Atalanta gegen Sturm – oder David gegen Goliath

Spielvorschau: Atalanta Bergamo vs. SK Sturm Graz

Gewiss ist nicht nur der Name des Stadions der Bergamasken, sondern auch, dass der SK Sturm nach zuletzt enttäuschenden Leistungen über sich hinauswachsen wird müssen, um den Italienern einen oder gar drei Punkte abknöpfen zu können.

Über Atalanta als Verein und seine Geschichte haben wir bereits vor dem Hinspiel berichtet. In dieser Vorschau soll es also hauptsächlich um Sportliches gehen. Und da hat Atalanta wie wir wissen einiges zu bieten.

Die Form spricht für das Heimteam

Gegen Atalanta wird Physis das Mittel zum Zweck sein. Gregory Wüthrich und David Affengruber werden wohl eine Menge Zweikämpfe führen. Foto: Martin Hirtenfellner Fotografie

Erst am Wochenende musste man sich in der Liga zum bereits vierten Mal geschlagen geben. Da der Gegner den Namen FC Internazionale trägt und nach elf Spielen von der Tabellenspitze lacht, eine Niederlage, die man verkraften kann. Immerhin machen Individualisten der Mailänder – Alessandro Bastoni, Hakan Calhanoglu, Nicolo Barella oder allen voran Lautaro Martinez – aktuell gute Werbung für den italienischen Fußball. Defensivschlachten und „Busparken“ gibt es zumindest bei den Topklubs aus Italien immer weniger.

Die beiden eingangs erwähnten Klubs haben dem Catenaccio offensichtlich den Rücken gekehrt und begeistern mit Offensivfußball der Extraklasse. Hohes und ständiges Pressing nach Fehlern, schnelles Umschaltspiel nach Ballgewinnen und Zug zum Tor sind aktuell die Tugenden, die Inter Mailand zum Tabellenführer machen, aber auch Atalanta einen zufriedenstellenden fünften Tabellenplatz bescheren.

Gianluca Scamacca erzielte bei besagtem Spiel nach einer Stunde den Anschlusstreffer, nachdem Hakan Calhanoglu vom Elfmeterpunkt und – who else – Lautaro Martinez auf 2:0 stellten. Das Spiel war über weite Teile ausgeglichen, Atalanta konnte sogar ganze 14 Mal aufs gegnerische Tor schießen. Die Akteure des Abends waren eindeutig Hakan Calhanoglu auf Seiten der Nerazzuri und Ademola Lookman auf Seiten der Bergamasken.

Wer sich dieses Spiel auch angeschaut hat, war begeistert und wurde auf sportlich hohem Niveau unterhalten. Und keineswegs waren es nur die Individualisten, die Aufsehen erregt haben – bei aller Klasse gibt es auf so hohem Niveau natürlich immer auch eine taktische Komponente. Und wie eingangs erwähnt, hat es nun auch bis nach Italien die Runde gemacht, dass erzielte Tore ein Spiel entscheiden, und nicht verhinderte.

Das 2:2 im Hinspiel in Graz hat den SK Sturm zufrieden gestimmt. Trotz einer fragwürdigen roten Karte gegen Kapitän Stefan Hierländer reichte es am Ende zu einem Unentschieden. Nach einem Tor von „Eurowilli“ Böving, bei dem Torwart Juan Musso keine allzu gute Figur machte, drehte Luis Muriel das Spiel mit zwei Toren zugunsten der Bergamasken. Ein schönes Tänzchen vor der Nordkurve inklusive. Wir stellen fest, dass lateinamerikanische Herkunft nicht unbedingt auch besondere Tanzskills mit sich bringen. Ein Elfmeter von Szymon Wlodarczyk sorgte am Ende für den Ausgleich.

Seitdem läuft es für Atalanta gut, für den SK Sturm eher weniger. Zwei Niederlagen in der Bundesliga stehen seitdem zu Buche, ein Sieg gegen den Stadtrivalen aus dem Grazer Norden, in dem man sportlich auch nicht wirklich brillierte. Zum einen schlug die Wiener Austria den SK Sturm in Liebenau, nachdem ein dominantes, aber zahnloses Auftreten unbelohnt blieb. Erst am Wochenende musste man sich dem Linzer ASK geschlagen geben. Man würde gerne Schiedsrichter Hameter die Schuld an der Niederlage geben, der wieder einmal einen absoluten Horrortag erwischte, am Ende muss man aber neidlos anerkennen, dass die Linzer in den meisten Belangen schlicht überlegen waren.

