Conditio Sine Qua Non

Es sind vor allem zwei Gedanken und Gefühlslagen, die mich seit der Generalversammlung verfolgen. Einerseits wohl verständlicherweise Empörung. Eine illustre Veranstaltung, gut aufgelegte Redner, ein Moderator, der für Lacher sorgt und der Verzicht auf „Allfälliges“ erscheinen vor dem Hintergrund der durchaus prekären sportlichen Lage und den vielfachen mit Aparthie vermischten Unmutsäußerungen als Verhöhnung jedes Anhängers. Die ohnehin schwache Außendarstellung trägt ihres dazu bei. Das soll heute jedoch nicht Thema sein, denn nur Kritik zu äußern wäre gegenwärtig ermüdend und beinahe zu einfach. Denn andererseits, und das ist durchaus ernst gemeint, stellt sich mir auch die Frage, ob sich die Vereinsverantwortlichen – natürlich unter der Voraussetzung, das sportliche Geschehen geschickt ausklammern zu können – nicht tatsächlich da und dort sogar ein Lob verdient hätten. Insbesondere im Hinblick auf Sturms omnipräsente und nicht immer adäquat berücksichtige Conditio sine qua non: der verantwortungsbewusste Umgang mit Finanzen. Dennoch ist das Herausstreichen positiver Aspekte ein schwieriges Unterfangen, aber ausnahmsweise einen Versuch wert.

Die folgenden Fragen muss man sich der Fairness halber trotz zahlreicher Enttäuschungen nämlich stellen: Agierte man in der jüngeren Vergangenheit insgesamt beifallswürdiger? Hat eine Vereinsführung besserer Tage mehr Professionalität an den Tag legen können? Eine mögliche Evokation des langen schwarz-weißen Schattens der Kartnig-Ära sei mir nun bitte verziehen. Aber auch bei allem, was dann kam, konnte von einer professionellen Vereinsführung nie die Rede sein – die Verdienste der gemeinten Herren in Ehren. Lediglich vor so manch Schönwetterfan kann ein Meistertitel nämlich die vielen Verfehlungen dieser Zeit noch verbergen. Um nicht abzuschweifen: Die heutige Vereinsführung ist insgesamt ein Fortschritt, wenn auch nicht jener, den man sich gewünscht hat. Denn trotz des vereinzelten Entschwindens so mancher Versprechungen, trotz eines besorgniserregenden Medienumgangs, trotz exzessiven Abnehmens jeglicher Identifikation und trotz sportlicher Mittelmäßigkeit, steht Sturm grundsätzlich auf einem soliden Fundament. Das mag als schwacher Trost erscheinen, ist aber letztlich essentiell.

Ein bereits erwähnter Meistertitel, der mehr schadet, als er bringt, ebnet beispielsweise keine erfolgreichere Zukunft. Nie. Unter keinen Umständen. Eine Professionalisierung, die zwar teilweise misslingt, den Verein allerdings unumstößliche Strukturen aufzwingt, vermag das schon eher. Zumindest sofern man es schafft, den noch immer existenten Dilettantismus endlich abzustellen. Initiativen à la „Stolz und Leidenschaft“ werden dabei jedoch kaum für Abhilfe sorgen. Was Sturm derzeit vor allem fehlt, ist jedwede Glaubwürdigkeit. Von dieser konnte man sich bekanntlich mehrmals eindrucksvoll entledigen. Die Inszenierungen im Zuge der Generalversammlung mögen als Krönung hierfür gesehen werden. Man macht sich zumeist aber auch selbst das Leben schwer. Tatsächliche Verbesserungen werden daher häufig gar keiner Diskussion ausgesetzt. Zu schwer wiegt dafür eine bereits aufgebaute Ablehnung.

In wirtschaftlicher Hinsicht hat man keine allzu schlechte Arbeit geleistet. Wohin man auch blickt, Misstrauen dahingehend ist selten Gegenstand einer Debatte. Die Kluft zwischen Graz und Wien, obwohl man dort dem Vernehmen nach gut und gerne einmal rote Zahlen schreibt, droht zwar tatsächlich größer, wenn nicht unüberwindbar zu werden, jedoch kann dafür kaum die derzeitige Vereinsführung verantwortlich gemacht werden. Eine marode Spielstätte wird dennoch nicht selten mit einem Versagen von Jauk & Co assoziiert, auch wenn deren Einfluss darauf endenwollend ist. Dabei stieg vor gar nicht allzu langer Zeit erst der schwarz-weiße Phönix aus der Asche, heute fordern viele aber schon – dem Wiener Vorbild folgend – ein hypermodernes Stadion; am besten gleich ein eigenes. Meinte Christian Jauk das mit einer übertriebenen Erwartungshaltung? Wohl kaum. Dabei wäre es in diesem Fall sogar angebracht.

