David Badia: „Meine Trainerkarriere begann bereits auf der Sturm-Ersatzbank“
Er durchlief die Fußballakademie des FC Barcelona, war der allererste Spanier bei den Blackys und in unserer Top-11 der größten Legionärstransferflops, doch kaum einer erinnert sich noch an ihn: David Badia, 1,92-Meter-großer, katalanischer Abwehrrecke, hat nach seiner Zeit in der Steiermark sowohl auf als auch neben dem Platz bereits so einiges erlebt. Wir haben ihn zum Interview gebeten:

(c) FC Barcelona
David, zum Einstieg: Wie kam es dazu, dass es vor nun schon 20 Jahren, einen spanischen Abwehrspieler nach Österreich zu Sturm verschlug? Das war doch eher unüblich, galten spanische Fußballlegionäre einst doch als etwas sehr Rares?
In meiner Heimat habe ich im Erwachsenenbereich nur in der zweiten und dritten Leistungsklasse gespielt. Ein digitales Scoutingsystem, wie heute längst Standard, gab es damals noch nicht. Ich hatte allerdings einen Grazer Jugendfreund (Anm: Dr. Philipp Berkessy, zuletzt Marketing-Chef am Red-Bull-Ring), der mir immer von seiner Heimat vorgeschwärmt und mich dahingehend ermutigt hat, diesen Schritt zu riskieren. In meiner Vita fanden sich zwei Copa-Catalunya-Titel (Anm: Katalanischer Cup) in Folge, beide Male siegte ich mit dem kleinen CE Europa, einem Verein aus dem Umland Barcelonas, gegen das große Barca, meinem Ausbildungsklub, mit Stars wie Xavi, Rivaldo, Fernando Couto, Pep Guardiola oder Luis Figo. Das war damals natürlich ein riesen Ding. Die Aufzeichnungen dieser Begegnungen wurden mittels Videokassetten an Sturm Graz geschickt und ich daraufhin zu einer einwöchigen Probezeit eingeladen. Ich denke, ich habe überzeugt, ansonsten hätten sie mich wohl wieder heimgeschickt. Aber du hast natürlich Recht. Kaum ein Spanier ging damals ins Ausland, aber ich hatte gerade mein Wirtschaftsstudium absolviert und es schien mir der richtige Zeitpunkt zu sein, diesen unüblichen Schritt zu setzen.
Was waren damals deine ersten Eindrücke?
Ich war von Beginn an in die Stadt Graz verliebt. In die Bauten, die sauberen Straßen, den Zustand der Schulen und der Universität und natürlich auch in die Menschen. Es ist ein wunderbares Stückchen Erde und ihr könnt euch glücklich schätzen, genau dort leben zu dürfen. Vom Klub, nun ja, da hatte ich mir anfangs ehrlicherweise vieles ein bisschen anders vorgestellt.
Inwiefern? Sturm hatte immerhin bei deiner Ankunft gerade das international erfolgreichste Spieljahr aller Zeiten hinter sich und sorgte in Europa für Furore.
Ich bin von einem Verein gekommen, der ganz bestimmt nicht über diese finanziellen Mittel wie Sturm verfügte. Und trotzdem waren dort bereits gewisse Dinge wie Gegneranalyse oder taktische Videoschulungen viel professioneller. Ich war doch überrascht, dass bei einem so erfolgreichen Klub, wie es Sturm damals war, diese Ressourcen derart brach lagen. Zudem waren mir reine Laufeinheiten beim Training völlig neu. So etwas ist in Spanien undenkbar.
Osim und reine Laufeinheiten?
Das haben eher seine Assistenztrainer übernommen. Osim selbst war natürlich überragend. Das sage ich, obwohl ich kaum zu Einsätzen kam. Er ist mir dennoch immer mit großem Respekt begegnet und war sehr höflich. Man spürte, er wusste immer genau, was zu tun ist. Ich habe viel von ihm lernen dürfen und bin ihm auch sehr dankbar.
