Der große SturmNetz-Jahresrückblick (Teil 1/4)
Das 109. Bestandsjahr des Sportklubs Sturm Graz war ein – passend zum Vereinsnamen – mehr als stürmisches. Ein orkanartiges Frühjahr mutierte dabei im Mai in Klagenfurt zum Hurrikan, als man nach siebenjähriger Flaute mit dem Cupsieg wieder einen Titel holte. Doch Sturm wäre nicht Sturm, hätte sich der Wind rund um Messendorf nicht rasch gedreht: Ein äußerst enttäuschender Frühherbst sollte folgen. Larnaka und Trainerentlassung als Kulminationspunkte. Es bedurfte schon einer Vereinslegende, die die Segel neu setzte und den Klub wieder in ruhiges Fahrwasser brachte. Obwohl die schwarz-weiße Farbkombination zu den Blackys besser passt als jede andere, eine derart rasche Abfolge von himmelhoch jauchzend zu zu Tode betrübt ist selbst für Sturmverhältnisse durchaus außergewöhnlich. SturmNetz lässt das Jahr 2018, aufgeteilt in vier Kapitel, nochmals Revue passieren:
Als Winterkönig rutschte der SK Sturm Graz ins Jahr 2018. Einen Punkt Vorsprung auf Verfolger Salzburg und gar zehn auf den Tabellendritten Rapid Wien hatten sich die Blackys im Herbst herausgeschossen. Ab nun musste man aber ohne Langzeittrainer Franco Foda auskommen, der mit Jahreswechsel – ab da an auch hauptberuflich – zum ÖFB abkommandiert wurde. Am Donnerstag, dem 4. Jänner 2018, starteten Neo-Coach Heiko Vogel und sein Co Joachim Standfest in das neue Fußballjahr. Standfest wurde von den in der Hinrunde groß aufspielenden Amateuren abgezogen, um den ebenfalls zur Nationalelf übergelaufenen Thomas Kristl zu ersetzen. Eine Entscheidung, die die Wertigkeit, welche die Regionalliga-Mannschaft innerhalb des Klubs genießt, deutlich unterstrich und ihr zunächst merklich alles andere als guttat. Am 18.1. hob der Sturmtross in das Trainingslager nach Malaga ab, besiegte dort den FC Basel und Dynamo Kiev und trotzte dem FC St. Gallen ein 1:1-Unentschieden ab. „Überschattet“ wurden die Tage in Spanien jedoch von einem für Sturm sehr schmerzlichen Verlust: Unser aller Lieblings-Außengrieche Charalampos Lykogiannis wurde sich in Andalusien mit dem Serie-A-Klub Cagliari Calcio final einig und verließ noch via Spanien den Klub gen Italien. Für eine kolportierte Transfersumme von 500.000 Euro. Die wollte Sportdirektor Günter Kreissl im Gespräch mit SturmNetz zwar nicht bestätigten, beschwichtigte jedoch „es hat sich für uns auch finanziell rentiert, sonst hätte ich es nicht gemacht„. Nur drei Tage später wurde Ex-Rapid-Spieler Thomas Schrammel als vermeintlicher Lyko-Ersatz eingeflogen. Dafür bedurfte es zuvor allerdings noch des OKs der Rapid-Ultras. Nähe zu den Fans schön und gut, dumm gelaufen nur, dass dieses letzte Au Revoir öffentlich wurde und der Burgenländer infolge dessen von Beginn weg bei den Sturmknofln alles andere als einen leichten Stand hatte.
