Born 1909

#110JahreSturm

Wohl kaum haben jene jungen Burschen, die sich an diesem 1. Mai 1909 – einem an sich herrlichen Frühlingstag – im Augarten getroffen haben, um ihrem liebsten Hobby zu frönen, damals auch nur erahnen können, wie sehr sie mit ihren Plänen viele weitere Generationen indirekt in den Bann ziehen werden. Als nämlich in der damals noch Kombination aus Aulandschaft und Park ein schwerer Regenschauer einsetzte und die jungen Männer Schutz in einem Haus in der Neuholdaugasse suchten, kamen sie beim ehrfürchtigen Anblick auf ihren zentral im Raum positionierten Lederball auf die Idee, aus der losen Kickerverbindung einen offiziellen Verein zu gründen. Die Intention dahinter war weder irgendwann später der landesweit beste seiner Zunft zu werden, geschweige denn, europaweit für Furore zu sorgen. Der Hintergrund war ein ganz pragmatischer: Wenn man sich organisieren würde, wäre die Chance auf ein zweites rundes Spielgerät, welches damals noch eine echte Rarität darstellte und beinahe unbezahlbar war, eine weitaus größere. In unserem Themen-Schwerpunkt „110JahreSturm“ wollten wir wissen, welche bekannten Fußballvereine es Sturm gleich taten und genau in diesem Jahr der Belle Époque, fünf Jahre vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, das Licht der Welt erblickten.

Sport Club Internacional (Brasilien): Der am 4. April 1909 in Porto Alegre gegründete Fußballverein ist global gesehen der wohl erfolgreichste jener, die heuer ihr 110-jähriges Jubiläum feiern. Weltweit bekannt wurde der Verein, als er 2006 im Weltpokalfinale den FC Barcelona (Bild) durch das Goldtor eines gewissen Adriano Gabirù besiegte. Der bis dahin völlig unbekannte Spieler war erst fünf Minuten zuvor in die Partie gekommen und traf im Nissan-Stadion zu Yokohama in Minute 82. Zudem stehen zahlreiche nationale und regionale Titel in den Klub-Annalen, zwei Mal sicherte man sich die Copa Libertadores. Kurios: 1984 trat das Team der Rot-Weißen, getarnt in blau-gelb und als brasilianische Olympia-Auswahl, bei den Sommerspielen in Los Angeles an und holte sich die Silbermedaille. Bis 2016 spielte Internacional als nur einer von dreien stets in der höchsten brasilianischen Liga, der unerwartete Abstieg in der Folgesaison wurde rasch korrigiert und man gehört aktuell wieder zu den besten seiner Zunft. Beeindruckend für einen Verein, der einst von italienischen Einwanderern gegründet wurde und jahrzehntelang für sich sowohl Heimat als auch Identität suchte.

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FC Bologna (Italien): Am 3. Oktober 1909 gegründet, feierte der Klub aus der emilianischen Hauptstadt seine größten Erfolge vor und während des 2. Weltkrieges. Ein österreichischer Trainer hatte dabei maßgeblichen Anteil. Der Wiener Hermann Felsner holte mit den Blau-Roten die ersten zwei Scudetti, bis zum Jahr 1943 folgten weitere drei Meisterschaften sowie zwei Mitropa-Cup-Titel. Zum sechsten und bislang letzten Mal wurde der FC Bologna in der Saison 1963/64 italienischer Meister. Seine Heimspiele trägt der Klub seit unfassbaren 92 Jahren im Stadio Renato Dall’Ara aus. Trotz vieler Neubaupläne, Modernisierungsversuche und Abrissinitiativen trotzt das Stadion mit dem pittoresken Marathontor (Bild) auf der Gegengerade Anhänger des modernen Fußballs und lässt das Herz so mancher Traditionalisten höher schlagen. Mit nur kurzen Unterbrechungen spielt der Verein stets in der höchsten Liga, aktuell kämpft man in Bologna allerdings gegen den Abstieg aus der Serie-A.

