Daniel Beichler: „Ich dachte, das Stadion bricht ein“

Sturms Pokalerfolge – Teil 4: Wiener Neustadt vs. Sturm 0:1 (2010)

Morgen steht der Sportklub Sturm zum neunten Mal in seiner Vereinsgeschichte in einem Pokalfinale. Derzeit ist die Endspielbilanz ausgeglichen: 4 Siege (1996, 1997, 1999 und 2010) stehen 4 Niederlagen (1948, 1975, 1998 und 2002) gegenüber. Wir werfen in unserer Serie einen Blick auf die erfolgreichen Endspiele zurück und lassen jeweils einen Protagonisten zu Wort kommen. Im vierten und letzten Teil erinnert sich Daniel Beichler an den 1:0-Finalerfolg gegen Wiener Neustadt im Jahr 2010.

Die Vorzeichen für dieses Cupfinale standen gar nicht so gut. Ich war noch ein sehr junger Spieler und muss sagen, dass die Drucksituation vor diesem Spiel einfach immens hoch war. Das ganze Umfeld sprach im Vorfeld der Partie nur darüber, wo man denn nach dem Sieg wohl feiern gehen würde, weil Neustadt ja ohnehin besiegt werden würde. Ein anderes Szenario wurde von der Öffentlichkeit im Vorfeld der Partie so gut wie ausgeräumt. Natürlich fragt man sich dann als Spieler schon: „Was passiert bloß, wenn wir nicht gewinnen sollten?“ Daher waren für uns Jungen die erfahrenen Spieler in dieser Situation enom wichtig – sie haben mit uns gesprochen und versucht, die Balance zwischen Druck und Vorfreude zu halten.

Wir sind am Tag des Cupfinales mit dem Bus – in einer Art Konvoi – mit tausenden Sturm-Fans Richtung Stadion gefahren. Bereits als wir angekommen sind, war in Klagenfurt alles zugeparkt, überall auf den Straßen konnte man unsere Anhänger sehen. Ganz absurd wurde es, als wir dann die Klagenfurter Ortstafel gesehen haben, die durchgestrichen war und einfach vorübergehend in Graz umbenannt wurde.

(c) WikiCommons/Steindy

Als wir dann das Stadion betreten haben, ging es erst richtig los. Die Stimmung war sowas von geil, dass sie uns im ersten Moment fast überfordert hat. Ich dachte wirklich, das Stadion bricht ein, das Beben war so richtig zu spüren. Das Spiel war dann, wie erwartet, nicht so leicht zu gewinnen, wie sich das manch einer vielleicht vorgestellt hätte. In der ersten Halbzeit waren wir tatsächlich ein bisschen mit der Situation überfordert, aber mit Fortdauer der Partie bekam unsere Mannschaft immer besseren Zugriff auf das Match. Der Sieg war letztendlich nicht unverdient, aber es war jetzt auch nicht so, dass wir klar besser als die Neustädter gewesen wären. 

Das absolute Highlight war dann natürlich die Busfahrt von Klagenfurt nach Graz zurück. Eigentlich hätten Jakob Jantscher und ich damals in Kärnten bleiben sollen, weil wir für das Nationalteam einberufen wurden und dieses gerade in Klagenfurt auf Trainingscamp war und ein Testspiel gegen Kroatien anstand. Der damalige Teamchef teilte uns aber nach dem Cupsieg mit, dass wir doch auf ein paar Stunden mit nach Graz fahren dürfen, um zumindest nicht ganz auf die Feier verzichten zu müssen. Das taten wir dann auch, mussten aber am selben Abend wieder zurück in das Nachbarbundesland fahren. Unsere Mannschaftskollegen haben uns aber die ganze Nacht über mit Fotos versorgt – da ist es so richtig abgegangen bei denen.

(c) WikiCommons/Steindy

Im Nachhinein betrachtet, sieht man das alles mit anderen Augen. Damals war uns natürlich bewusst, dass wir mit dem Cupsieg und dem Einzug in die Europa-League-Gruppenphase eine tolle Saison gespielt haben. Als junger Spieler weiß man das aber nicht richtig einzuschätzen und kann das auch noch nicht so genießen. Das wird mir erst jetzt bewusst. Mit seinem Kindheitsklub einen Titel zu holen ist nicht selbstverständlich und schon gar nicht alltäglich. Zusammengefasst ein unvergesslicher Tag und Riesenerlebnis. Ich kann den Jungs, die heuer am Platz stehen, nur empfehlen, jede Sekunde zu genießen. Wer weiß schon, wie oft man etwas derartiges in seiner Karriere noch erleben wird.

Spieldaten

Finale
Wiener Neustadt – Sturm Graz 0:1 (0:0)
16. 5. 2010
Wörthersee-Stadion, 28.000, Grobelnik
Tor: 0:1 (81.) Lavric
NEUSTADT: Fornezzi; Muhr; Ramsebner, Johana (51. Reiter), Kostal, Gercaliu; Simkovic, Stanislaw, Grünwald, Wolf (83. Kolousek); Sadovic (59. Viana), Aigner
STURM:
 Gratzei; Lamotte, Sonnleitner, Schildenfeld, Kandelaki; Salmutter (55. Beichler), Kienzl, Weber, Jantscher (78. Haas); Lavic, Kienast (73. Muratovic)

Bisher erschienen:

Teil 1: Arnold Wetl über den Pokalerfolg 1996

Teil 2: Martin Hiden über den Pokalerfolg 1997

Teil 3: Die letzte Tschick des Ivica Osim 1998

 

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