David, du sprichst es schon an: Zu Einsätzen in der Bundesliga hat es Zeit deiner gesamten Sturmkarriere nie gereicht. Lediglich in zwei Cup-Spielen durftest du für die Blackys auflaufen. Warum konntest du dich so gar nicht durchsetzen?
Ich bin ein positiver Mensch und sehe es heute so: Ich war immer näher dran an der Bank als am Spielfeld. Vielleicht bin ich genau wegen dieser Phase später auch Trainer geworden. Mehr noch, behaupte ich sogar, meine Trainerkarriere hat bereits als Spieler auf der Ersatzbank von Sturm Graz begonnen. Damals dachte ich natürlich noch anders drüber. Ich verstand nicht, warum ich keine Chance erhielt. Ich hab eine Extraschicht nach der anderen eingeschoben und mich voll reingehängt. Zudem hatte ich damals jemanden, der mich bei den Trainings gefilmt hat. Ich habe diese Bilder im Anschluss analysiert, genau geschaut, was ich falsch mache und so weiter.
Ein Profifußballer trainiert ja die ganze Woche, um am Samstag vor Zuschauern zeigen zu dürfen, was er drauf hat. Was macht es aus einem Spieler, nie eine Chance zu bekommen?
Ich erinnere mich an ein Heimspiel gegen die Admira. Schon in der zehnten Minute schickte mich der Trainer zum Aufwärmen. Ich dachte, mein Tag sei nun gekommen, doch ich lief die gesamte erste Halbzeit an den Seitenlinien auf und ab, ohne dass der Trainer mich endlich zu ihm gewunken hätte. Dasselbe in Halbzeit zwei. Erst in der Nachspielzeit bekam ich von Osim ein Zeichen. Euphorisch bei ihm angelangt, hörte ich den Schlusspfiff des Schiedsrichters. Das fand ich wirklich alles andere als lustig. Aber mein Gott: Nach all den Jahren kann ich heute darüber sogar lachen.
Es wird ja oft behauptet, wenn man bei Osim überhaupt von einer Schwäche sprechen könne, dann wäre es jene, dass er sich schwer getan hat, einem Spieler zu sagen, dass er auf der Bank sitzen muss.
Die Aufstellung sowie die Bekanntgabe des Spieltagskaders war bei Sturm tatsächlich immer die Aufgabe des Co-Trainers. Aber wenn man Osim ob der Gründe für eine Nichtberücksichtigung gefragt hat, hat er nie herumgedrückt und mit einem gesprochen. Er war diesbezüglich immer sehr ehrlich.

Signierte Pressefotos von Badia im Sturmtrikot (c) Privatsammlung
Bald hattest du den Ruf als echter Transferflop weg, jedoch begründete Manager Schilcher deine Verpflichtung damit, dass man mit dir null Risiko eingegangen wäre, denn jeder österreichische Landesliga-Kicker würde höhere Kosten verursachen als ein David Badia.
Das Gehalt von anderen Spielern hat mich nie interessiert und ich kann nicht beurteilen, wie viel ein Landesliga-Spieler in Österreich zur damaligen Zeit verdient hat. Ich kann nur eines sagen: Sturm hat mir ein Angebot unterbreitet, ich fand es fair und angemessen, also habe ich es akzeptiert. Im Nachhinein betrachtet, muss ich schon sagen: Ich habe zwar in Graz mehr verdient als zuvor in Spanien, rechnet man die Kosten einer zweiten Heimat hinzu, weit weg von Familie, Freunden und liebgewordenen Gewohnheiten, relativiert sich das dann aber doch.
Hast du jemals das Gespräch mit dem damaligen, sehr schillernden Präsidenten Hannes Kartnig gesucht?
