Als im Nebel die Sonne schien
Am 10. November 2010 gastierte der SK Sturm an der legendären Volksstraße in Steyr. Bei einem echten Traditionsverein, der gerade dabei war, in der oberösterreichischen Landesliga den Meistertitel einzufahren und im Pokalbewerb zu echten Höhenflügen ansetzte. Nachdem Vorwärts bereits den VSE St. Pölten und den WAC aus dem Bewerb geworfen hatte, freut man sich am Zusammenfluss von Enns und Steyr über das Traumlos Sturm Graz. Das Fanprojekt „Immer Vorwärts!“ blickt auf jene Tage zurück:
Gelbe Kugerl, und der SKV im Fernsehen
Das Achtelfinale wurde im ORF live ausgelost. In einer der 16 gelben Kugeln sollte tatsächlich ein Zettel mit der Aufschrift SK Vorwärts Steyr versteckt sein. Für Leute, die dem SK Vorwärts beim Neubeginn, nur zehn Jahre zuvor, in Kleinreifling auf die Beine schauten, war das schwer zu glauben. Aber in der Tat: Ein Zettel mit unserem Namen war drinnen und in einer anderen gelben Kugel versteckte sich einer mit dem Namen SK Sturm Graz.
Traumlos SK Sturm
In Steyr begannen die Vorbereitungen für das Hochamt am 10. November. Das Vereins-Marketing vertippte sich in der Nervosität, auf den Plakaten wurde Strum (sic!) Graz angekündigt. (Der Fehler wurde natürlich ehestens behoben). Ein eigener Matchschal wurde angekündigt. Die Kreativabteilung der Südtribüne feilte an einer Choreographie, mit dem man auch zur Diplomprüfung an der Hochschule für Darstellende Kunst im Fach Regie antreten könnte.
Sturm auf Steyr
Was uns besonders freute: In Graz entstanden Flyer, die zur Auswärtsfahrt zum „Duell der Traditionsvereine“ ermunterten. Die Medien wurden auf den OÖ-Ligisten und seine treuen Fans aufmerksam, der Ballesterer schenkte uns ein Interview, die Markise des Ostblocks schaffte es gar ins Fußballmagazin „11 Freunde“. Eine kurze Anmerkung: Ein Jahr zuvor war RB Salzburg in Steyr in der ersten Runde des Cups zu Gast. Der Werksverein des Brauseunternehmens lockte zwar ebenfalls 7.000 Besucher in die Volksstraße, mit der Euphorie des Matches gegen Sturm konnte das Schaulaufen der Salzburger (wir gingen erwartungsgemäß sang- und klanglos unter) aber bei weitem nicht mithalten.
SK Vorwärts gegen Sturm – das klang nach Bundesliga, das klang nach bester Stimmung und lebendigen Fanszenen. Die ein paar Jahre lang gesperrte Nordtribüne wurde eigens für den Ansturm von Brigata und Co. renoviert. Der Atem der großem Fußballwelt und die Erinnerung, sie sollten uns einen Abend lang streifen. In den Reihen der Grazer: Legende Mario Haas, der einzige im Team der Grazer, der die Volxstraße noch aus gemeinsamen Bundesligazeiten kennt und der sich mit Daniel Madlener einst um Bälle gerauft hat. Streifschüsse der großen und ein wenig verklärten, jüngeren Vergangenheit.
Nebel, Stimmung, Sympathiekundgebungen
Dann kam der große Tag. 7000 am Vorwärtsplatz. Nur der Nebel blieb. Hartnäckig bis zum Anpfiff hing er wie zum Trotze über der Stadt. Wir auf der Südtribüne lasen eine Liebeserklärung der Sturmfans auf der Nordtribüne. „…wir wollen Vorwärts Steyr oben sehen.“ Die Südtribüne konterte mit einer mobilen Choreo, die daran erinnern sollte, dass Steyr einst etwas mit der Steiermark zu tun hatte.
Wir überstanden die ersten 15 Minuten, die zweiten und die dritten und freuten uns über ein Remis zur Pause, das erahnen ließ, es liegt nicht nur Nebel in der Luft. Florian Berger in unserem Kasten hatte alle Hände voll zu tun, zweifelsohne, aber die Jungs in Rot-weiß kämpften wie die Löwen, man darf noch einmal erinnern: eine Mannschaft aus der 4. Leistungsklasse. Irgendwann um die 60. Minute hatte es unser Daniel Lindorfer auf dem Fuß. Eine kleine Unachtsamkeit in der Abwehr der Grazer, Lindorfer stibitzt sich den Ball von Burgstaller und steht nur noch Torman Cavalina gegenüber. Ein Raunen, offene Münder, das ist der Moment, aber etwas zu überhastet agiert unser Stürmer, der Ball kullert am Tor vorbei.
Grazer Tormann hat zu tun
Das Grazer Fanportal sturm12.at wählt ihren Schlussmann übrigens zum Man of the Match. Ein Auszeichnung, die auch unserem Florian Berger am gegenüberliegenden Ende des Feldes gebührt. Wohl mehr als ein Dutzend Mal hallt ein erleichtertes „Yipppieyeh….“ durchs Stadion, nachdem er geklärt hatte.
90 Minuten sind um, verlieren können wir gar nicht mehr. Wir trotzen Sturm eine Verlängerung ab. Und 0:0 dann auch zur Pause der Verlängerung. Der Gedanke an ein Elfmeterschießen vor der Süd hält uns warm an diesem kalten Abend, als ob die Sonne durch den Nebel käme und macht uns heiser. Roman Kienast macht in der 112. Minute auf Partycrasher.
Partycrasher Roman Kienast
Kopfstoß, das 0:1, ein paar Minuten bevor die Party so richtig begonnen hätte. Sie findet trotzdem statt: Die Mannschaft wird trotz der Niederlage, die keiner so empfunden hat, mit einem Humpa verabschiedet. In den Lokalen der Stadt, in denen Grazer den Sieg, den sie ob der Leistung der Sturm-Elf gar nicht so empfinden, nur mit Handbremse feiern und das gemeinsam mit Steyrern, die sie oben sehen wollen.
Ein Abend neigt sich dem Ende zu. Und irgendwie ahnten wir: Das gibt’s nicht alle Tage, nicht einmal alle Jahre.
Spieldaten:
Vorwärts Steyr – Sturm Graz 0:1 n. V. (0:0, 0:0)
ÖFB-Cup – Achtelfinale
Mittwoch, 10. November 2010, 19:30 Uhr, Vorwärts-Stadion, 7.000 Zuschauer
Vorwärts Steyr (4–4–2):
Berger; Danninger, Kovacevic, Kerschbaumer (112. Ruckendorfer), Mehlem; Rabenhaupt, Lindorfer (102. Falkner), Rothbauer, Schierbauer; Lageder (118. Jeftenic), Schönberger.
Sturm Graz (4–4–2)
Cavlina; Ehrenreich, Feldhofer, Burgstaller, Perthel (106. Standfest); Kainz, Mevoungou (63. Weber), Kienzl, Pürcher (63. Muratovic); Haas, Kienast
Tor: 0:1 Kienast (114.)
Gelbe Karten: Schierhuber (111.) bzw. Feldhofer (68.), Weber (80.)
Es war das fünfte Aufeinandertreffen dieser beiden Traditionsvereine im Österreichischen Cup. Im Juni 1949 behielt Vorwärts im Viertelfinale noch mit 3:2 die Oberhand, 1961 setzten sich die Blackys klar mit 6:1 durch. Die letzten drei Cup-Begegnungen gewann der SK Sturm allesamt mit 1:0 (1975, 1986 und 2010).
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