Borussia Dortmund (Deutschland): Es waren vorwiegend säkularisierende Motive, die am 19. Dezember 1909 18 junge Männer dazu bewogen, den BVB zu gründen. Und obwohl Borussia die latinisierte Bezeichnung für Preußen ist, war die Namensfindung wohl kein bewusster Ausdruck von Nationalstolz. Viel mehr sollte sich dafür eine Werbetafel der Borussia-Brauerei an der Wand des Gründungslokal „Wildschütz“ unweit des Borsigplatzes verantwortlich zeichnen. Eine Spitzenmannschaft wurde Borussia Dortmund allerdings erst nach dem 2. Weltkrieg, 1966 (Bild) triumphierten die Gelb-Schwarzen als überhaupt erste deutsche Mannschaft in einem Europacup-Finale. Mittlerweile stehen acht Meistertitel, sieben Cuperfolge und ein Champions-League-Titel auf der Habenseite des Traditionsklubs. Zudem scheint die neunte Schale in dieser Saison zum Greifen nahe zu sein.

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Dundee United (Schottland): Dundee, mit rund 150.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Schottlands, ist vor allem für ihre hitzigen Fußball-Derbys bekannt. Wie der SK Sturm ist auch United in diesem Zusammenhang der Jüngere von zwei Erzrivalen. Denn während Dundee FC bereits 1893 gegründet wurde, zog die irisch-katholische Gemeinde Dundees erst am 24, Mai 1909 nach. Die Sache mit der Konfession spielt längst keine Rolle mehr, die Rivalität zwischen den „Bluenoses“ und den „Arabs“ restringiert sich mittlerweile lediglich auf verbale Scharmützel. So zeigten sich die FC-Fans einst äußerst kreativ und verliehen ihrem Stadtrivalen diesen wüstigen Spitznamen, als dieser im Tannadice-Park tonnenweise Sand auf den gefrorenen Rasen schüttete, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Retourkutsche der United Anhänger erfolgte tonal: „If i had the wings of an eagle – If i had the arse of a cow – I`d fly  over Dens Park tommorow – And shit on the bastards below.“ Eine imaginäre Gefahr bei nicht ganz präziser Visierung ist freilich, dabei das eigene Stadion zu verunstalten. Liegen doch die beiden Spielstätten der Erzrivalen nur 500 Meter (Bild) voneinander entfernt. Ähnlich auch die Erfolgsbilanz: Beide Klubs konnten bislang erst einen schottischen Meistertitel einfahren, United gelang dies 1983. Während der FC mittlerweile wieder erstklassig spielt, ist United aktuell nur noch in Divison 1 zu finden. 

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FC Carpi (Italien): Carpi – nicht das wesentlich bekanntere Capri im Golf von Neapel -, eine 70.000-Einwohner-Stadt in der Emilia Romagna, führte fußballerisch jahrzehntelang ein Mauerblümchendasein. Dem Klub – bereits 1909 von einem Studenten namens Adolfo Fanconi gegründet – gelang erst 2013 die erstmalige Teilnahme in die zweithöchste italienische Fußballliga, zwei Jahre später feierte man gar den vierten Aufstieg innerhalb von nur sechs Jahren und war in der Serie A angekommen. Seine Heimspiele musste der Klub jedoch in Ermangelung einer erstligatauglichen Spielstätte fortan im benachbarten Modena austragen. Das klubeigene Stadio Sandro Cabassi (Bild) – gewidmet einem Widerstandskämpfer zu Zeiten Mussolinis – fasst nämlich nur 4.164 Zuseher. Für einige Big-Players stellte der Aufstieg des Underdogs freilich wirtschaftlich eine Katastrophe dar, so manche Klubbosse anderer Serie-A-Klubs sahen darin gar den Untergang des italienischen Klub-Fußballs. Doch die Carpiristi nahmen`s locker. In einer Aussendung des Klubs hieß es: „Möglicherweise ist es wahr, dass einige Menschen nicht einmal wissen, dass Carpi existiert. Aber ob es euch gefällt oder nicht, wir existieren.“ Dieses Wunder war zwar nur von kurzer Dauer, denn gegenwärtig rangiert der Klub im unteren Tabellendrittel der Serie-B, erschüttern tut dies in Carpi jedoch niemanden. Immerhin hat die Stadt erst 2012 ein Erdbeben der Stärke 5,8 relativ schadlos überstanden. Noch so ein Wunder „Made in Carpi“.

