Auf dem Weg, Klubrekorde zu brechen…

Ein Damen-Wochencheck extended zu Beginn der Winterpause

Was war das für eine Hinrunde!?

Neun Runden sind absolviert. Das bedeutet, es ist Halbzeit in der Frauen-Bundesliga und die SK Sturm Frauen können mit ihren gezeigten Leistungen mehr als zufrieden sein. Mit einem verdienten 5:1-Erfolg beim FC Bergheim in Salzburg konnte die Hinrunde nach der Auftaktniederlage gegen SKN St. Pölten mit acht Siegen en suite so erfolgreich wie noch nie bewältigt werden. Es ist dies die längste Siegesserie der Grazerinnen im Oberhaus und die Zahlen dazu sind bestechend, historisch, und haben es sich verdient, hier festgehalten zu werden.

In der bisher erfolgreichsten Saison 2015/16 gelangen Sturm Graz in 18 Spielen zwölf Siege bei zwei Niederlagen und insgesamt 40 Punkten, die für den Vize-Meistertitel reichten. Zwar konnte man auch 2016/17 zwölf Siege einfahren, schaffte in der Endabrechnung jedoch „nur“ 39 Punkte, die dennoch (dank des bisher besten Torverhältnisses in der schwoazen Geschichte – 54:18) zum erneuten Vize-Meistertitel reichten.

Um es noch einmal schwarz auf weiß hier stehen zu haben: Die vergangenen 9 Runden waren der erfolgreichste Herbst in der noch jungen Geschichte der schwarz-weißen Fußballfrauen in der Bundesliga. Mit fünf Punkten Vorsprung auf Rang drei und nur drei Punkten Rückstand auf die Frauen aus St. Pölten, die nach neun Spielen eine weiße Weste und ein atemberaubendes Torverhältnis von 41:5 vorweisen können, kann das Team stolz in die Winterpause gehen.

Im Schnitt treffen die Grazerinnen 3,88 Mal pro Spiel ins gegnerische Tor, müssen aber deren nur 0,77 pro Partie hinnehmen – eine Quote, von der die Herren im Moment leider nur träumen dürfen.

Individuell und als Team herausragend

Dass ausgerechnet in Runde fünf die herausragendsten Spielerinnen unserer Schwoazen mit ihren Treffern den 3:1 Sieg in Wien bei den direkten Konkurrentinnen um Platz 2 von USC Landhaus/Austria Wien sicherstellten, sollte man nicht als Zufall, sondern als Bestätigung ihrer überwältigenden Herbstsaison gelten. Yvonne Weilharter, wichtige Stabilisatorin in der Defensive, die auch ihr Debüt im Nationalteam geben durfte, traf vier Mal. Lisa Kolb, die im Sommer frisch zum Team aus Linz dazugestoßen war, legte ihre Ladehemmung ausgerechnet in diesem Spiel ab und traf danach noch bis zur Saisonhalbzeit insgesamt acht Mal. Als Toptorschützin hat das Offensivtalent somit voll eingeschlagen und wurde nur von einer in diesem Herbst übertrumpft – Modesta „Uki“ Uka. Die Spielmacherin legte eine Glanzleistung nach der anderen hin, bereitete zahlreiche Treffer vor und erzielte auch noch fünf Tore selbst.

Neben diesen drei Spielerinnen, gilt es aber auch, das starke Kollektiv nicht zu vergessen. Elf unterschiedliche Torschützinnen, kompakte Defensivleistungen und einige neue Gesichter, die im Kader oder gar von der Bank kommend Bundesligaluft schnuppern konnten, sind der Beweis dafür, dass der SK Sturm endgültig im Frauenfußball Österreich angekommen und ganz vorne mit dabei ist.

Mit Fortdauer dieser Saison wird auch immer deutlicher, dass die 3-4-3-Formation beim Trainer am beliebtesten zu sein scheint. Besonders der offensive Dreierpack mit Lisa Kolb, Modesta Uka und Jessica Frieser hat in der zweiten Saisonhälfte dem schwoazen Spiel seinen Stempel aufgedrückt. Gerade gegen tiefstehende Gegnerinnen scheint Christian Lang, damit das richtige Rezept gefunden zu haben. Bei Ballgewinnen wird schnell umgeschaltet und sofort in die Spitze auf die flinke Lisa Kolb gespielt, die dann meist mit wenigen Ballkontakten zum Torabschluss kommt. Bestes Beispiel war das Spiel gegen FC Bergheim, wo das gleich mehrfach passierte.