Das Spiel gegen die Bergamasken steht also unter einem denkbar schlechten Stern. Nachdem Rakow Czestochowa nach einem Unentschieden gegen Sporting Lissabon nun doch noch von den Toten auferstanden scheint, steht man auch im Hinblick auf die Tabelle unter Druck. Atalanta kann frei aufspielen und sich der Tabellenführung auch nach einer Niederlage noch sicher sein.

Mögliche Aufstellung

Die Aufstellung, die Trainer Gian Piero Gasperini aufs Feld schicken wird, dürfte der Aufstellung vom Hinspiel am Ende relativ ähnlich sein. Im Tor scheint Juan Musso nun endgültig der nominelle „Einser“ vor Marco Carnesecchi zu sein. In der Dreierkette werden wohl wieder Djimsiti, Kolasinac und Toloi auflaufen – Scalvini, der im Hinspiel geschont wurde, wird wohl wieder von letzterem ersetzt, der nach einem relativ einfältigen Platzverweis gegen Inter am Wochenende ohnehin unfreiwillig geschont werden muss.

Das Sechserduo Marten de Roon und Ederson hat sich mittlerweile als Standardvariante im defensiven Mittelfeld durchgesetzt, vor allem da Teun Koopmeiners mittlerweile eher als 10 agiert – eigentlich die Position von Charles de Ketelaere, der seinen Trainer bisher wohl nicht ganz zu überzeugen scheint.

Auch auf den Flügeln dürfte Gasperini schonen – das Duo aus Davide Zappacosta und Matteo Ruggeri könnte durch Hans Hateboer und Mitchel Bakker ersetzt werden, die beide dringend auf Einsatzminuten warten.

Auf der Zehn wird es Jon Gorenc-Stankovic wohl mit „Wirbelwind“ Teun Koopmeiners zu tun bekommen, auch besagter Charles de Ketelaere hat Bedarf, sich zu beweisen. Beide Spieler werden keine einfache Aufgabe für Stankovic darstellen, unterscheiden sich aber in ihrer Spielweise ziemlich. Koopmeiners bewegt sich überall im Mittelfeld und hilft defensiv wie offensiv aus. Er verteilt Bälle auf die nachkommenden Flügelspieler und bewegt sich seltener im gegnerischen Sechzehner. De Ketelaere kommt eher über seinen Speed und seine Technik, bricht gerne auch durch die Abwehrkette und sucht den Abschluss auch aus der zweiten Reihe, wobei der Linksfuß über eine hervorragende Schusstechnik verfügt. Zwar konnte er seine Torgefahr in Italien noch nicht wirklich unter Beweis stellen, beim FC Brügge erzielte er 2021/22 aber beeindruckende 14 Saisontore.

Nachdem Luis Muriel wohl nach seinem Doppelpack wieder international starten wird dürfen, stellt sich die Frage, was Gasperini mit Ademola Lookman macht. Dass der Brite über enorme Technik und Wucht verfügt, steht außer Frage. Doch in den letzten Spielen gab es doch Experimente mit Lookman. So spielte er noch gegen Inter eher auf einer doppelten Zehn an der Seite von Teun Koopmeiners, im Hinspiel in Graz agierte er noch auf einer Linie mit Doppeltorschützen Luis Muriel. In beiden Fällen werden es Gregory Wüthrich und David Affengruber aber mit Speed, Technik und Physis zu tun bekommen.

Die Totgesagten grüßen dich

Er wird das Spiel wohl verpassen – Otar Kiteishvili © Martin Hirtenfellner Fotografie

Für den SK Sturm gibt es wenige Schlüssel zum Erfolg. Die vergangenen Leistungen sind nicht unbedingt förderlich für anwachsenden Optimismus in den Köpfen der Fans und vermutlich auch der Spieler. Will man den Spieß umkehren und Beton anrühren, wird es eine Frage der Zeit, bis einer der Individualisten im Kader der Bergamasken eine Idee hat und ebendiese verwertet. Man wird also wohl oder übel wie im Hinspiel versuchen müssen, spielerisch für Gefahr zu sorgen. Dass Sturm Graz die Qualität hat, nach vorne hin – auch mit einem Szymon Wlodarczyk, der endlich wieder in Torlaune kommt – vor allem über Standards und hohe Bälle in den Sechzehner gefährlich zu werden, steht außer Frage. Sorgen macht aktuell noch die Defensive, die sich nach schwächeren Leistungen gegen die Wiener Austria, den Stadtrivalen im Derby und zuletzt gegen den Linzer ASK bei einer erneut schwachen Leistung wohl den einen oder anderen Vorwurf gefallen lassen wird müssen.

