Den Fußball und sein Image retten…

Ein Piefkecorner als Denkanstoß in der Länderspielpause

Mitten rein in die Länderspielpause durfte ich mich abseits von Sturmnetz-Tickern, Werder-Spielen und der Bochumer Tabellenführung in der zweiten deutschen Liga am vergangenen Dienstag in eine Zoom-Konferenz der Football Supporters Europe (FSE) wuchten, die sich mit dem Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit im Fußball auseinandersetzte. Klingt erst einmal mühsam, aber inhaltlich gab es dann doch einige spannende Denkanstöße, die bestimmt auch in Graz auf offene Ohren treffen dürften.

Für jene, die FSE noch nicht kennen – es handelt sich hierbei um eine NGO, die von unterschiedlichen Fußballfanzusammenschlüssen aus Europa 2008 gegründet wurde und die sich seitdem für die Interessen von Fußballfans in jeglicher Hinsicht einzusetzen versucht. Anti-Diskriminierung, Empowerment, Lobbying im Interesse der Fans (Ticketpreise, Sicherheit, Richtlinien, Rechtsbeihilfen gegen Repression etc), Monitoring bei Großereignissen zu Einhaltungen der Vereinbarungen, Gesetze und Menschenrechte stehen auf der Agenda. Dass der Kampf gegen die Klimakrise nun ebenfalls “getackelt” werden soll, ist da nur eine logische Folge des Engagements.

Die Football Supporters Europe stellen sich vor.

Und bei dieser Thematik scheint sich global nicht nur bei Fridays For Future, Extinction Rebellion, Ende Gelände und Co etwas zu tun, denn auch die Fußballfans beginnen zunehmend, sich in ihren Umfeldern zu engagieren. Im Panel am Dienstag stellte Manuel Gaber von Zukunft Profifussball aus Deutschland einige Initiativen und Handlungsmöglichkeiten vor, die vor allem Lobbying bei den jeweiligen Klubs und Verbänden beinhalteten. Die Arbeitsgruppen zu Integrität, Demokratisierung und gesellschaftlicher Verantwortung haben im Zuge der Corona-Krise klare Konzepte vorgelegt, wie ein Umdenken im Profifußball aussehen kann.

Auch Katie Cross aus England stellte eine spannende Initiative vor. Pledgeball ist eine spielerische Art Anreiz für Fans ihre eigenen CO2-Emmissionen im Zuge der Matchbesuche zu reflektieren, sowie die Nachhaltigkeit der eigenen Vereine unter die Lupe zu nehmen. Während bei Pledgeball die Veränderung im kleinen Rahmen beim Individuum starten soll, erzählte Tristan Wooler von der Huddlersfield Town Fan Association (HTFA) davon, wie die Anhänger des ehemaligen Premier League-Klubs auf eigene Initiative versuchten und versuchen, nachhaltigeres Denken bei ihrem Klub zu implementieren. Nicht alles funktioniert und stößt auf offene Ohren, aber es hilft im Kampf um ein gutes Gewissen und mit der Ohnmacht, die einem selbst droht, wenn man sich die globale Krise in Erinnerung ruft.

Pfandbecher, Trinkwasserspender und vegane Verpflegung im Stadion stehen genauso auf Diskussionslisten, wie die Forderung nach umweltfreundlicheren Reisen der Teams des Vereins, der Fans, weniger Flugkilometer und stärkerer Müllvermeidung im Allgemeinen.

Aileen McManamon aus Vancouver, die für 5T Sports aktiv ist, brachte auch zahlreiche Studien, Reviews und andere Arbeiten ins Spiel, die belegten, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein privater Wunsch im Fußball ist. Immer mehr Geldgeber und Sponsoren entscheiden über ihr Engagement anhand von Nachhaltigkeitskonzepten. Vereine, die keine Konzepte für die Zukunft haben, werden weniger Geld bekommen und haben schon jetzt schlechtere Aussichten auf lukrative Sponsoren. Die Geldgeber von heute haben keine Lust auf schlechte Publicity von morgen. Das alleine sollte Grund genug für Vereine sein, auf Nachhaltigkeit zu setzen.

Alles in allem kamen viele spannende Argumente zusammen, die unbedingt global verfolgt werden sollten, wenn man dem Fußball wieder mehr Publikumsnähe, Glaubwürdigkeit und Transparenz verleihen möchte. Die größten Fragen am Ende des Panels lauteten: Wo anfangen? Wie aktiv werden? Die Antworten waren ganz einfach: Bei sich selbst und in der eigenen Fanszene. Transparenz vom Verein fordern, Konzepte anbieten und bei Mitgliederversammlungen unbequem bleiben.

Immer öfter droht der Profi-Fußball der Männer, der durch die großen Geldsummen immer abgehobener agiert und den Kontakt zur Basis verliert, für viele Menschen nicht mehr vertretbar und stattdessen gar uninteressant zu werden. Die Nachhaltigkeit ist nur ein Teilaspekt vieler Faktoren, die der Fußball aufgrund des Geldes einfach übersieht, und bei den Menschenrechten im Hinblick auf die kommende WM in Qatar 2022 sind wir noch gar nicht angekommen. Ein leeres Stadion in Budapest sorgt vielleicht für Einnahmen von Spitzenklubs bei einer Champions League-Übertragung, aber bestimmt nicht für fußballbegeisterte Kinder, die Greta Thunberg auf Instagram folgen, oder reisefreudige Ultras, die sich an die Regeln während einer Pandemie halten müssen.

Der Fußball gehört den Fans im Stadion, so lautet nicht nur das Motto beim Panel von Football Supporters Europe, und das sollten die Vereine trotz aller Fernsehgelder nicht vergessen. Aber nicht nur die Vereine und Verbände sollten daran denken, wem gegenüber sie verpflichtet sind. Auch die Millionäre, die sich auf den Rasen knien, am Mittelkreis klatschen, oder in T-Shirts werfen, sollten nicht durch ihr Schweigen auffallen, sondern ihre Reichweite nutzen. Ansonsten wird die Symbolik der Gesten rund um die Spiele nicht mehr als Bigotterie bleiben und die Kluft zwischen Fans und Spielern weiter wachsen. Die Fans haben den Fußball groß gemacht, dafür gesorgt, dass so viel Geld für Spieler im Umlauf ist und sie verleihen diesem Sport Bedeutung. Sie können ihm diese aber auch wieder entziehen.

1 Kommentar

  1. Kolkrabe sagt:

    Danke für den Beitrag! Die Entwicklung im Profifußball is auch ein Spiegel der Gesellschaft! Die WM in Quatar wird der Höhepunkt des absurden Geld-Wahns durch korrupte Präsidenten! (Wie viele tote Sklavenarbeiter für Stadien die nachher leere Monumente bleiben im Wüstenklima.)
    Gemma gern wieder back to the roots, schritt für schritt in eine nachhaltige Zukunft ohne Goldschnitzel aber umso mehr Zugehörigkeit und Gaude und – Bier!

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