Nein, nie. Zu Kartnig gab es eigentlich überhaupt keinen Kontakt. In Erinnerung ist mir nur, dass, wann immer er im Trainingszentrum aufgetaucht ist, alle Spieler und Angestellte ihm ein hohes Maß an Respekt entgegenbrachten.
In deiner Sturmphase begann ja der schleichende Untergang des Klubs vom Champions-League-Gruppensieger bis hin zum späteren Konkurs. Aus deiner Sicht: Was ist da alles schief gelaufen?
Sturm hat zu viele Spieler mit unterschiedlichsten Nationalitäten verpflichtet. So etwas funktioniert nur, wenn der Verein auch eine gesunde Vorstellung davon hat, wie man diese Menschen bestens integriert. Ich kannte aus meiner Zeit bei Barcelona all die Wege und Mittel, wie dies gelingen kann. In Graz hat man sich darüber nie Gedanken gemacht. Ich bin der festen Überzeugung, dass Fußball eine eigene Sprache ist und unterschiedlichste Nationen und Kulturen perfekt verbinden kann, jedoch muss ein Klub Wege und Ziele vorgeben, wie diese Integration auch abseits des Platzes funktioniert. Nur dann wird so eine heterogene Gruppe auch sportliche Erfolge feiern können.
Was hast du persönlich getan, um in Graz ein klein wenig heimisch zu werden?
Wenn ich ehrlich bin, wohl auch zu wenig. An so etwas wie dem sozialen Leben oder dem Alltag hab ich kaum teilgenommen. Ich war eigentlich ständig damit beschäftigt, mich am Platz zu verbessern. Etwas Zeit habe ich abseits davon mit Ranko Popovic, Roman Mählich und Francisco Rojas verbracht. An was ich mich noch gut erinnern kann, waren die Sturmfans. Ich war wirklich erstaunt, wie leidenschaftlich sie ihr Team stets unterstützt haben. Manchmal auch bei Temperaturen, bei denen ein Spanier keinen Schritt vor die Tür setzen würde (lacht).
Das heißt: kein Schillerhof, kein Kulturhauskeller, keine Partys, kein Skifahren mit der Mannschaft?
Wenige Partys. Aus heutiger Sicht vielleicht zu wenige. Ich hatte damals allerdings eine spanische Freundin, da gab es fast keinen Spielraum (lacht). Zudem wurde es in Graz immer recht schnell dunkel und kalt. Das war ich überhaupt nicht gewohnt. Auf Ski bin ich auch nie gestanden. In Spanien waren solche Dinge – etwa Motorrad fahren – ob des zu hohen Risikos einer Verletzung immer verboten. Gewohnt hab ich damals übrigens am Schwimmschulkai. Gleich neben der Mur mit viel Natur rundherum. Das war traumhaft.
Nach knapp zweieinhalb Jahren war deine Zeit in Graz jedoch abgelaufen. Deiner Meinung nach zu früh?
Ich hätte Sturm für die Chance, die mir gegeben wurde, gerne etwas zurückgezahlt. Am letzten Tag des Herbst-Transferfensters 2003 jedoch wurde ich in die Geschäftsstelle zitiert und mir mein Abschied nahe gelegt. Dagegen anzufechten, lag mir fern. Die Trennung war nach 30 Minuten besiegelt. (Anm: Man sprach damals von einer Abfertigung in der Höhe von 40.000 Euro). Ein halbes Jahr fand ich keinen neuen Klub, erst im Winter kehrte ich zurück zu CE Europa, verletzte mich aber in der Vorbereitung zur Frühjahrssaison schwer und war 18 Monate außer Gefecht. Danach habe ich nie wieder Fußball gespielt. Das war eine sehr traurige Zeit für mich, zum Glück hab ich sie aber dafür genutzt, weitere Ausbildungen zu absolvieren. Etwa die Trainer UEFA-Pro-Lizenz in Madrid oder einen Fußball-Master an der Universität. Danach ging ich retour zu Barcelona, das mich für seine Fußball-Akademie engagierte.