SturmNetz war auch in der spanischen Wintersonne nicht untätig und führte in Malaga das erste Interview mit Neo-Coach Vogel. Der Deutsche stellte sich sehr wohlwollend und sympathisch unseren Fragen und gab unter anderem Folgendes zu Protokoll: „Das Einzige, was ich definitiv versprechen kann, ist, dass ich alles in meiner Macht Stehende dafür tun werde, dass die Mannschaft einen Fußball spielt, der die Fans in Graz begeistern kann. Wenn die Fans dann uns begeistern und der Funken überspringt, dann hoffe ich, dass wir Synergien daraus gewinnen, um vielleicht neben gutem Fußball auch noch den einen oder anderen Erfolg einheimsen können.“ Aus Spanien retour dann der erste schwarz-weiße Paukenschlag im noch jungen Jahr. Günter Kreissl lud ganz unaufgeregt zur einer Pressekonferenz, um allerhand Medienvertreter „über aktuelle Transfertätigkeiten“ zu informieren. Zuvor gab es Gerüchte über eine eventuelle Leihe des Nigerianers Bright Edomwonyi, auch von einer Jantscher-Rückholung wurde gemunkelt. Wieder einmal stellte der Sportdirektor an jenem Tag unter Beweis, dass er auch als Dramaturg am Wiener Burgtheater durchaus reüssieren könnte. Zwar mit leichtem Lächeln, allerdings unaufgeregt und tiefenentspannt, verkündete er, dass nicht nur einer aus diesem Duo an Land gezogen werden konnte, nein, beide Spieler sollten tatsächlich bereits in der Rückrunde die Offensive der Blackys verstärken. Vorfreude auf das Kommende, sogar Euphorie war zu spüren oder wie es unser Einwurf-Spezialist Gernot Hofer in seiner Kolumne betitelte: „Es liegt was in der Luft.“
Doch bereits vier Tage später wurde man auf den gefrorenen, nordburgenländischen Boden der Realität zurückgeholt. Die Vogel-Elf verlor bei dessen Premiere zum Frühjahrsauftakt wieder einmal in Mattersburg. Was jedoch noch überraschender kam, war, dass sich die lokalen Medienprimi bereits nach 90 Minuten und aus unerfindlichen Gründen auf den Neo-Coach einschossen. Als Beispiel hierfür noch einmal ein besonderes Gustostückerl, welches sogar schon bevor die Kugel im Jahr 2018 überhaupt rollte, im größten Kleinformat Österreichs zu lesen war:
Auszug aus der Krone-Rubrik „Am Ball“ vom 2. Februar 2018:
„Steht Sturm am Meisterschaftsende auf Platz zwei, hat der Mann aus der Pfalz die Pflicht erfüllt. Mehr aber auch nicht. Sollte der „Winterkönig“ in den verbleibenden 16 Runden aber gar den 10-Punkte-Polster auf Rapid einbüßen und somit die Qualifikation zur Champions League in den Sand setzen – dann heißt es nach dem Saison-Kehraus wohl oder übel: Sturm schießt den Vogel ab! Und falls es Vogel tatsächlich schafft die „Bullen“ in Schach zu halten und mit den „Schwarzen“ als Erster ins Ziel zu rauschen, dann wären dem 42-Jährigen zwar Ruhm und Ehre sicher, aber auch den begehrten Meisterteller müsste er sich mit dem Teamchef teilen, der im Herbst das Fundament dazu gelegt hätte. Der Schatten Fodas würde auch über einem Cup-Triumph liegen, wo Sturm mit einem halben Fuß ja auch schon im Halbfinale steht. Auf allen Linien gewinnen kann der Coach erst ab nächster Saison, wenn er ohne „Altlasten“ loslegen kann. Da könnte er sich mit dem Einzug in die Champions League gleich ein Denkmal setzen.“
War es gekränkte Eitelkeit, war es der Schmerz über den Verlust eines Lebensmenschen, die Gründe warum dem Neo-Coach aus den Redaktionsstuben der auflagenstärksten Printmedien ein derart rauer Wind entgegenschlug, werden wohl niemals restlos aufgeklärt werden. Als die Blackys eine Woche darauf in Wolfsberg als Verlierer vom Platz schlichen, verschärfte sich die Kritik gegenüber Vogel noch um ein Vielfaches. Viel eleganter fasste ein SturmNetz-Kollege die Pleite im Schatten der Koralpe zusammen, als er direkt nach Schlusspfiff folgenden Satz auf elektronisches Papier brachte:
„Wäre der Frühjahrsauftakt ein Pfeil gewesen, er hätte die schwarz-weiße Seele niedergestreckt“ (Bernhard Pukl)
Wie nebensächlich und unbedeutend zwei Bundesliganiederlagen sein können, wurde der Sturmfamilie nur einige Tage nach dem 0:1 in Wolfsberg bewusst. Wenige Wochen vor seinem 55. Geburtstag verstarb mit Ehrenpräsident Hans Rinner jener Mann, der den Sportklub Sturm dank unermüdlicher Arbeit und massig Herzblut im Jahr 2007 wieder Atem einhauchte und hauptverantwortlich dafür zeichnete, dass der Verein bereits wenige Jahre nach einem finanziellen Kollaps wieder unverrückbar und mit breiter Brust dastand.
Im dritten Spiel unter Heiko Vogel musste Sturm nach Hütteldorf und ging im Westen Wiens schnell in Führung: Nach kapitalem Fehler von Rapid-Keeper Strebinger überlauerte Fabian Koch die Situation am schnellsten und bediente den freistehenden Thorsten Röcher im Strafraum. Dieser legte auf Deni Alar ab, der wiederum uneigennützig auf die Nummer 29 zurückspielte und einen satten Schuss später waren die Blackys auch schon in Front. 1:0 in der 20. Minute bedeutete die etwas glückliche Führung für den Tabellenzweiten. Sieben Minuten später hätte man schon sehr früh in der Partie die Zeichen noch deutlicher Richtung Auswärtssieg stellen können, ja beinahe müssen. Nach guter Balleroberung von Stefan Hierländer tauchten plötzlich vier Sturm-Akteure fast völlig alleine vor dem Tor der Wiener auf. Anscheinend gab es für den Villacher aber zu viele Optionen, denn das Zuspiel auf Röcher fiel miserabel aus und so wurde diese Großchance mehr als leichtfertig vergeben. Eine in dieser Phase symptomatische Szene. Da es Boli Bolingoli zwei Minuten vor Schluss aus 18 Metern wesentlich besser machte, endete das Spiel mit einem 1:1-Remis. Dieser erste Punktegewinn wurde aber aufgrund eines legendären Interviews, das Günter Kreissl dem Bezahlsender SKY gab, schnell zum Nebenschauplatz:
GK (entschlossen): Ja, Kampfmodus! Das brauchen wir ab jetzt.
