Aus der Lagunenstadt – zur Auflösung?

FBC Unione Venezia

Der Foot Ball (sic!) Club Unione Venezia aus der Lagunen-, Wasser-, Brücken-, Touristen-, teure Restaurants-, und Weißderkuckuckwasnochalles-Stadt Venedig ist der größte Verein der gesamten Region und obendrein noch ein leuchtendes Beispiel für die finanziellen Probleme und Neugründungen, die im italienischen wie auch im österreichischen Fussballsport leider viel zu häufig sind. Dies führt sogar soweit, dass zum Zeitpunkt an dem dieser Text geschrieben wurde unklar war, ob der Verein 2015/16 überhaupt noch am Spielbetrieb teilnehmen wird.

1907 als Foot Ball Club Venezia gegründet – passenderweise als Fusion zweier lokaler Vereine – konnte man bereits zwei Jahre später, im aus bekannten Gründen wunderbaren Jahr 1909 das Semifinale der italienischen Meisterschaft erreichen. 1919, passend zum allgemeinen italienischen Nationalismus nach dem 1. Weltkrieg kam es zur Italienisierung des Namens, man nannte sich nun Associazione Calcio (AC) Venezia. Den ersten und bisher auch einzigen nationalen Titel konnten die „Lagunari“ früher als der SK Sturm erringen, nämlich 1941 mit der Coppa Italia. In der darauffolgenden Saison 1941/42 erreichte man den 3. Platz in der Serie A, das All-Time-High des Vereins. In der damaligen Mannschaft befanden sich einige Spieler die später Teil des „Grande Torino“ wurden und 1949 bei der Tragödie bei Superga ums Leben kamen. Aushängeschild war Valentino Mazzola, laut einigen Fans der beste italienische Fussballspieler aller Zeiten (die bisher einzigen italienischen Sturmlegionäre Giuseppe Gianini und Enzo Gambaro machen ihm diesen Platz jedenfalls nicht streitig) und Vater der späteren Inter-Legende Sandro Mazzola.

An diese glorreichen Zeiten konnte man nie mehr wirklich anknüpfen, nach einigen Ab- und Wiederaufstiegen landete man Anfang der Achtzigerjahre sogar in der Serie D. 1987 tat der Verein das, was ohnehin gewissermaßen die ganze Stadt vormachte, eine Fusion mit Mestre, dem Verein vom Festland. Kurze Zeit spielte man sogar als AC Venezia-Mestre. Auch die Vereinsfarben wurden damals geändert.

Überhaupt sind die Farben bei Venedig eine interessante Sache. Bei Vereinsgründung spielte man ganz in Rot, unsympathische Assoziationen seien dem Leser hier gegönnt. Diesen Irrtum korrigierte man bereits 1908, ein Jahr nach der Gründung. Fortan spielten die Lagunari in Schwarz und Grün. Nach der Fusion mit dem AC Mestre fügte man noch Orange dazu, sodass man bald auch „arancioneroverdi“, also die Orange-Schwarz-Grünen genannt wurde.

Die neue Farbe (oder die Fusion an sich) beflügelte nicht nur den geflügelten Löwen im Wappen (Beleidigungen für diese miese Pointe werden in den Kommentaren gerne entgegengenommen), sondern den gesamten Verein. 1990/91 stieg man in die Serie B, und 1997/98 nach 30 Jahren sogar wieder in die Serie A auf. Damals fand man unter den Lagunaris auch durchaus bekannte Spieler wie Christian Vieri, Álvaro Recoba, Gerhard Poschner (Sportchef 1860 München) und auch Michael Konsel, den man eigentlich nicht kennen muss, da er bloß bei einer unbedeutenden Truppe aus Hütteldorf im Tor herumstand. Und im Nationalteam halt auch. Wie dem auch sei, es half alles nichts, mit der Abwanderung des Präsidenten Maurizio Zamparini 2001/02 zum US Palermo stieg man wieder ab – und befand sich 2005 bereits wieder in der Drittklassigkeit. Im Juni 2005 erklärte sich der AC Venezia für bankrott und wurde als Societá Sportiva Calcio (SSC) Venezia neu gegründet. Den SSC Venedig gab es nicht lang, schnell erzählt sind auch seine Erfolge: 1x Aufstieg aus der Serie C2 (4.Stufe). Dagegen ist/war der GAK ein Topverein. Im Sommer 2009 ging man bankrott und es entstand der Foot Ball Club Unione Venezia. Damit kehrte man genau 90 Jahre nach der ersten Umbenennung zumindest teilweise wieder zu den Wurzeln zurück, die Vereinsfarben blieben aber glücklicherweise bis heute Orange-Schwarz-Grün. Im Februar 2011 übernahm Yuri Korablin den Verein. Angeblich entbrannte seine Liebe zu den Lagunari in einem Sportgeschäft durch ein Replicashirt der Cupsiegersaison. Falls diese Geschichte falsch ist, so ist sie zumindest schön und gut erfunden. Nachdem man in der fünften Stufe beginnen musste, spielte der FBC Unione 2014/2015 wieder in der Lega Pro Prima Divisione, also der dritten Leistungsstufe. Im Kader der letzten Saison findet man keinerlei Anzeichen des alten Glanzes mehr, der teuerste Spieler war Tommaso Bellazzini, ein von der Fiorentina ausgebildeter Stürmer, der drei Einsätze in der italienischen U18 zu Buche stehen hat, als Profi in der Serie A allerdings nie Fuß fassen konnte. Sein Marktwert beträgt 500.000€, das entspricht dem von Wilson Kamavuaka oder Marvin Potzmann. Eh ok, aber halt nichts verglichen mit dem was mal war. Des Weiteren befanden sich 2014/15 ganze 9 Leihspieler im Kader (Sturm: 2, Donis Avdijaj & Lukas Spendlhofer).