 

Man hat jedenfalls nichts zu verlieren, außer sein Gesicht – und das gilt es, zu bewahren. Spielt der SK Sturm in Bergamo zumindest über Teile des Spiels mit und verliert, dann hat man eben gegen ein Top-Team verloren. Wird das Spiel wieder von unkonzentrierten Fehlpässen, schlechter Raumaufteilung und wenig Druck nach Fehlern bestimmt, kann man in Graz wohl von einer kleinen Krise sprechen. Im Umkehrschluss wäre ein Punkt oder gar ein Sieg in Bergamo ein Ausrufezeichen in Richtung aller Kritiker:innen, die Sturm im Meisterrennen bereits totgesagt haben. Eigentlich also eine ideale Chance, mit einer beherzten Leistung und völlig ergebnisunabhängig wieder Selbstvertrauen zu tanken und positive Stimmung in der Kabine und auf den Rängen zu entfachen. Zwar sind’s von Bergamo ein paar Fahrstunden in die ewige Stadt, man kann dieses Spiel trotzdem unter das Motto morituri te salutant stellen.

8 Kommentare

  1. Ennstaler sagt:

    Der Titel „David gegen Goliath“ ist ebenso abgedroschen wie falsch: welchen Scharfschützen hat denn Sturm zur Zeit, der den bärenstarken Mannen aus Bergamo Tore um die Ohren schießt, dass sie vor Schreck umfallen?

    • Wenn wir hier stehen sagt:

      Wieso so negativ? Gibt’s aktuell nicht genug Probleme rund um den Verein?

      Man kann sich auch einfach freuen, dass mit Sturmnetz ein Medium existiert dass regelmäßig außerordentlich gute Artikel veröffentlicht die im Gegensatz zu (allen) anderen nicht nur trocken heruntergewuselt werden.

    • Wenn wir hier stehen sagt:

      existiert, das*

  2. florian sagt:

    Ich bin froh, dass es Sturmnetz gibt und immer wieder solche herrlichen, sprachlich feinen Artikel und Vorberichte veröffentlicht 🙂

  3. Ennstaler sagt:

    Höljund zeigt’s vor: schießt gleich in der 3. Minute das 1:0 für ManU

  4. Ennstaler sagt:

    Und schnürt in der 28. den Doppelpack – Sturmleute, macht’s wie Euer Exkollege!

  5. fid82 sagt:

    Ich hoffe, dass heute unten etwas mitnehmen können. Irgendwie befürchte ich aber, dass wir eine ordentliche auf den Deckel bekommen werden. Wir befinden uns in einer leichten Abwärtsspirale und der Gegner ist sehr gut. Dazu fehlt Kite. EIn Mann für die besonderen MOmente.
    Die Spiele gegen die Austria und den LASK waren eigentlich gar nicht schlecht, sondern beide wären bei Spielglück/Chancenverwertung zu gewinnen gewesen.

    Trotzdem denke ich ,dass wir auf unser aktuelles Leistungsvermögen zurückgefallen sind.
    Wir haben vorher overperformed. Gerade ergebnistechnisch.
    Und das meine ich positiv. Es war immer die Schärfe, der Wille und die Effizienz da. Die spielerische Klasse hat öfter gefehlt.
    Und das ist soweit nicht verwunderlich, weil uns mit EEE der Mann verlassen hat, auf den das Spiel ausgelegt war. Seedy hat aktuell Pech und kann sich nicht reinspielen und der Faktor sein.
    Und bei Wloda hat man ja immer gesagt, er ist der Goalgetter. Das sind seine Stärken.
    Der Rest kommt vielleicht noch.

    Das hier ist keine Jammerei. Im Gegenteil eigentlich. Wir stehen in der Liga, im Cup und in der EL super da.
    Und das obwohl wir wieder einen extrem lukrativen Aderlass hatten.
    Das Salzburg über uns, und der LASK neben uns zu stellen sind, habe ich mir vor der Saison gedacht und ist keine ÜBerraschung.

  6. Nimrod sagt:

    Ich war zwar während des Hinspiels nimmer ganz so nüchtern, aber ich denke doch, dass das 1:0 Herr Prass geschossen hat…

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