Gerade in dieser Situation bewies der Sturm-Anhang, dass er nicht nur in der Lage ist die 11 Mannen am Feld 90 Minuten bedingungslos nach vorne zu peitschen, sondern gab im Paschinger Waldstadion auch das einzig wahre Statement ab. Im Linzer Vorort rannte das schwarz-weiße Werkl erstmals wie geschmiert und der LASK wurde mit 2:0 besiegt. In der 90. Minute stimmten die Sturmfans wie aus dem Nichts lautstark „Heiko Vogel“-Sprechchöre an. Damit stärkten sie jenem Mann den Rücken, unter dem das Team zuvor aus vier Bundesligaspielen nur einen Punkt einfahren konnte. Günter Kreissl meinte im Interview, er finde dieses Gerechtigkeitsgefühl der Anhänger begeisternd. Kurz nachdem im darauffolgenden Heimspiel die Admira mit 4:2 gebogen werden kann, vermeldeten die Blackys bereits die erste Neuverpflichtung für die kommende Saison. Markus Lackner unterzeichnete beim SK Sturm einen Vertrag bis 2021. Der 26-jährige Defensiv-Allrounder kam von eben jenen Südstädtern, bei welchen er noch bis zum Sommer seine Fußballschuhe schnüren wird. Für Günter Kreissl ist er „gemäß unseres derzeitigen Suchprofils eine Optimallösung und einer der interessantesten österreichischen Spieler, deren Vertrag 2018 ausläuft.“ Als am 17. März Altach mit 1:0 besiegt wurde und Deni Alar endlich wieder traf, schien die Operation „Kampfmodus“ endgültig zufriedenstellend absolviert. Rund um den Sportklub Sturm herrschte endlich wieder ein wenig Ruhe und vor allem mit Blickrichtung Cup-Halbfinale auch Euphorie. Indiz für die starken Vorstellungen war auch, dass beim freundschaftlichen Länderspiel Österreich gegen Luxemburg gleich drei Spieler des SK Sturm (Siebenhandl, Hierländer und Zulj) eingesetzt wurden.
Am letzten Tag des ersten Jahresquartals (und damit endet auch der erste Teil unseres Saisonrückblicks) gastierte der SK Sturm beim Tabellenletzten St. Pölten und konnte in der niederösterreichischen Landeshauptstadt den höchsten Auswärtssieg seit einem 6:0 in Grödig im Jahr 2014 einfahren. Edomwonyi und Alar sorgten bereits in Halbzeit eins für eine schnelle Führung, Zulj, erneut Alar und Huspek trafen in den zweiten 45 Minuten. Den Blackys gelang der vierte Sieg in Folge und trotzdem war Coach Vogel weit davon entfernt, restlos zufrieden mit seinen Schützlingen zu sein. „Ich sehe noch viel Luft nach oben. Nach dem 2:0 haben wir zu sehr nachgelassen. Es war nicht okay, dass wir den Gegner so ins Spiel zurückkommen lassen. In der zweiten Halbzeit haben wir dann das umgesetzt, was wir uns für 90 Minuten vorgenommen hatten. Es geht in die Richtung, die ich mir vorstelle.“ Sprachs und schlapfte dennoch zufrieden davon. Die zehn Punkte Vorsprung auf den Tabellendritten konnten – trotz des holprigen Frühjahrsstarts – durch diese Siegesserie sogar noch ausgebaut werden und dem Coach gelang es, die schwarz-weiße Anhängerschaft durch die Art und Weise, wie Sturm nun auftrat, zu begeistern. Der Champions-League-Quali-Platz schien endgültig abgesichert und man war gerüstet für das bevorstehende Cup-Halbfinale gegen Rapid. Zudem sollte sich in diesem Frühjahr auch noch ein echtes Highlight der schwarz-weißen Klubgeschichte zutragen, doch darüber und darüber hinaus dann im zweiten Teil unseres „Großen SturmNetz-Jahresrückblick“.
Anzeige Mobil
Anzeige
RECENT POSTS