Der Jahrhunderttormann ist 50!
Günther Paulitsch, Walter Saria, Otto Konrad: Drei Legenden in der langen Historie hatten das Nachsehen, als das Sturm-Echo 2009 zur Wahl einer Jahrhundertelf des Sportklub Sturm aufrief. Die Nase vorne in Sachen Torhüter des Jahrhunderts hatte nämlich ein am 4. März 1967 im polnischen Szczecin geborener, 1,90-Meter-Hüne. Einer, der in der erfolgreichsten Ära des Grazer Traditonsklubs zwischen den Pfosten stand: Kazimierz Sidorczuk.
Profi wird der gelernte Zuckerbäcker im noch kommunistischen Polen – Lech Walesa war gerade drauf und dran, mit seiner Gewerkschaft Solidarność einen Umschwung im Land zu erwirken – relativ spät, Torhüter auch nur deshalb, da der ausgezeichnete Volleyballer mit bereits 16 Jahren aufgrund seiner Größe von einem Jugendtrainer die Handschuhe in die riesigen Tatzen gedrückt bekam. Seine Karriere beginnt beim heutigen Viertligisten Dab Debno, mit 22 Jahren wechselt er zu Lech Posen, wo er in drei Jahren erstmals auch echte sportliche Erfolge feiert. Das Team aus der fünftgrößten polnischen Stadt wird mit Sidorczuk im Tor dreimal Meister, wirft im Pokal der Landesmeister Panathinaikos Athen aus dem Bewerb, gewinnt – wie später auch Sturm – zuhause gegen Olympique Marseille mit 3:2. In der Qualifikation zur erstmals ausgetragenen Champions League scheitert man allerdings an IFK Göteborg. Danach wird der Torhüter von einem millionenschweren polnischen Zeitungsinhaber gekauft und für den 14-fachen Nationalteamspieler beginnt eine vierjährige Wanderschaft als Mietgoalie bei insgesamt fünf Vereinen innerhalb der Landesgrenzen. Zwar absolviert er einige Probetrainings in Deutschland, der Türkei und England, zu einem Kontrakt im Ausland reicht es vorerst aber noch nicht.
Im Dezember 1996 klingelt ein gewisser Heinz Schilcher bei ihm durch, in Graz ist man gerade drauf und dran, etwas ganz Großes aufzubauen und den beiden Torhütern Roland Goriupp und Heinz Arzberger traut man es nicht vollends zu, dabei die erste Geige zu spielen. Zudem war der vergangene Herbst am Jakominigürtel alles andere als zufriedenstellend verlaufen. Ein gutes Testspiel reicht aus und Sidorczuk unterschreibt bei Sturm seinen ersten Auslandsvertrag, wird zudem von Beginn an Stammspieler und das alles ohne auch nur ein Wort Deutsch zu können. War Sturm im Herbst, noch ohne den Polen im Tor, siebenmal als Verlierer vom Platz gegangen, sind es im Frühjahr mit Kazi zwischen den Pfosten nur noch insgesamt zwei Niederlagen. Die erste gar erst bei seinem zwölften Einsatz, als Sturm am Innsbrucker Tivoli durch späte Tore von Janeschitz und Sliwowski mit 0:2 verliert. Im Mai schlägt Sturm die Vienna mit 2:1 und wird erneut österreichischer Cupsieger. Goldene Zeiten sollten nun folgen.
Zwar verpasst Sidorczuk in der Saison 1997/98 aufgrund einer Schulterverletzung das Eröffnungsspiel im neuen Liebenauer-Stadion und somit auch den 4:0-Derby-Erfolg gegen den GAK, in den restlichen 35 Begegnungen hütet er aber ununterbrochen das Tor des SK Sturm. Bis zur ersten Niederlage sollten diesmal dreizehn Spiele vergehen, die zweite folgte erst in Runde 33. Sturm wird erstmals und in überlegener Manier Meister und wiederholt in der Folgesaison diesen Titel. Sidorzcuk verpasst auch im zweiten Meisterjahr nur zwei Spiele, eines davon wegen einer Nominierung in das polnische Nationalteam.
In der Vorbereitung für die Saison 1999/2000 verletzt sich der Pole und Sturm geht mit Pepi Schicklgruber im Tor in die neue Spielzeit, Kazi ist zwar fit, erhält aber erst wieder beim Heimspiel gegen Manchester United seine Chance. Doch ohne Spielpraxis patzt er bei einem 30 Meter-Schuss von Roy Keane und muss danach wieder auf der Bank Platz nehmen. In der darauffolgenden Saison mausert er sich wieder zum Stammgoalie, beim 2:0-Heimsieg gegen den AS Monaco verletzt er sich allerdings in der 83. Minute bei einem Ausschuss erneut am Oberschenkel, trotzdem gibt Hannes Kartnig die Order aus, dass der Pole beim alles entscheidenden Spiel auswärts gegen Galatasaray im Tor stehen muss. Es bedarf zahlreicher Infusionen, um den Polen rechtzeitig zum Spiel im Ali-Sam-Yen wieder fit zu bekommen. Sturm erreicht bekanntlich ein 2:2, das Risiko hat sich bezahlt gemacht und Sturm zieht sensationell als erstes und bislang einziges österreichisches Team in die Zwischenrunde der Königsklasse ein.
