Der Stoff, aus dem die Träume sind
Vor ziemlich genau einem Jahr wurden an dieser Stelle ähnliche Töne angeschlagen: Sturm sei so gut wie (fast) noch nie, man könne dieser Mannschaft Großes zutrauen und Statistiken zufolge ist selbst der Meistertitel gar nicht sonderlich unwahrscheinlich. Sturm war derart stark, was hätte da überhaupt noch schiefgehen können? Vieles. Denn geworden ist nach einem fulminanten Saisonstart aus verfrühten Träumereien freilich nichts. Ernüchterung und Unzufriedenheit waren nach einem Einbruch und schwachen Frühjahr trotz guter Platzierung abermals die Folge. Stein des Anstoßes für eine regelrechte Unserie war ausgerechnet ein Last-Minute-Tor und unglücklich verschenkter Sieg gegen einen in Graz ungern gesehenen Gegner: Mattersburg. Sage und schreibe fünf Jahre konnte dieser auf heimischen Boden nicht bezwungen werden. Viele Parallelen wurden daher am vergangenen Spieltag gezogen, und als nur wenig auf einen Punktegewinn und noch viel weniger auf einen Sieg hindeutete, schwante einem Böses. Doch konnten die Blackys, mit ausgezeichneter Moral ausgestattet, die Burgenländer niederringen, obwohl man sich über weite Strecken schwertat und kaum zu glänzen wusste. Solche Spiele müsse man aber erst einmal gewinnen, war man sich danach einig und das völlig zurecht. Die Geschichte wiederholte sich demnach zum Glück nicht, zumindest vorerst nicht. Es war dies sogar der bereits zweite Sieg dieser Art in einer noch nicht allzu langen Saison, man denke an den Saisonauftakt gegen St. Pölten. Sturm wirkt insgesamt reifer, ist definitiv um ein Vielfaches variabler geworden und hat sogar noch einige Akteure in der Hinterhand, die ebenfalls hoffen lassen.
Doch nicht nur der Ausgang der jüngsten Partie ist ein erfreulicher Unterschied zur vergangenen Saison. Viel schwerer wiegt der Umstand, dass in dieser Spielzeit auch der zweite Rang für die Champions League-Qualifikation berechtigt. In Anbetracht der Leistungen der Konkurrenz scheint – ohne voreiliger, unangebrachter Euphorie – zumindest eines klar zu sein: Unmöglich ist das mit Sicherheit nicht, obwohl wie immer kaum ein Weg am konzerngesteuerten Ligakrösus vorbeiführen wird. Doch Sturm hat heuer mehr als nur eine Idee, die man umzusetzen weiß. Jeweils ein Sieg in direkten Duellen gegen Rapid, Red Bull und deren sogar schon zwei gegen die Austria, wobei die schier unglaubliche Dominanz in Letzterem nur so eine Freude und regelrechte Machtdemonstration war, vermögen im Kampf um den begehrten CL-Startplatz noch eine gewichtige Rolle zu spielen und unterstreichen die gegenwärtige Stärke unserer aller Herzensangelegenheit. Lediglich der Besucherandrang, der derzeit einzige Wehrmutstropfen, hält in diesem Zusammenhang (noch) nicht Schritt. Ein Thema, dem mir Kollege Pucher hier bereits zuvorgekommen ist.
Die bereits angesprochene Variabilität ist es vor allem, die Sturm auszeichnet. Hat Coach Franco Foda in der Vergangenheit viel Kritik ob eines ihm nachgesagten Starrsinns hinsichtlich Taktik und Spielauslegung einstecken müssen, so überrascht er heuer mit dem exakten Gegenteil. Man weiß bei Ankick also noch nicht zwingend, was einen erwartet. Das war bekanntlich nicht immer so. Ob das am nun vorhandenen Spielermaterial liegt oder andere Gründe hat, sei den eigenen Wunschvorstellungen überlassen. Außerdem können etwaige Ausfälle absolut adäquat ersetzt und während des Spiels von der Bank aus reagiert werden. Auch das war nicht immer so. Oft kam es in Graz beispielsweise nicht vor, dass ein Spieler für einen Kurzeinsatz derart umjubelt wurde wie zuletzt Emeka Friday Eze, um nur einen zu nennen, der sich durchaus Chancen auf weitere Einsatzminuten ausrechnen darf. Alles in allem zeichnet sich derzeit ein ausgesprochen positives Gesamtbild. Doch es wäre nicht Sturm, hätte man nicht gleichzeitig Angst, dass es doch wieder ganz anders kommt. Andererseits, die Champions League-Hymne neuerlich in Liebenau zu hören, das wäre ohnehin längst überfällig. Träumen darf man ja noch. Wann, wenn nicht jetzt.
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