Das deutsche Grazer Derby
Ende September fand in Baden-Württemberg, genauer gesagt in Karlsruhe, ein kleines Grazer Derby statt. Aufgrund langjähriger Fanfreundschaften ergab sich in der dritten deutschen Liga die Konstellation, dass mit dem KFC Uerdingen die treuesten deutschen GAK-Unterstützer aus NRW beim Karlsruher SC, seines Zeichens mit den Fanklubs des SK Sturm befreundeter Verein, zu Gast waren. Das konnte ich mir als begeisterter Groundhopper und Tourpoet natürlich nicht entgehen lassen. Außerdem schuldete ich einem guten Freund, der mich nach Amsterdam zu Ajax begleitet hatte, noch eine Auswärtsfahrt zu „seinem“ Verein. In diesem Fall handelte es sich allerdings nicht um den KSC, wie es sich gehören sollte, sondern um die Krefelder – Asche auf mein Haupt.
Krefeld kennt man in Österreich kaum noch. In den Achtzigern und Neunzigern war der Verein in Deutschland als Bayer-Werkself 05 Uerdingen enorm erfolgreich gewesen, nach dem Ausstieg des Pharmakonzerns blieb allerdings nur die Geschichte übrig. Obwohl man seit langen Jahren nicht mehr in der Bundesliga spielte, rangiert der Verein noch immer auf Platz 24 der ewigen Bundesligatabelle. Mitte der 00er-Jahre ging es allerdings bergab. Der Rest waren Abstiege. Die letzten erfolgreichen Jahre machten auch zwei „Schwoaze“ bei Kentucky Fried Chicken Uerdingen mit – Mario Posch spielte dort von 1992-94 und Hannes Reinmayr im letzten Bayer-Jahr 94/95 für 15 Spiele am Niederrhein, bevor er bei Sturm Graz seinen erfolgreichsten Karriereabschnitt feiern sollte.
Den Karlsruher SC verbindet mit Sturm Graz eine Fanfreundschaft, die über Jungs aus den Reihen der Brigata entstand. Zwar spielten auch beim KSC österreichische Spieler, allerdings ist die bekannteste Personalie, die Sturm und Karlsruhe gemein hatten, kein aktiver Spieler gewesen, sondern Oliver Kreuzer, der ehemalige Sportdirektor. Die letzte Aktion, die auch die meisten Sturm-Fans aus dem KSC-Block mitbekommen haben sollten, war das Transparent, das den Schwoazen zum Cupsieg gratulierte. In der Nordkurve Graz ist das KSC-Logo auch immer wieder zu sehen, sei es auf schwarzen Hoodies von Leuten, die schon mal beim KSC dabei waren, oder Transparenten während der Spiele.
An diesem Tag gurke ich mit der Regionalbahn aus Kirchheim (Teck), einer Kleinststadt im S-Bahn-Bereich Stuttgart von einem Auftritt nach Karlsruhe. Erwähnenswert ist das, weil mir am Weg zum Bahnhof Kirchheim mehr KSC-Sticker auf den Straßenschildern ins Auge stechen als vom Verein für Bewegungsspiele aus Stuttgart. Der KSC ist in Baden-Württemberg durchaus verbreitet und beliebt, was nicht selbstverständlich ist, wenn man bedenkt, dass derzeit mit Freiburg und Stuttgart andere Klubs zwei Ligen weiter oben das Bundesland vertreten. Die dritte Liga in Deutschland ist dieses Jahr gespickt mit Traditionsklubs, die tolle Fanszenen haben, hart umkämpft und relativ offen, was sie um einiges spannender im Vergleich zur 2. Bundesliga erscheinen lässt. Mit Uerdingen ist heute der Aufsteiger und Tabellenführer zu Gast, der sich einen russischen Geldgeber angeln konnte und in Deutschland vor allem dadurch wieder in aller Munde ist, weil Weltmeister (ohne eine Minute gespielt zu haben) und Eisenfuß Kevin Großkreutz dort nun auf der rechten Abwehrseite den Ball ins Out dreschen darf. Karlsruhe hat in der Vorsaison den sofortigen Wiederaufstieg erst in der Relegation vergeigt und dann den Start in die Meisterschaft ein wenig verschlafen.
Dennoch ist die Stimmung gut, denn knapp 11.000 Menschen singen das „Badnerlied“ lautstark mit und übertönen so die Fangesänge der etwa 400 mitgereisten Krefelder (in der 3. Liga!) beim Einmarsch der Teams. Leider sind die Ultras im Wildparkstadion derzeit beide auf der Gegengerade jeweils an den Eckfahnen untergebracht, was es schwer macht, das Gegenüber (in diesem Fall die Nachbarn) mit Fangesängen zu schmähen, geschweige denn mit Transparenten zu triezen. Die Karlsruher sind in akustischer Hinsicht begünstigt, da sie noch unter dem Tribünendach stehen und deshalb den klaren Schallwellenvorteil haben. 90 Minuten lang hört man im Uerdinger Block die Gesänge der Karlsruher, während bei den rot-blauen Ultras oft nur der Trommler zu vernehmen ist, weil das Megaphon streikt, die mitgereisten GAK-Fans links außen in GAK-Manier lieber stehen und Bier trinken und auch die Leistung der Mannschaft an diesem Tag nicht zum Mitsingen motiviert. Der Bella Ciao-Fangesang, der seit einiger Zeit durch Fankurven geistert, machte aber auch im KFC-Block Laune. Schließlich kommt mir auch ein kleines Grinsen aus, als der KSC mit 1:0 in die Pause geht und in Hälfte zwei schließlich sogar auf 2:0 erhöht. Als dann der gesamte Fanblock in Hälfte zwei schließlich mehrmals „Scheiss KSC! Scheiss SK Sturm!“ ruft, ist der Drops bereits gegessen und die Messe gelesen. Die Aufholjagd in der dritten Liga kann endlich beginnen und ich bin froh, dass ich dem ersten Heimsieg des KSC in der neuen Saison beiwohnen konnte, wenn auch im falschen Sektor. Vielleicht bin ich ja beim Rückspiel im Frühjahr im Auswärtsblock zugegen und treffe dort auf ein paar bekannte Gesichter, wenn der KSC auch das zweite „Grazer“ Derby für sich entscheiden könnte …
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