Als Sturm nach der erfolgreichen Champions League-Zeit in ein tiefes Loch stürzt, ein Transferflop dem nächsten folgt, eine Zeit voller unrühmlicher Abschiede beginnt und Hannes Kartnig aufgrund der ausufernden finanziellen Misere völlig die Kontrolle über den Verein verliert, erwischt es auch den langjährigen Torhüter. Im März 2002 kassiert der Pole auswärts gegen SW Bregenz zehn Minuten vor Abpfiff den angeblich haltbaren 1:1-Ausgleichstreffer – tatsächlich hatte sich der kleine Axel Lawaree im Kopfballduell gegen die beiden Riesen Eddy Bosnar und Andrej Panadic durchgesetzt – und beim damaligen Präsidenten brennen wieder einmal alle Sicherungen durch. Kartnig steht nach dem Schlusspfiff plötzlich in der Kabine und lässt seinen Frust am Torhüter aus, indem er diesen umgehend vor versammelter Mannschaft zum Sündenbock erklärt. Der mittlerweile Austro-Pole lässt diese verbale Entgleisung nicht auf sich sitzen und wehrt sich ebenfalls lautstark. Gegen Ende der Saison will dann der Präsident von einer per Handschlag ausgemachten Vertragsverlängerung nichts mehr wissen, Sidorczuk verlässt den Verhandlungstisch und sagt den Blackies nach fünfeinhalb Jahren Adieu. Sturm war nicht bereit, den Polen mit einem annähernd gleich gut dotierten Vertrag wie den damaligen Konkurrenten Daniel Hoffmann – der sich wie viele andere auch als absoluter Transferflop erwies – auszustatten. Dies begründete man damit, dass Sidorczuk schlicht und einfach zu alt sei. Kurios, dass Kartnig ein Jahr später justament den damals bereits 39-jährigen Filip de Wilde verpflichtet. Auch deshalb, weil im ersten Jahr ohne Kazi das Torhütergespann Hoffmann/Weber alles andere als eine gute Figur macht.
139 Spiele in der Meisterschaft (55mal dabei zu null!), 17 Einsätze im ÖFB-Cup, 16 Partien in der Champions League und vier im Pokal der Pokalsieger sowie je zwei Meistertitel und zwei Pokalerfolge bleiben somit in der Erfolgsbilanz des Polen während seiner aktiven Zeit bei den Blackies. Exemplarisch sei hier das Cupfinale 1999 genannt, in dem er zum Matchwinner avanciert, als er im Elfmeterschießen gegen den LASK die beiden Versuche von Klaus Rohseano und Markus Weissenberger hält. Und das obwohl Trainer Ivica Osim eigentlich geplant hatte, den „LASK-Experten“ Pepi Schicklgruber eigens für das Shoot-Out in das Tor zu stellen, dann allerdings schon während der 120 Minuten das Wechselkontigent aufgebraucht war.
Kazimierz Sidorczuk wechselt im Sommer 2002 zum Kapfenberger SV in die zweite Liga, absolviert dort in vier Jahren 102 Spiele für die Obersteirer und beendet erst mit 39 Jahren seine aktive Karriere. 2006 kommt es zur doch für viele überraschenden Rückkehr nach Messendorf, als er das Amt des Torwart-Trainers antritt. In seine Ära fallen immerhin ein Cupsieg und ein Meistertitel, vor allem aber schafft Christian Gratzei unter seiner Ägide den Sprung in das Nationalteam. 2014 endet die achtjährige Tätigkeit, nachdem es zwischen dem Polen und dem damaligen „einzigen General-Manager weltweit“ zu einem Zerwürfnis kommt. Wie schon zwölf Jahre zuvor gibt es keine Blumen zum Abschied, sondern endet sein Arbeitsverhältnis mit dem SK Sturm äußerst unschön. Der Verein habe ihn weder als Spieler noch als Tormanntrainer in irgendeiner Form verabschiedet, wird der Pole später vielerorts zitiert. Nichtsdestotrotz darf sich „Kazi“ sicher sein, dass er bei den Sturmfans wohl noch lange Zeit nicht in Vergessenheit geraten wird. Wir von SturmNetz wünschen dem Jahrhunderttorhüter auf diesem Wege alles Gute zum 50. Geburtstag. Seine unzähligen Paraden werden stets einen würdigen Platz in den Annalen der schwarz-weißen Klubgeschichte behalten.
Dass Daniel Hofmann keine gute Figur machte, kann man so nicht sagen.
Der wog als Profisportler etwa soviel wie ich mit zwei Kisten Bier(in Händen – nicht im Blut).
Guter Artikel, guter Tormann, sympathischer Bursch.
Alles Gute!
Alles Gute zum 50er!!!
Und auf diesem Weg möchte ich tun, was unserer glorreichen Führung bis heute net gelingt: Danke Kazi für Alles was du für Sturm unfassbares geleistet hast! Das du sportlich u menschlich immer einer der Großen warst..
@graz4ever
Und er war menschlich so super, weil?
Es gibt immer 2 Seiten.
Er Charakter gehabt hat, net nachtragend war+geholfen hat, als Sturm net ganz so super dastand..
Alter, sogar wennst nur den Artikel liest+sonst nix über ihn weißt, kann man herauslesen, daß er charakterlich echt ok war..
Gegenfrage: Was findest du so schlimm an ihm, oder so falsch an meiner Aussage?
Net nachtragend war. Der war gut.