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FC Sion (Schweiz): Wie bei Sturm trifft sich beim 1909 gegründeten Klub aus dem Wallis der hartgesottene Teil der Anhängerschaft auf der „Nord“. Der Klub, der erst 1959 in der Nationalliga A angekommen ist, feierte 1965 mit dem Cupsieg den ersten Titel. Im Pokalbewerb hält der Verein indes inzwischen wohl einen ziemlich unikalen Rekord inne, denn es gelang Sion bei seinen ersten 13 Finalteilnahmen stets den Platz als Sieger zu verlassen. Erst 2017 musste man sich gegen den FC Basel erstmalig in einem Endspiel geschlagen geben. Zudem gewannen die Walliser als bislang einziger unterklassiger Klub eben jenen Wettbewerb: Auch wegen finanzieller Ungereimtheiten war man 2006 in die zweite Liga abgestürzt, behielt aber gegen Young Boys erneut die Oberhand. Spektakulär ist auch eine Bilanz des Langzeit-Klubpräsidenten Christian Constantin, so etwas wie eine eidgenössische Hannes-Kartnig-Variante: Seit 2003 feuerte der exzentrische Boss bereits 36 Mal den Trainer. 2009 sollte er kurzerhand keinen adäquaten Ersatz finden und hievte sich bei einem Cup-Halbfinal-Spiel interimistisch persönlich auf den Cheftrainerstuhl. Ob er sich danach selbst entließ, ist nicht bekannt. Einen aus dieser langen Liste der Geschassten jedoch kennt man in Graz nur allzu gut: Gilbert Gress trainierte die Sittener von August 2004 bis Juli 2005. Für Constantin-Verhältnisse somit ein echter Langzeittrainer. 

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SC Hakoah Wien (Österreich): Die Gründung der Wiener Hakoah – anfangs als reiner Fußballklub – am 16. September 1909 war unter anderem eine Folge der bereits vor dem Ersten Weltkrieg einsetzenden Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung – etwa durch sogenannte Arierparagraphen – bei diversen Vereinen. Schnell entstanden weitere Sektionen und auch die Kicker konnten rasch bemerkenswerte Erfolge feiern. So etwa besiegte die Hakoah 1923 den englischen Spitzenverein West Ham auswärts gleich mit 5:0. Der erste Triumph einer kontinentaleuropäischen Mannschaft auf der Insel. Ein Jahr später wurde in Österreich die erste Profi-Liga außerhalb Großbritanniens installiert, Vereine der ersten und zweiten Leistungsstufe dazu verpflichtet, ihren Spielern ein festgesetztes Gehalt zu entrichten. Gleich zu Beginn dieser Berufsfußballer-Ära konnte Hakoah seinen einzigen österreichischen Meistertitel (Bild) einfahren. Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verschwand der Klub immer mehr von der Bildfläche, 1938 wurde der Platz im Prater arisiert und 1941 der Name Hakoah in Wien offiziell ausradiert. Doch schon unmittelbar nach Ende des Krieges wurde die „Kraft“ neu gegründet. Heute ist der einstmals größte Universalklub Europas wieder in der Krieau beheimatet und führt unter anderem eine Leichtathletik-, Schwimm- und Tennissektion. Fußball wird im Klub, dessen Türen ausdrücklich für Menschen aller Konfessionen offen stehen, allerdings seit den 40er-Jahren nicht mehr gespielt.

SG Wattenscheid (Deutschland): Der SG, gegründet am 18. September 1909, wurde auf diesem Portal bereits eine eigene Folge FWSNW gewidmet. Trotz intensiver Recherchen ist der Klub aus Bochum der einzig uns bekannte, bei dem sowohl Gründungsjahr als auch Vereinsfarben mit dem SK Sturm kongruent sind. Nachzulesen gibt es die Geschichte über die „Schwarz-Weißen Titten und Bullen“ hier

UD Levante (Spanien): Klar, Valencia hat man als Sturmfan aus der glorreichen Champions-League-Zeit noch in allzu schlechter Erinnerung (Gesamtscore im Duell mit dem FC: 0:7), der älteste Verein aus der drittgrößten spanischen Stadt ist allerdings UD Levante (1909:1919). Den einzigen Erfolg feierte der Klub bereits vor 82 Jahren, musste allerdings 70 Jahre auf den definitven Siegesjubel waren. VAR XXL sozusagen. 1937, während des Spanischen Bürgerkrieges, wurde im von republikanischen Truppen kontrollierten Teil des Landes die Copa de España Libre ausgetragen, die UD ausgerechnet gegen den Stadtrivalen FC Valencia mit 1:0 gewann. Vom nationalen Fußballverband wurde dieser Triumph allerdings nicht anerkannt. 2007 vergab der spanische Senat dann endlich diesen Titel und erst seit diesem Jahr scheint dieser eine und einzige Pokal in der Vereinsstatistik der Rot-Blauen auf. 1981 gastierte sogar der große Johan Cruyff für eine Halbsaison bei UD, als der Klub allerdings selbst mit dem Weltstar den Aufstieg in die Primera Divison verpasste, ließ man König Johan wieder ziehen. Doch auch hier gilt: Was lange währt, wird endlich gut. 2004 sollte es dann doch noch mit einem Aufstieg klappen und mittlerweile mausert sich der Verein zu einer echten Konstante im spanischen Oberhaus.