Die Lagunari spielen im Stadio Pierluigi Penzo auf der Insel Sant´Elena. Das Stadion wurde bereits 1913 eröffnet und stellt somit das zweitälteste Stadion Italiens dar. Ursprünglich noch aus Holz gebaut wurde es bald durch betonierte Tribünen ergänzt. Der Besucherrekord von 26.000 zahlenden Gästen stammt noch aus dem Jahr 1966 vom Ligaspiel gegen den AC Milan, und wird in naher Zukunft auch nicht fallen. Das vor allem deshalb, weil inzwischen nur noch 7.450 Plätze zur Verfügung stehen. Klingt nach wenig, allerdings kamen letzte Saison im Schnitt ohnehin nur 1.122 Zuschauer in das nach einem Piloten aus dem 1. Weltkrieg benannten Stadion.

Eben dieses alte Stadion bzw. diese Stadionruine ist nun das Riesenproblem bezüglich der Zukunft des FBC Unione Venezia. Yuri Korablin fordert von der Stadt Venedig ein neues Stadion in der Nähe des Flughafens beim Vorort Tessera. Die Stadt hatte dies erstmals bereits in den Neunziger Jahren versprochen und das ewige Zögern war auch schon der Grund für den Abgang Zamparinis zu Palermo. Korablin ist bei den Fans durchaus populär, doch seine Versicherung, ohne neues Stadion kein neues Geld mehr nach Venedig zu pumpen, lässt die Fans derzeit wohl wahnsinnig werden. Am 22.07. war immer noch nicht klar, ob und in welcher Liga der FBC Unione Venezia in der Saison 2015/16 antreten wird. Sportlich wäre man für die 3. Liga qualifiziert, doch ob es tatsächlich dazu kommen wird, ist äußerst fraglich.

Resümee: Der FBC Unione Venezia spielt seit 100 Jahren beinahe durchgehend im selben Stadion. Zum Glück nicht wie Sturm! Einem einzigen nationalen Titel stehen zahlreiche Abstiege entgegen. Glücklicherweise auch nicht wie Sturm! Finanzielle Troubles sind zwar wie Sturm, Neugründungen gibt es in Graz aber nur bei den anderen. Die Clubfarben erinnern an einen Tiroler mit Faible für die Bienenzüchter Österreichs. Zu bunt für Sturm.

Alles in allem eignet sich der Foot Ball Club Unione Venezia leider nicht als Zweitsturm. Zwar ist die Stadt wunderschön, das hilft bei Dritt- , Unterliga- oder gar überhaupt keinem Fußball leider auch nicht weiter. Die Geschichte des Vereins bzw. der Vereine ist wechselhaft und scheint nicht im Guten zu enden, sodass man wohl froh sein kann, dass zwischen den Lagunari und den Blackies ein gehöriger Unterschied besteht.

Dafür könnte man in Venedig mit dem Boot zum Stadion fahren, das wäre in Graz auch sehr nett. Vielleicht baut man das nächste Stadion ja direkt ans Murufer.

 

2 Kommentare

  1. Helmut Pi sagt:

    toller Artikel, informativ und sehr unterhaltsam geschrieben!

  2. ultrasneverdie sagt:

    der grösste verein der gesamten region (venetien) ist wohl hellas verona… dort wo sich leider ultrarechte fans tummeln.

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