Der Bomber und ich

SturmNetz-Advent 2018 – #19

Auch in diesem Jahr möchten wir euch die Zeit bis zum heiligen Abend etwas versüßen. Im heurigen Advent blicken wir zurück auf einige denkwürdige Ereignisse aus 3,5 Jahren SturmNetz. Hinter Türchen Nummer 19 steckt eine Geschichte über ein ganz besonderes Interview.

© Martin Hirtenfellner Fotografie

An dieser Stelle hätte man wohl über unfassbar viele Episoden der vergangenen SturmNetz-Geschichte schreiben können. Ereignisse, wie die unzähligen Treffen und Weihnachtsfeiern, die oftmals an Orten endeten, von deren Existenz der Autor zuvor kaum bis gar nichts wusste. Oder das legendäre Wintertrainingslager in Sotogrande, inkludiert sei an dieser Stelle ein fragwürdiger Leihwagen und ziemlich viel Stress bezüglich Verpassen des Heimfluges. Vielleicht könnte man sich auch den Pressekonferenzen und Wortgefechten mit Franco Foda widmen? Die präferierte Wahl des Autors ist aber auf ein Relikt schon längst vergangener Tage zurückzuführen. Wir blicken in eine Zeit, als die Zusammenarbeit mit dem Verein noch – gelinde gesagt – sehr schleppend funktionierte und man mit Dingen wie einem Interviewverbot und der Schreckensherrschaft des Generals in Graz-Messendorf konfrontiert wurde.

Damals waren dem Autor jegliche sportjournalistischen Fähigkeiten fremd und der Traum, mit seriöser Berichterstattung gutes Geld zu verdienen, omnipräsent. Die ersten Artikel wurden verfasst und mit Fortdauer der SturmNetz-Mitgliedschaft ergaben sich ungeahnte Möglichkeiten, von denen man zuvor nicht einmal im Ansatz zu träumen gewagt hätte. Es schien tatsächlich im Bereich des Möglichen, ein Interview mit dem einzig wahren Bomber zu führen. Mit einem von uns, mit einer Sturmlegende schlechthin, mit dem Rekordtorschützen, der ewigen Nummer Sieben der Schwarz-Weißen. Kurzum: mit Mario Haas!

Vorab verlief der Kontakt schon recht angenehm und sehr unkompliziert und so rückte der große Tag immer näher. Es war eines der allerersten SturmNetz-Interviews und die Bedeutung ebenjenes kann heutzutage wohl gar nicht mehr richtig begriffen werden. Das Haas-Interview war für den Autor nicht nur die Erfüllung eines Kindertraumes, sondern stellte gleichzeitig auch eine echte Bewährungsprobe für unser junges Portal dar. Umso glücklicher war der junge Mann, als er erfuhr, dass ihn Kollege Gernot Hofer begleiten und zur Seite stehen würde.

In einem Sturm12-Interview hat der Bomber einmal darüber lamentiert, dass er stets mit seinem Vornamen und nie in der Höflichkeitsform angesprochen wird. Daher bemühten wir uns genau darum und nannten den Rekordtorschützen und Fanliebling des SK Sturm Graz stets „Herr Haas“. Das war ungewohnt. Und es fühlte sich tatsächlich einfach falsch an. Ihm schien es aber zu gefallen, wohlwissend, warum wir uns genau dafür entschieden. In der Europäischen Ethnologie lernt man in den Einführungslehrveranstaltungen, offene Fragen zu stellen und den Befragten möglichst viel reden zu lassen, ohne dazwischen zu grätschen. Fußballer haben jedoch die Angewohnheit, recht kurze und prägnante Antworten zu geben, wie der Autor in späteren Interviews schmerzlich erfahren musste.

Bei Herrn Haas war das anders, man hatte das Gefühl, er möchte etwas erzählen – das Sturm-Feuer lodert im Bomber wie eh und je. Nach einer knappen Stunde, was wirklich eine sehr lange Dauer für ein Interview ist, wie jeder, der ein solches schon einmal transkribiert hat, weiß, war die Zeit mit Herrn Haas zu Ende. Ein paar Fotos für das private Familienalbum und das öffentliche Facebook-Profil wurden geschossen und man verabschiedete sich höflich. Eine Lawine von Gefühlen prasselte im Anschluss auf meinen Interviewkollegen und mich ein. „Ist uns das wohl auch gelungen? Haben wir die richtigen Fragen gestellt? Hat mit dem neu erworbenen Diktiergerät alles geklappt?“ und so weiter. Rasch wurde aber bewusst, zu diesem Zeitpunkt dahingehend eben noch absolute Anfänger, dass wir hier etwas Gutes geschafft haben. Noch am Parkplatz der Sportanlage in Pachern ließen wir das zuvor Geschehene etwas Revue passieren. Mission accomplished – Erleichterung. 

Nun ging es in unzähligen Arbeitsstunden darum, auch die Leserschaft zu überzeugen und einen Meilenstein in der SturmNetz-Geschichte zu setzen. Die Sekunden vor der Veröffentlichung des Artikels kamen dem Autor vor wie Stunden und die Spannung steigerte sich ins Unermessliche. Wenige Minuten danach machte sich Erleichterung breit, denn die Reputation fiel zu einem hohen Prozentsatz sehr positiv aus. Ein Glücksgefühl und die Gewissheit, dass wir das doch gar nicht so schlecht drauf haben, folgten. Nicht zuletzt auch davon motiviert war uns nun klar, was mit SturmNetz noch so alles möglich sein wird. Vielleicht war es nur ein gewöhnliches Interview mit einem außergewöhnlichen Menschen. Vielleicht war es aber doch ein nachhaltiger Anstoß, eine Art Initialzündung, um unser Handwerk besser und besser beherrschen zu wollen. So oder so, mir wurde die Ehre zuteil, Vereinsikonen zu treffen und – auch wenn ich es selbst nicht für möglich hielt – ein noch engeres Verhältnis zu meinem Herzensklub aufzubauen. Auch deshalb, weil jede Schreckensherrschaft ein Ende findet.

 

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