(c) Martin Hirtenfellner – Fotografie

Zur Lage der Nation

Was bleibt zu dieser so erfreulichen Saisonhälfte also noch zu sagen? Es lief eigentlich wie geschmiert. Sturm war nominell zusammen mit USC Landhaus/Austria Wien auf Platz zwei oder drei eingeschätzt worden und hat das direkte Duell für sich entschieden, sich im Gegensatz zu den Konkurrentinnen kein Straucheln geleistet und ist souverän durch die Hinrunde marschiert. Die Dominanz des SKN St. Pölten im österreichischen Frauenfußball wird dennoch wohl nicht zu brechen sein, solange das einzige nationale Zentrum für Frauenfußball dort steht und fast alle talentierten Spielerinnen, die nicht sowieso ins Ausland abwandern, tendenziell auch für St. Pölten spielen. Selbst die meisten talentierten, jungen Spielerinnen der anderen Teams trainieren unter der Woche gemeinsam beim ÖFB-Hauptquartier, gehen dort zur Schule und kommen nur zu den Abschlusstrainings zu ihren Klubs, während die anderen Spielerinnen ihren Studien, Brotberufen oder Nebenjobs nachgehen. Mittelfristig wird es also nicht nur eine Frage des Etats beim eigenen Klub, sondern auch eine Frage der Professionalisierung der Liga und der Philosophie des ÖFB sein, der im Moment die größtmögliche Weiterentwicklung des Frauenfußballs bei Erfolgen des Nationalteams sieht.

Mehr Geld in den Frauenfußball zu stecken, sollte gerade für andere Herren-Bundesligaklubs eigentlich eine Sache der Selbstverständlichkeit sein. Derzeit sind die Summen, die dafür notwendig wären, noch überschaubar, fast schon lächerlich, wenn man sich zum Vergleich die Ausgaben, Etats und Beträge bei den Männern vor Augen führt.

Als Sturm-Fan darf man stolz darauf sein, dass der Verein hier eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Wacker Innsbruck hat mitgezogen, die Austria bäckt zumindest halbherzige Brötchen mit der Kooperation beim USC Landhaus und der SKN St. Pölten wurde mit dem nationalen Zentrum für Frauenfußball regelrecht zwangsbeglückt. Dass ein Werbeunternehmen wie Red Bull Salzburg kein Interesse am Engagement in einem Bereich zeigt, der zu wenig Reichweite für Markenrelevanz hat, ist rational nachzuvollziehen. Die Frage, die man sich bis zum Schluss aber stellen sollte, ist, was eigentlich Rapid Wien davon abhält, ein Frauenteam zu gründen. Die Nähe zu St. Pölten, das enorme Einzugsgebiet in Wien und die hohen Beliebtheitswerte in der Hauptstadt würden umgehend dafür sorgen, dass unzählige junge Mädchen und Frauen bei Rapid auf der Fußmatte stehen würden, die an den Wochenenden ins Stadion gehen, bei kleinen Klubs kicken und genauso wie die Jungs ihren Idolen im Internet folgen. So ungern man als Grazer Fan die Grün-weißen auch erwähnt, geschweige denn gegen sie verliert, so wichtig ist der größte Klub des Landes für den Fußballsport und so wichtig wäre dieser auch im Frauenbereich.

Der nächste Schritt zur Professionalisierung und sportlichen Weiterentwicklung kann nur Hand in Hand mit den großen Klubs der Männer passieren, die endlich über ihren Schatten springen sollten, und ihren kleinen Beitrag zur Gleichberechtigung im Sport leisten sollten. Es tut an dieser Stelle sehr gut, zu wissen, dass man als Fan des SK Sturm Graz auf der richtigen, progressiven Seite der Geschichte steht. Und zwar zur Halbzeit der Frauenbundesliga 2018/19 mit der stärksten sportlichen Leistung, die der SK Sturm jemals gezeigt hat.

Bis März ist jetzt erst einmal Pause in der Liga. Danach geht es aber so richtig ans Eingemachte. Fünf Siege fehlen zu einem neuen Klubrekord. Auch der Bestwert bei den erzielten Toren kann erreicht werden. Der Vize-Titel ist nicht nur im Bereich des Möglichen. Und solange das zweite Spiel gegen SKN St. Pölten nicht verloren wurde, ist sogar der Meistertitel noch in Reichweite. Aber das ist etwas, das wohl nur mit einem Weihnachts- und einem Osterwunder, viel Pech für den SKN St. Pölten und akribischer Arbeit am Trainingsplatz Realität werden kann…

(c) Martin Hirtenfellner – Fotografie

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