Und hast nebenbei für die UEFA spezielle, auch bei Nebel kamerataugliche Werbebanden mitentwickelt. Wie kam es dazu?
Möglichst viele unterschiedliche Dinge zu tun, war mir immer sehr wichtig. Und ich war immer ein Fan von Innovationen jeglicher Art. Ich hatte eine Firma mit vielen Angestellten und wir haben uns so einiges überlegt. Das reichte von großen Plakatwänden auf Gebäudedächern bis hin zu reflektierenden Uniformen für die spanische Polizei. Diese Dinge haben mir sehr viel Spaß gemacht. Irgendwann wusste ich jedoch, dass mir Fußball doch immer noch am Allermeisten bedeutet.

Badia als Nachwuchsspieler für den FC Barcelona (c) Privat
Und wurdest so zum Weltreisenden in Sachen Fußball.
Das kann man so sagen, ja. Für Barcelona begann ich weltweit Trainer auszubilden. Etwa in Toronto, Boston, Miami, Sarajevo oder Chicago. 2014 wurde mir die Stelle des Direktors der FC Barcelona-Akademie in Istanbul angeboten. Das habe ich zwei Jahre lang gemacht, heute spielen einige dieser Fußballer bei türkischen Spitzenklubs. Danach war ich Co-Trainer bei Antalyaspor, ein Jahr später ging ich zu Fenerbahce, wo ich unter Phillip Cocu und Erwin Koeman erneut als Akademieleiter und Co-Trainer fungierte.
Vor eineinhalb Jahren bist du dann jedoch wieder in deine Heimat zurück. Ausgerechnet zu jenem Verein, von dem 1997 dein Freund Ranko Popovic zu Sturm kam.
Ex-Real-Star Guti wollte mich bei Almeira als seinen Co-Trainer. Unser Ziel war es, mit UD in Liga 1 aufzusteigen, leider scheiterten wir aber nach einer sehr guten Spielzeit in der Relegation am FC Girona. Zu wenig für den Klubinhaber, einem saudi-arabischen Geschäftsmann. Ich musste zusammen mit Guti meine Koffer packen und lebe nun wieder in Barcelona. Ich denke, bald wird auf mich eine neue Aufgabe warten.
Hast du noch Kontakt zu deinen ehemaligen Sturm-Kollegen?
Nur über soziale Netzwerke. Dadurch erfährt man aber doch einiges über das Leben der anderen. Auffallend ist, dass einige einen ähnlichen Weg wie ich eingeschlagen haben, sehr sehr viele ebenfalls Trainer wurden. Das finde ich äußerst interessant.
Was steckt in Trainer David Badia von seinen beiden Sturm-Trainern Ivica Osim und Franco Foda?
Prinzipiell ist es immer eine Mixtur aus allen Trainern, mit denen ich es in meiner aktiven Karriere zu tun hatte. Josep Moratella bei Barcelona, Tintin Marquez bei Espanol, später als Co von Leonardo, Koeman und auch Guti. Osim war einer, der ein gutes Herz hatte, einer, der die Interessen des Klubs über seine eigenen stellte. Franco Foda hab ich nur in seinem ersten Jahr als Trainer kennengelernt. Ich denke, man konnte damals schon sehen, dass er genügend Charakter für einen guten Trainer hatte. Seine späteren Erfolge bei Sturm und die Berufung zum Nationalteamtrainer haben das dann ja bestätigt. Ich fühlte mich privilegiert, dass mir so viele große Trainer etwas mitgeben konnten.
Vielen Dank für das Gespräch.
Auch ich bedanke mich. Ich hoffe, diese seltsame Zeit geht bald vorüber. Vielleicht gibt es ja irgendwann ein Wiedersehen. Graz ist nach wie vor meine Traumstadt.
Der ist mir komplett entgangen
Schönes Interview mit einem sympathischen Typen!
Sehr interessantes Interview. Hatte den auch längst vergessen. Danke.