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Bilanz: Mit drei dieser neun durchaus bekannten Zeitgenossen gab es in der schwarz-weißen Klubgeschichte echte Berührungspunkte: Die Hakoah aus Wien war bereits im Frühjahr 1919 als erste Mannschaft aus der Bundeshauptstadt überhaupt in der Gruabn zu Gast. In zwei aufeinanderfolgenden Spielen verlor Sturm zunächst knapp mit 2:3, ein paar Tage drauf fuhr man gar einen sensationellen 1:0-Sieg ein. Auf Sion traf man im Sommer 1978 im sogenannten Intertoto-Cup und behielt sowohl in Liebenau (3:0) als auch im Wallis (1:0) die Oberhand. Mit dem BVB wiederum wurde im Sommer 2012  ein Transfergeschäft abgewickelt, als Johannes Focher aus Dortmund nach Graz wechselte. Was aus dem ehemaligen Torhüter geworden ist, könnt ihr hier nachlesen. Gerüchten zufolge bastelt allerdings ein ehemaliger General aktuell noch immer an einem einst versprochenen Ablösespiel anlässlich der Rückkehr des verlorenen Sohnes nach nur einem Jahr. Auf seiner Prioritätsliste soll demnach diese Begegnung knapp hinter der finalen und ultimativen Fertigstellung des sagenumwobenen Madl-Fulham-Deals gereiht sein.

Darüber hinaus gab es in der 110-jährigen Klubgeschichte noch zwei Aufeinandertreffen gegen im Jahr 1909 gegründete Klubs: Auf den KAC (ja, das war zunächst ein reiner Fußballverein, sogar der erste in Kärnten überhaupt, die Sektion Eishockey kam erst 1923 hinzu) stieß man in der Regionalliga-Mitte-Saison 1965/66 und gewann sowohl zuhause als auch auswärts. Heutzutage nennen sich die Fußballer aus Klagenfurt – auch um sich eindeutig von den Puckjägern abzugrenzen – sogar bewusst KAC 1909 und rangieren aktuell auf Platz 6 in der Kärntner Landesliga. Ebenfalls im Jahr 1909 wurde der slowakische Verein FC Nitra gegründet, gegen den der SK Sturm 1982 im Intertoto-Cup zwei Niederlagen (3:5 in Nitra und 0:2 in Trieben) einstecken musste. In der damaligen Tschechoslowakei firmierten die Westslowaken noch als TJ Plastika Nitra. Zu guter Letzt sei in diesem Zusammenhang noch eine lose Fanfreundschaft zwischen dem SK Sturm und AC Pisa erwähnt: Anhänger des Klubs aus der Toskana – der trotz mehreren Neugründungen mittlerweile das 1909 im Vereinsnamen trägt – kommen immer wieder auf Stipvisite nach Graz. Ein Spieler wurde bei beiden Klubs nie wirklich glücklich: GAK-Meistermacher Walter Schachner stand 1986 zweitweilig bei den Blau-Schwarzen unter Vertrag, 1988 und 1993 trug er ebenfalls nur vorübergehend das Trikot der Blackys. Bislang schnupperte der AC sieben Jahre Erstliga-Luft, aktuell nimmt man in der Serie C einen Mittelfeldplatz ein.

4 Kommentare

  1. Arch Stanton sagt:

    Bester Unnützeswissenbeauftragter.

    Vielen Dank, Herr Kolb!

  2. ds1909 sagt:

    Wäre cool wenn es mal so was wie ein freundschaftliches „09er Turnier“ in der Vorbereitung gebe. Ähnlich wie der „Audi-Cup“. (Gut, die Brasilianer wirst eher nicht hier her bekommen, aber mit Bologna, Levante, Sion und vor allem dem BVB hast schon attraktive Teams aus dem Jahre 1909 – sofern da welche wollen und Interesse bestehen würde)

    Hier kann man sicher auch Sponsoren und Geld lukrieren.

  3. Siro sagt:

    Sehr interessanter Artikel!!

    Wär wirklich ein Hammer ein 110er Turnier in der Sommervorbereitung

    Dass der Schoko Schachner gleich zweimal für Sturm kickte, hab ich wohl verdrängt.

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