Jauk war es auch, der während der GV von einer Abkehr des Präsidentenpatriarchats sprachs. Mit ein positiver Aspekt ist die beinahe völlige Abwesenheit des Vorstands in den Medien. Konträr zu fast allen anderen Vereinsführungen der letzten zwei Jahrzehnte, dringen Interna de facto nicht nach außen. Auch sonst wird man von etwaigen anderen Peinlichkeiten, die man aus der Vergangenheit bestens kennt, als Fan kaum überrascht. Jene Peinlichkeiten, die man derzeit laufend fabriziert, sind ohnehin unlängst bekannt und wunderbar vorhersehbar. Der Präsident hält sich nun – wie versprochen – tatsächlich zurück und versucht größtenteils hinter den Kulissen Fäden zu ziehen. Den Auftritt im Web, allen voran in den sozialen Netzwerken, kann man ebenso wie oftmals das Marketing als professionell bezeichnen; als Zuckerl gibt es noch diverse Live-Streams in HD – sogar aus der Türkei. Hier ist man sicherlich einer der fleißigsten und ambitioniertesten Vereine Österreichs. Alles in allem zeigt man eine deutlich gesteigerte Präsenz in diversen Kanälen, lässt dabei aber, welch Überraschung, die notwendige Selbstreflexion vermissen.

Es ist jedenfalls nicht alles schlecht, was nicht glänzt. Auf der Haben-Seite stehen also einige kleinere Fortschritte, auch wenn diese wie ein Tropfen auf dem heißen Stein wirken. Außerdem braucht man keine Existenzängste zu schüren. Dahingehend zumindest ist man nach wie vor vertrauenswürdig. Die teilweise regelrecht katastrophale Außendarstellung, der Verlust sämtlicher Glaubwürdigkeit und die sportliche Stagnation wiegen dann aber für die Mehrheit doch schwerer. Der geschaffene Rahmen, auch wenn das jetzt paradox erscheint, bietet dennoch Möglichkeiten für die Zukunft. Man sollte dann halt nur einmal etwas schneller aus Fehlern lernen und sich Problemzonen ganz offen stellen. So schwer es auch fällt, aber gänzlich gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass das alles, was uns in den letzten Jahren zugemutet wurde und noch immer wird, doch nicht ganz umsonst war. Irgendwo versteckt in den Tiefen des limbischen Systems ist er noch zu finden, der Glaube an eine positivere Vereinszukunft. Den braucht es als Fan auch. Letztlich ist das wohl einfach unsere eigene Conditio sine qua non.


Hinweis: Die aktuelle Transferperiode findet in Hinblick auf die Kaderzusammenstellung im Artikel keine Berücksichtigung, da ein Urteil zu diesem Zeitpunkt nicht gefällt werden kann.

 

 

4 Kommentare

  1. Rene90 sagt:

    @Gernot
    kann nur eines: ohne wenn und aber toller Bericht – BRAVO !!!!!!!!!!!!!!

  2. Jolosin sagt:

    @Gernot

    Guter Bericht. Meiner Meinung nach sollte Jauk sich um mehr Einnahmen durch Sponsoren kümmern. Zum Beispiel Puntigamer könnte definitiv das doppelte zahlen. Ohne Geld kein dauerhaft sportlicher Erfolg. Ich finde man sollte in Graz über größere Investoren nachdenken. Für Sturmnetz würd ich mir einen Artikel wünschen, der das Thema Sponsoren thematisiert!

    lg

  3. Juran sagt:

    Für mich sind sicher Positive dinge auch gemacht worden, die neue AKA, SturmTV und allgemein eine modernerer Außendarstellung im Internet.

    Aber das ganze geht halt bei all den Problemen die man hat gewaltig unter, wenn man zum Beispiel Transfereinahmen von über 4 Mio. braucht um bei der GV zu verlautbaren das man 1 Mio. an Gewinn gemacht hat, ist das schon erschreckend.

    Auch das Wegschieben offensichtlich eigener Probleme richtung Wien oder richtig Politik ist einfach zu billig u.v.m verstecken halt irgendwie das man eigentlich mehr erreicht hat als viele Vorstände zusammen in der Vergangenheit.

    Es wäre halt auch besser wenn man Kritik zulassen würde und auf Kritik antworten würde, und nicht einfach wie bei der GV Kritische Fragen gar nicht zulassen würde, so könnte man schon viel Kritik vermeiden wenn man auf die eigenen Anhänger offen zugehen würde, und sich nicht hinter irgendwas oder irgendjemanden verstecken würde.

  4. lollo sagt:

    Stimmt alles, bringt nur nichts. So lang der wirtschaftliche Bereich so eng am sportlichen Bereich dranpickt kannst dir alle Erfolge in dem Bereich am Bauch picken. Über allem muss die Identität thronen und samma uns ehrlich, im Moment besitzt der Verein keine. So lang man diese nicht schafft, wird man von tagesaktuellen Ereignissen abhängen und sich langfristig abschaffen.

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