diese dafür überhaupt verantwortlich sind, ist nebensächlich.
Die Faszination für Ultras, Fankultur und Tradition im Fußball nicht zu teilen oder nicht zu verstehen, ist natürlich legitim. Das sollte jedenfalls dennoch kein Anlass sein, jene, die das doch tun, pauschal zu verteufeln und zu implizieren, dass es sich dabei lediglich um Versager handelt, die sich anderswo zu profilieren versuchen. Ebenfalls ist nicht jeder, der das Konzept Red Bulls nicht gutheißt, ein neidischer Idiot. Auch wenn der Konzernboss, der jüngst nicht gerade Zeugnis eines herausragenden Intellekts ablegte, das gerne so kommuniziert.
Besser kann man dieses Thema nicht beschreiben. Danke dafür!
Schöner Artikel und genau getroffen, die Ultras machen einen wesentlichen Anteil des Stadionerlebnisses aus.
Die Ultras würden ihren Ruf übrigens schnell verbessern, wenn man gegen die Deppen in den eigenen Reihen konsequenter vorgeht und sofort durchgreifen würden, anstelle zuerst mal zuzusehen wie Trikots angezündet werden, Tierköpfe im Stadion zur schau gestellt werden oder anderen Menschen der Galgen angedroht wird. Würden diese direkt von den Ultras hinausgeworfen werden, würde sich ihr Bild glaube ich deutlich verbessern.
„Tierköpfe im Stadion zur schau gestellt werden oder anderen Menschen der Galgen angedroht wird“
Wann genau hast du das beobachtet, ständig? oder nur einmal?
Aber bitte erklär mir doch mal wie du dir das „hinausgeworfen werden“ genau vorstellst, so ganz friedlich.
Bin ja grundsätzlich ganz bei dir, nur kann man schwer die Idioten aus der Kurve verbannen, sofern die sich nicht strafbar machen.
@Rockstar
Ich denke, er meint hinauswerfen aus den eigenen Reihen (sie aus den Fan-Clubs ausschließen od so)..???
Also wer ein Sturm Trikot anzündet hat im Stadion so oder so nichts verloren. Abgesehen davon das er viele Menschen gefährdet ist es auch sehr krank das Trikot des eigenen Vereins abzufackeln (egal was fürn Name draufsteht).
Beim Schweinekopf frage ich mich wie der überhaupt ins Stadion kommrn kann…
Die Fanklubs sollten in den eigenen Reihen wirklich härter durchgreifen…auch wenn unsere Fans noch sehr vernünftig im Gegensatz zu den Wienern sind und solche Vorfälle sehr selten vorkommen, sollten die schwarzen Schafe trotzdem zur Rechenschaft gezogen werden….den ich glaube kein Sturm Fan will das Logo des Vereins brennen sehen…
@Rockstar
Genau, rauswurf aus dem Fanklub und wenn man in solchen fällen mit der Exekutive und den Ordner zusammenarbeitet, können solche Deppen sofort entfernt werden ohne eine Schlägerei anzuzetteln und dann aktive Unterstützung der Fanklubs beim Durchsetzen von Stadionverbote zum Beispiel
2010 Sturm trifft im Rahmen der EL auf Juve. Ein paar Freunde und ich Live dabei. Die älteren Herren wollten Längs, hats nimmer gespielt, gab nurmehr Kurve wo alle zusammen hin konnten (Mir hats natürlich getaugt 😉 )
Mein Bruder Sturm Fan aber eben auch Del Piero Verehrer hat in einem Anflug von geistiger Umnachtung gemeint „Del Piero Shirt muss sein!“ der Tipp, dass das in der Kurve nicht gern gesehen ist, ungehört. „Na dann geh ich eben Raus wenn wirklich ungemütlich wird“ Hat er gemeint.
Natürlich kam was kommen musste. Wir rein in den Sektor, bitterböse Blicke, Diskussion, aber alles im Rahmen. Erstmal erklärt der Kleine ist Sturmfan, aber Del Piero eben sein Idol.
Irgendwann viel die Ansage „Auf da West tats olle unten liegen“ Sagt der Kleine „Najo, dü wüllst die oba jetzt ned wirklich mit die GRÜNEN vergleichen?“ Der Andere „Hast eigentlich Recht…“
Ende vom Lied: Wir sind etwas abseits gesessen, keine weiteren Diskussionen, keine Schlägerei einfach Kick schauen und genießen (obwohl 1:2). Der Kleine mit dem Del Piero Dress in der Kurve, muss heute noch immer schmunzeln und zeigt aber ganz deutlich dass ULTRA nicht autmatisch Randalierer und Schläger heißt. Wenn die Runde die mit uns das ausdiskutiert hat eben oben erwähnt schwarze Schafe gewesen wären, hätte es sicher anders ausgesehen.